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HOFHEIM
Theater schafft Gemeinschaft: bei Akteuren und im Publikum
Premiere bei der HCC-Theatergruppe: Um dem Gedächtnis von Alfred Heinze auf die Sprünge zu helfen, schauen Chefärztin Mechthild Wusler und Schwester Veronika Erinnerungsfotos mit ihm an. Im Bild: (von links) Johannes Schmied, Kathrin Schüll und Melanie Saal.
Foto: Gudrun Klopf | Premiere bei der HCC-Theatergruppe: Um dem Gedächtnis von Alfred Heinze auf die Sprünge zu helfen, schauen Chefärztin Mechthild Wusler und Schwester Veronika Erinnerungsfotos mit ihm an.
Gudrun Klopf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:22 Uhr

Wenn Winnetou über die Bühne galoppiert, Romeo seine Julia und der dicke Willi seine Biene Maja anhimmelt, die beiden Heinze – Rühmann und Erhardt – ihren schelmischen Charme versprühen und Reporter Herbert Zimmermann entfesselt „Toooor!“ brüllt: Dann sitzt das Publikum nicht in einer Faschingsveranstaltung. Auch, wenn auf der Bühne Mitglieder des Hofheimer Carneval Clubs (HCC) agieren. Es ist vielmehr die Theatergruppe des HCC, die auf der Bühne im Hofheimer Pfarrheim für Trubel und Heiterkeit sorgt.

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Zur Premiere des diesjährigen Stücks „Amnesie für Fortgeschrittene“, einer Klamotte von Karl-Heinz Alfred Hahn, hieß Axel Neumeier den aus Oberwerrn angereisten Peter Kuhn willkommen. Doch der bekannte Karnevalist hatte den Weg nach Hofheim nicht als Büttenredner angetreten, sondern besuchte die Vorstellung in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Verbands Bayerischer Amateurtheater (VBAT) im Bezirk Franken. Auch Kollegen der Theatergruppen aus Niederwerrn, Wülflingen und Goßmannsdorf waren neugierig darauf, was die Hofheimer zu bieten hatten.

Das Bühnenbild versetzte die Zuschauer in ein Patientenzimmer des Hofheimer Krankenhauses. Perfekt bis ins kleinste Detail war die Bühne ausgestattet: mit Krankenbetten, Nachtkästchen, den üblichen Fotobildern mit Sonnenuntergang an den Wänden. Und selbst der typische Kabelkanal mit Steckdosen und Leselampen hinter den Betten fehlte nicht.

Zum Bühnengeschehen: Chefärztin Mechthild Wusler (Kathrin Schüll) bereitet ein ganz besonderer Fall Kopfzerbrechen: Patient Alfred Heinze (Johannes Schmied) leidet seit einem Unfall an einer ungewöhnlichen Form von Gedächtnisschwund. Stets erwacht er aus dem Schlaf oder einer Ohnmacht als eine andere berühmte Persönlichkeit.

Während Heinzes Verwandlungen seine Verlobte Ulla Schmidtke (Alexandra Neumeier) immer mehr verzweifeln lassen, wissen die Mitpatienten Ignaz Besenbinder (Benjamin Saal) und Kurt Klopfer (Axel Klimach) zunehmend Unterhaltung und Profit daraus zu schlagen. Das Personal versucht vergeblich, das Chaos in den Griff zu bekommen: die gefürchtete Oberschwester Hiltrud (Johanna Schmitt) im rüden Kommandoton und Schwester Veronika (Melanie Saal) als besorgte Helferin.

Zu allem Überfluss bestiehlt auch noch ein Dieb die Patienten in der Klinik. Inspektor Kojambel (Christian Höfler) versucht, dem Übeltäter auf die Spur zu kommen, hat jedoch seine liebe Not mit den schillernden und stetig wechselnden Persönlichkeiten des Alfred Heinze. Unterdessen tüfteln auch die Mitpatienten und Krankenschwester Veronika einen Plan aus, um den Dieb in eine Falle zu locken.

