Am kommenden Montag ist Martinstag. Für Erwachsene rückt die leckere Martinsgans in den Blick. Für Kinder und Familien heißt es Laternenumzug mit Kinderpunsch und Glühwein. Dabei wissen die Kinder ganz genau, warum wir Martinstag feiern. Die Geschichte vom Bettler und dem geteilten Mantel erfreut sich dabei großer Beliebtheit. Wie schön und gut teilen ist, weiß jeder und jede. Die Geschichte geht zu Herzen, doch bei Regen fällt der Laternenumzug aus, so wie das Besondere, was diesen Bischof ausmachte. Der gute Bischof gab nicht sein letztes Hemd, als er seinen Mantel teilte. Mit der Hälfte des Umhangs konnte er sich selbst, und auch als Bettler problemlos warm halten. Das Besondere an diesem Martin war, dass er ernst nahm, was Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern nach Matthäus auftrug: "Was ihr getan habt, einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." Er sah sie, die hungernden Kinder, die Not der kleinen Leute, der Bettler und Wegelagerer.
Martin konfrontierte sich mit ihnen und beruhigte sich nicht mit Almosen, sondern überlegte, wie man helfen kann. Und es gibt sie auch bei uns, die heiligen Martins und ich finde sie toll. Es sind jene, die hinschauen, sich kümmern, organisieren und tätig sind – oft ganz im Verborgenen. Jene, die sich bei der Tafel engagieren oder im Freundeskreis Asyl. Jene, die in Wärmestuben aktiv sind, oder bei der Betreuung von Menschen, die das Leben überfordert. Jene, die hinschauen und hinhören, wenn es Kindern in der Nachbarschaft schlecht geht, die sich um die alte Nachbarin – den alten Nachbarn kümmern, der nicht mehr zurechtkommt. Es gibt sie, aber es wäre noch besser, wenn alle, die den Martinstag so schön finden, sich ein Beispiel an dem Bischof nehmen würden und lernen hinzuschauen und hinzuhören, wo Not am Mann und an der Frau ist.
Das würde niemanden überfordern und von keinem ein Vermögen fordern. Es wäre nicht der Tropfen auf den heißen Stein. Es würde heller werden in unserer Umgebung und in unserem Land. Dabei weiß ich, dass es nicht immer leicht ist, hinzuhören und hinzuschauen, wo man lieber nichts sieht und nichts hört. Ich weiß, dass es anstrengend sein kann, sich den Heiligen Martin zum Vorbild zu nehmen, aber wenn wir das Besondere des Martin nicht auf wenige abschieben würden, sondern alle ein wenig die Ohren und die Augen, die Herzen öffnen würden, dann wäre es gar nicht so schwer. Es wäre ein Segen, für jene, die man so gerne übersieht und überhört. Genießen wir in der kommenden Woche Martinsgans und Laternenumzug, Punsch und Glühwein und vergessen darüber nicht hinzuhören und hinzuschauen, wo wir helfen können.
Die Autorin: Anne Salzbrenner ist Dekanin des Evangelisch-Lutherischen Dekanats Rügheim.