Die Werke des freischaffenden Bildhauers, Ornamentikers und Objektkünstlers Hans Doppel aus Haßfurt mögen zunächst schockieren und provozieren. Doch sie sind bis ins Letzte durchdacht und laut Aussage des Kunsthistorikers Dr. Matthias Liebel „von einer außerordentlich hohen ästhetischen Qualität“. Dieses Fazit zog er bei einem Themenabend in der Rathaushalle in Haßfurt, in dem die Geschichte der Objektkunst und die Arbeiten des Haßfurter Künstlers im Mittelpunkt standen.
Das Interesse an der Veranstaltung mit dem Titel „Flaschentrockner, Fettecken und tote Kaninchen“, die im Rahmen des Landkreisprojekts „Kunststück“ mit dem Kulturamt der Stadt Haßfurt angeboten wurde, war sehr groß. Neben interessierten Bürgern waren 55 Schüler der beiden Kunstkurse des Q11 des Regiomontanus-Gymnasiums Haßfurt mit ihrer Studienrätin Kim Davey gekommen. „Das Kunststück hat es sich zur Aufgabe gemacht, die verborgenen Schätze im Bereich der Bildenden Kunst ans Licht zu bringen und ein solcher Schatz ist ohne Zweifel Hans Doppel“, sagte eingangs die Projektleiterin Sibylle Kneuer.
Bevor Dr. Matthias Liebel auf die Arbeiten von Hans Doppel einging, „reiste“, er in seinen Vortrag mit Siebenmeilenstiefeln durch 100 Jahre Kunstgeschichte. Auch wenn der Begriff Objektkunst mit Joseph Beuys eng verbunden sei, sei er nicht der Erfinder dieses Genres gewesen, so Liebel. „In der Objektkunst geht es um Gegenstände, die von Künstler in der Alltagswelt vorgefunden und, ohne viel daran zu verändern, zum Kunstwerk erhoben werden“, beschrieb er diese Kunstrichtung. „Werden Objekte in der Natur gefunden, heißen sie Objets trouvés. Sind es industriell oder handwerklich vorgefertigte Gegenstände, nennt man sie Ready-made.“
Diese Objektkunst nutzten Künstler, um die akademischen Konventionen der Bildhauerei über den Haufen zu werfen und zu einer neuen Ausdruckssprache, zu neuen bildästhetischen Ansätzen zu gelangen. Anhand von vielen Fotos beleuchtete der Redner den Beginn der Objektkunst mit den Ready-mades von Marcel Duchamp im Jahr 1913 und ihre weitere Geschichte, ging auf deren Vorläufer ein, erläuterte Arbeiten von Pablo Picasso, Meret Oppenheim oder Kurt Schwitters und zeigte die Weiterentwicklung der Objektkunst in den Bereichen Assemblage, Fallenbild, Land-Art, Akkumulation und Junk-Art auf.
Anschließend wand er sich dem Künstler Hans Doppel und seinen Arbeiten zu. „Er ist einer der umstrittensten Künstlern in der Region, weil er mit seinen Objekten, Installationen und Performances an Tabuthemen wie Tod oder Verwesung rührt“, sagte er. „Hans Doppel beschäftigt sich aber auch mit der Anfertigung von Skulpturen, die als Grabmäler oder Gartenskulpturen eingesetzt werden können.“ Anhand von Fotos von Grabmälern erläuterte der Referent, dass Hans Doppel damit die Entwicklung des Menschen von einem physischen zu einem geisteigen Wesen oder das Werden und Vergehen der beerdigten Menschen aufzeigt.
„Die Grabmäler, die teils selbst korrodieren, vergegenwärtigen, dass Zersetzung und Zerfall, ständige Veränderungen und Mutationen fester Bestandteil des Lebens sind.“ Ausführlich beschrieb Matthias Liebel die ausgestellte 14-teilige Reihe „Weißt du warum“. Hans Doppel hatte seine sterbende Mutter über Monate hinweg Tag und Nacht begleitet, gepflegt und den Verlauf des physischen Verfalls fotografiert. Als Hommage an sie hat er dann diese Art „Kreuzweg“ geschaffen, in dem er für jedes Bild zwei oder mehrere Negative übereinander gelegt und belichtet, in verrostete Rahmen gegeben, mit einem griechischen Kreuz versehen und nach der Art des Kreuzwegs mit den Zahlen 1 bis 14 beschriftet hat.
„Die Reihe ist eine kritische, zweifelnde, neugierige und trauernde Auseinandersetzung von Hans Doppel mit dem Leben und Sterben seiner Mutter und eine Hinterfragung des Sinns des Lebens und Sterbens“, fasste Liebel zusammen. Auch die provokante Installation „Teilverwitterung“, zu der unter anderem ein totes, in Alkohol eingelegtes Kaninchen in einem Glaskasten zähle, habe mit den Prozessen des Werdens und Vergehens zu tun. Diesem Kunstwerk stellte der Referent Damien Hirsts „Goldenes Kalb“ gegenüber, das in der Tate Gallery in London zu sehen ist. „Die Werke von Hans Doppel sind von außerordentlich hoher ästhetischer Qualität und können neben so berühmten Arbeiten wie denen von Damien Hirst sehr wohl bestehen“, betonte er. „Umso unbegreiflicher, dass Hans Doppel nicht längst schon in den bedeutenden Museen zumindest unseres Landes vertreten ist.“ Zum Schluss beleuchtete Liebel die siebenteilige Installation „Gefangenschaft im Fleisch – Aufstieg des Geistes“. Sie besteht aus übereinander gelagerten Fotografien. Zum einen sind es Aufnahmen von frisch geschlachteten, gespalteten und ausgeweideten, an Haken hängenden Tieren in einer Metzgerei. Zum anderen Fotos von männlichen oder weiblichen Aktfiguren, die ähnlich wie die Tierleichen an Handgelenken oder Fußgelenken aufgehängt sind. In goldene Rahmen gefasst, wurden die Bilder mit Fleischerhaken an Holzleitern gehängt. Jedes Detail transportiert eine Aussage, so dass die Installation eine intensive Beschäftigung durch den Betrachter und eine Erläuterung des Künstlers erfordert. Unter anderem repräsentiert die Arbeit die Gebundenheit des Menschen im Diesseits, aber auch die sukzessive Loslösung von den irdischen Dingen und den Aufstieg des Geistigen.
Darüber hinaus vergegenwärtigt sie, wie grausam der Akt des Tötens von Schlachtvieh ist und wie brutal und respektlos der Mensch mit den Kadavern von geschlachteten Tieren umgeht. Mit einem Film von der Performance mit der „Pinkelmaschine“ von Hans Doppel beendete Liebel seinen interessanten, faszinierenden und offenbarenden Vortrag, dem sich Gespräche mit dem Künstler anschlossen.