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HAßFURT
Szenario: Zwei Tote und 48 Verletzte
Etwas entfernt vom eigentlichen Unfallgeschehen wurden die Ablagestellen aufgebaut, damit sich dort in ruhigerer Umgebung um die Patienten gekümmert werden konnte.
Foto: Christian Licha | Etwas entfernt vom eigentlichen Unfallgeschehen wurden die Ablagestellen aufgebaut, damit sich dort in ruhigerer Umgebung um die Patienten gekümmert werden konnte.
Christian Licha
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:53 Uhr

Menschen schreien vor Schmerzen und rufen um Hilfe. 48 Verletzte und zwei Tote forderte das fiktive Unfallszenario, das sich am Samstagnachmittag auf dem Feldweg Richtung Prappach nahe dem Waldgebiet „Schlettach“ abspielte. Bei der Großübung des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) wurde angenommen, dass ein landwirtschaftliches Gespann mit einem Anhänger und Ausflüglern auf der Ladefläche, nach einem Bremsmanöver außer Kontrolle gerät und in eine Gruppe Wanderer rast.

Die Mimen spielten ihre Rolle so überzeugend, dass man fast eine wirkliche Katastrophe annehmen konnte. Teilweise flossen sogar echte Tränen, auch wenn die Wunden nur mit Theater-Blut präpariert waren. Die Besatzung des ersteintreffenden Rettungswagens hatte es schwer. Alle wollten gleichzeitig verarztet werden. Aber für die Rettungssanitäter galt es, zuerst eine Sichtung vorzunehmen: Wer ist wie schwer verletzt?

Dafür gibt es drei Sichtungskategorien (SK). Zum Beispiel bei massiven Blutungen oder Atemstillstand werden die Verletzten der SK 1 zugeteilt und bekommen eine sogenannte Verletzten-Anhänge-Karte mit einer roten Markierung. Dabei handelt es sich um lebensbedrohliche Verletzungen, die einer sofortigen Behandlung und eines schnellstmöglichen Transports in eine geeignete Klinik bedürfen. Patienten der SK 2 (gelb) sind zum Sichtungszeitpunkt zwar nicht akut in Lebensgefahr, aber müssen unmittelbar nach Abtransport der Kategorie „rot“ in ein Krankenhaus gebracht werden. Hier kann es sich etwa um ein Schädelhirntrauma, Bauchtrauma oder offene Frakturen handeln. Alle Beteiligten, die noch gehfähig sind, beispielsweise mit geschlossenen Frakturen oder einem Unfallschock, werden in die SK 3 (grün) eingeordnet, da die Behandlung im Vergleich zu anderen Verletzungsmustern nicht dringlich ist. Tote, die in diesem Fall von Puppen dargestellt wurden, werden mit der Sichtungsfarbe „schwarz“ versehen.

Nach und nach trafen weitere Helfer ein. Aus dem ganzen Landkreis Haßberge sowie den Nachbarlandkreisen Coburg und Schweinfurt fuhren die Bereitschaften mit ihren Krankentransportwagen die Unfallstelle an. Insgesamt waren 180 Männer und Frauen sowie 45 Einsatzfahrzeuge beteiligt. Als Leitender Notarzt fungierte Dr. Peter Jung, der zusammen mit dem Organisatorischen Leiter Jürgen Geisel die Sanitätseinsatzleitung bildete.

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Vor Ort wurden die Verletzten zuerst zu den sogenannten Ablagestellen gebracht, die etwas entfernt vom eigentlichen Einsatzort die Möglichkeit boten, die Patienten in ruhiger Umgebung zu behandeln. Von dort aus wurden die Unfallopfer real in das fiktive Krankenhaus auf dem Gelände des Technischen Hilfswerkes Haßfurt eingeliefert. Zwei unter Schock stehende Personen liefen orientierungslos in den Wald. Hier kam die BRK-Rettungshundestaffel zum Einsatz, die die Abgängigen in der „Schlettach“ finden konnte.

Unterstützt wurde das BRK von den Freiwilligen Feuerwehren aus Haßfurt und Prappach. Rund 20 Ehrenamtliche, die eine Sanitätsausbildung haben, halfen tatkräftig bei der Betreuung der Patienten und dem Verbringen zu den Ablagestellen.

