„Ein Terrorist darf 100 Fehler machen, ein Polizist darf keinen einzigen Fehler machen.“ Das sagte Jörg Ziercke in der Frauengrundhalle bei seinem Vortrag zum Thema „Terrorismus – wie bedroht ist Deutschland?“.
Organisiert worden war die Veranstaltung auf Initiative von Helmut Will, seines Zeichens Außenstellenleiter der Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ im Landkreis Haßberge, in Kooperation mit der Stadt Ebern, dem Landkreis Haßberge und der Vhs Haßberge. Anwesend waren auch der Bürgermeister der Stadt Ebern, Jürgen Hennemann, Landrat Wilhelm Schneider, Carolin Schuler von der Vhs sowie viele hochkarätige Gäste aus Politik und Justiz.
Jörg Ziercke ist elf Jahre lang Präsident des Bundeskriminalamtes, der höchsten Polizeibehörde in Deutschland, gewesen. Er fungiert seit seiner Pensionierung als stellvertretender Bundesvorsitzender des „Weißen Ring“. Im Landkreis Haßberge sind es jährlich 25 bis 50 Fälle, um die sich der „Weiße Ring“ kümmern muss.
„Extreme Antwort“
Terror sei eine extreme Antwort auf soziale Konflikte, erklärte Jörg Ziercke zu Beginn seines Vortrags. Zu diesen Konflikten komme es durch den Verlust der Lebensgrundlage, den Zuwachs der Bevölkerung, Klimaveränderungen oder Krieg. „Wenn wir unsere Werte und unseren Wohlstand erhalten wollen, müsse wir etwas davon zurückgegeben“, so Ziercke.
Auch die „Bekämpfung der ,Ungläubigen‘ durch Islamisten“ sei eine Ursache des Terrors. Dabei spiele beim Eintritt in islamistische Kreise die Religion oder die Ideologie zu Beginn keine Rolle. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, das „Sich-Beweisen-Wollen“ sei die Motivation.
Indes: Wer glaube, der Terror sei erst mit dem Flüchtlingsstrom nach Deutschland gekommen, der hätte vieles vergessen, sagte der Referent. Den Terrorismus in Deutschland gebe es schon lange. Und in der Neuzeit nun seien bereits 300 Versuche des IS bekannt, Islamisten über die Flüchtlinge nach Deutschland zu schleusen.
Wie sehr die Polizei und die Sicherheitsdienste gefordert seien, sei der Öffentlichkeit meist nicht bewusst. Jörg Ziercke erklärte beispielsweise, dass Anis Amri, der Attentäter von Berlin am 19. Dezember 2016, einer von 602 sogenannten Gefährdern gewesen sei, die dem Bundeskriminalamt bekannt gewesen seien. Folglich seien parallel zum Fall Amri 601 Fälle gelaufen. Der Rechtsstaat fordere für die Maßnahmenergreifung jedoch Beweise in puncto Gefahrenpotenzial, die häufig nicht vorhanden seien.
Der Referent stellte die Sicherheitsmaßnahmen des Bundeskriminalamtes, die Sicherheitsdebatte und die Prognosen für 2017 vor. Prognostiziert sei ein Anstieg der rechtsextremen Szene, die IS-Missionierung von Flüchtlingen, die Vervierfachung der eingestuften Gefährder in Deutschland, die Ausprägung von Clanstrukturen in Großstädten und ein Anstieg der Anschlagshäufigkeit. „Wir müssen weiter mit dem Terror leben“, so Ziercke, denn eine Entspannung der Situation sei nicht vorhersehbar.
Trotzdem solle die Bevölkerung ihren Lebensstil nicht ändern, um nicht das zu tun, was die Terroristen erreichen wollten: eine Destabilisierung des deutschen Staates.