Dass dies nicht so einfach klappt wie gedacht und für jede Menge Turbulenzen auf der Bühne sorgt, liegt auf der Hand. Souffleuse Anette Dorn musste ab und an den Spielern über Textunsicherheiten hinweg helfen. Doch vermutlich war dies der Premierenaufregung und vielleicht auch dem kritischen Blick des prominenten Gastes geschuldet.

VBAT-Vizechef Peter Kuhn steht nicht nur im Fasching auf der Bühne. Beim Oberwerrner Amateurtheater die „Junge Oberwerrner Bühne“ ist er Produzent, Vorstand, Darsteller und Regisseur. Seit 2004 engagiert er sich im VBAT für die Förderung von Amateurtheatern.

Peter Kuhn ist stellvertretender Bezirksvorsitzender des Verbands Bayerischer Amateurtheater (VBAT).
| Peter Kuhn ist stellvertretender Bezirksvorsitzender des Verbands Bayerischer Amateurtheater (VBAT).

In den Pausen der Vorstellung sprach Kuhn mit unserer Redaktion über Ziele und Leistungen der Dachorganisation für Amateurtheater. „Im Verband sind mindestens 660 Bühnen Mitglied, knapp 100 davon aus Franken“, nennt Kuhn Zahlen. Die Tendenz sei steigend. Auch die Theatergruppe des HCC schloss sich vor kurzem dem Verband an.

Mit einem breiten Angebot an Lehrgängen fördert der Verband das Amateurspiel. Angefangen bei den Grundlagen des Theaterspiels, über Körpersprache und Sprechtechnik, bis hin zu Regieführung, Ausstattung und Technik vermitteln Profis alles, was zu einem erfolgreichen Amateurspiel dazugehört. Fachseminare zu den Themen Vereins- und Steuerrecht, Vereinsführung und Öffentlichkeitsarbeit greifen vor allem Vereinsvorständen unter die Arme.

„Es gibt Nachlässe bei den Kosten für die GEMA, eine Versicherung für die Bühnen, Beratungen und vieles mehr“, schildert Kuhn die Vorzüge einer Mitgliedschaft.

Auch auf die Vorstellung des Abends kommt Kuhn zu sprechen. Wichtig sei seiner Meinung nach, dass sich die Amateurgruppen nicht unter Wert zu verkaufen. „Das beginnt schon bei der Auswahl der Stücke: Die sollten Niveau haben.“

Ein solches Stück hätte er nicht ausgewählt, kritisiert Kuhn die Wahl der Hofheimer, „das ist eine reine Klamotte ohne jeden Tiefgang.“ Es gebe hervorragende Boulevardstücke, man denke nur an Willy Millowitsch oder an die unterhaltsamen Schwänke auf den Bühnen der Volkstheater. „Stücke mit Niveau finden Zuspruch beim Publikum; die Zuschauer goutieren den Anspruch durchaus.“

„Ich finde es schade, wenn das Potenzial der Mitwirkenden nicht ausgeschöpft wird und die Talente nicht voll zur Geltung kommen“, zeigt sich Kuhn nicht durchwegs zufrieden mit der Hofheimer Gruppe.

„Bühnenbild und Maske sind hervorragend, aber beim Stück selbst merkt man die fehlende Regie.“ Keinen Regisseur zu haben sei immer schwierig, so Kuhn. Gerne setze er sich mit den Theaterspielern über ihre Aufführung auseinander, „wenn sie das nach der anstrengenden Premiere tatsächlich wollen“.

„Amateurtheater kann wunderbar sein. Bei manchen Bühnen kann man tatsächlich sagen, dass sie von Profis nur die Bezahlung unterscheidet“, sagt Kuhn.

Amateurtheater schaffe das, was den Profibühnen oft nicht gelinge: „Es bringt das Theater aufs Land zu den Menschen und schafft Kultur für alle.“ Es ziehe Leute an, die ansonsten nicht ins Theater gehen würden. Und vielleicht wecke es ja auch den Wunsch nach mehr.

Mit einem weiteren Argument bricht Kuhn eine Lanze für das Amateurtheater: „Es schafft Gemeinschaft – sowohl unter den Schauspielern und als auch im Publikum. Das Theater bringt Leute zusammen und wirkt der Vereinzelung in unserer Gesellschaft entgegen.“

 
 
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