Einer der Feuerwehrler war Patrick Born aus Haßfurt. „Das ist schon etwas anderes als ein normaler Feuerwehreinsatz, bei dem es ja sonst um Löschen oder Befreiung von Personen geht“, schilderte der 27-Jährige und betonte: „In so einer Ausnahmesituation steht man selber auch sehr unter psychischem Druck, aber man muss den Verletzten ruhig gegenübertreten und ihnen vermitteln, dass man sich um sie kümmert.“

Sabine Habermann war eine von den betroffenen Personen. Sie schilderte, dass es ihr zwar gefühlt wie eine Ewigkeit vorkam, bis Hilfe kam. „Aber dann habe ich mich sehr gut aufgehoben gefühlt, als die Retter vor Ort waren“, schilderte die „lebensgefährlich Verletzte“, die unter dem Traktor „eingeklemmt“ war.

„Massenanfälle von Verletzten sind auch für erfahrene hauptamtliche Rettungsdienstmitarbeiter kein Alltag“, stellte BRK-Pressesprecher Michael Will fest. Deshalb seien Einsatzübungen wie diese sehr wichtig, denn sie geben für Ernstfälle die nötige Sicherheit. Auch wenn solche Lagen eher selten seien, kämen sie ab und an vor. „Letztes Jahr wurde bei einer Explosion in einem Industriebetrieb in Eltmann mit 100 Verletzten gerechnet“, so Will. Aber nicht nur bei Unglücken kann es zu sehr vielen Verletzten kommen. Dies könne zum Beispiel auch der Fall bei Lebensmittelvergiftungen in Altenheimen oder bei Festgesellschaften sein.

Ein ähnlicher Fall diente als Vorlage zu dieser Großübung. In Falkenstein bei Donnersdorf, nahe der Landkreisgrenze, wurden im letzten Sommer bei einem Unglück mit einem landwirtschaftlichen Gefährt rund 20 Personen zum Teil lebensbedrohlich verletzt. Die BRK-Wachleiter Wolfgang Zweverink (Haßfurt) und Daniel Schirmer (Hofheim) übernahmen dieses Szenario und organisierten in wochenlanger Vorarbeit das fiktive Einsatzgeschehen am Rande der Kreisstadt.

Stellvertretender Landrat Michael Ziegler machte sich vor Ort ein Bild und durfte miterleben, wie schnell und abgestimmt die Helfer arbeiten. Haßfurts 3. Bürgermeister Stephan Schneider war beeindruckt vom Übungsablauf und freute sich besonders, dass die Feuerwehren perfekt mit dem BRK zusammenarbeiteten.

 

Übungsszenario: Ein Traktor rast in eine Gruppe Wanderer und verliert dabei auch seine Fahrgäste auf der Ladefläche.
Foto: Christian Licha | Übungsszenario: Ein Traktor rast in eine Gruppe Wanderer und verliert dabei auch seine Fahrgäste auf der Ladefläche.
Auch unter dem Traktor „eingeklemmt” waren einige Verletzte, die gerettet werden mussten.
Foto: Christian Licha | Auch unter dem Traktor „eingeklemmt” waren einige Verletzte, die gerettet werden mussten.
Überzeugend echt waren die Mimen mit Theater-Blut geschminkt und simulierten wirklichkeitsnah ihre Schmerzen.
Foto: Christian Llicha | Überzeugend echt waren die Mimen mit Theater-Blut geschminkt und simulierten wirklichkeitsnah ihre Schmerzen.
Zuerst mussten die Rettungssanitäter eine Sichtung vornehmen und feststellen, wer einer dringlichen Behandlung bedurfte.
Foto: Christian Licha | Zuerst mussten die Rettungssanitäter eine Sichtung vornehmen und feststellen, wer einer dringlichen Behandlung bedurfte.
Rund 20 Mann der Freiwilligen Feuerwehren Haßfurt und Prappach packten beim Verbringen der Verletzten tatkräftig mit an.
Foto: Christian Licha | Rund 20 Mann der Freiwilligen Feuerwehren Haßfurt und Prappach packten beim Verbringen der Verletzten tatkräftig mit an.
 
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