Als ein Bekannter von meinem Plan hörte, antwortete er: "Durch Saudi-Arabien mit dem Rad? Da musst du doch vorher zum Islam konvertieren!" Vor kurzem noch hätte er Recht gehabt. Doch seit wenigen Jahren hat sich der für lange Zeit hermetisch abgeschlossene arabische Staat reisetechnisch geöffnet und vergibt individuelle Visa. Deshalb konnte ich, 67 Jahre alt und passionierter Radler aus dem Königsberger Stadtteil Holzhausen, kürzlich meine anspruchsvolle und außergewöhnliche Tour verwirklichen: Von der jordanischen Hauptstadt Amman über 3000 Kilometern durch Saudi-Arabien bis in die Emirate, Abstecher nach Kuwait und in den Irak inklusive. Wie viele andere Biker ich unterwegs getroffen habe? Keinen einzigen.
Dass fast alle Männer mit langen weißen Gewändern umhergehen, kennt man aus vielen arabischen Ländern. Aber in Saudi-Arabien sind alle Frauen bis auf einen schmalen und manchmal vergitterten Augenschlitz völlig schwarz verhüllt. In Restaurants und Hotels müssen Frauen in einem eigenen Raum speisen – hier herrscht immer noch eine Geschlechtertrennung. Doch die Gastfreundschaft wird großgeschrieben: Immer wieder wollten mich Autofahrer mit Wasser oder Snacks versorgen. Meist wurde ich auf der Wüstenautobahn von einem Polizeifahrzeug mit Blaulicht begleitet. Diese Sicherheitsmaßnahme ging mir irgendwann auf die Nerven. Doch einmal, als es keine Unterkunft gab, durfte ich sogar in einer Polizeistation übernachten.
Ein anderes Mal erlebte ich in einem kleinen Provinznest etwas Besonderes: einen Männerabend. In einem Wochenendhäuschen traf sich die ganze Familie – aber ohne Frauen und Mädchen! Als die Sonne unterging, stellten sich die Männer zum Gebet auf. Ganz vorne der Älteste, der auch vorsang. Immer wieder beugten sie ihre Knie und berührten mit der Stirn den Boden. Dass ein Gast anwesend war, ignorierten sie völlig. Dann wurde Tee getrunken und die vier ältesten Männer spielten Karten. Schließlich gab es auf großen Silbertabletts zarte Fleischstücke, eingebettet in würzigen Reis.
Ein junger Mann schilderte mir die große Leidenschaft vieler Araber: die Falkenjagd. Ein guter Falke, sagte er, sei wertvoller als ein Auto. Später meinte er, dass er nach Deutschland kommen möchte und fragte nach, was eine Braut dort koste. Nichts, antwortete ich ihm, die Frau müsse ihn nur lieben und mit der Heirat einverstanden sein. Allerdings fügte ich hinzu, dass man in Deutschland nur eine einzige Frau haben dürfe. Daraufhin lachte der junge Araber und erklärte, dass er sowieso nur eine haben wolle. Denn anders – das sehe er bei seinem Onkel – gebe es keinen Frieden.
Ungeniert fragten mich viele nach meinem Alter. Als ich "67" sagte, lautete die Antwort stets "Mashallah!". Damit drücken die Araber ihren Respekt und ihre große Anerkennung aus. Obwohl im nahen Katar die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, verzichtete ich darauf, dorthin zu radeln. Warum? In den Golfstaat durfte man während der Spiele nur mit Ticket für ein Spiel und mit Hotelbuchung einreisen – wobei eine Hotelübernachtung mehr als 500 Euro gekostet hätte.
Schon einmal in der Region unterwegs, machte ich auch einen Abstecher nach Kuwait und in den immer noch ziemlich verwüsteten Irak. Hier besichtigte ich die antike Ruinenstadt Ur. Nach der Bibel war dies die Heimat von Abraham. Dieser wird sowohl im Christentum als auch im Judentum und Islam als Stammvater anerkannt. Man könnte meinen, dass diese Gemeinsamkeit ein friedvolles Miteinander erleichtern sollte – die Wirklichkeit sieht leider anders aus.