Meng Huang scheut sich nicht vor offenen Worten, auch wenn diese gefährlich für ihn sein können. Das hat der Künstler in seiner Heimat China erfahren. Zwar lebt er nun seit einigen Jahren in Berlin: mit unbegrenzter Aufenthaltserlaubnis, aber mit chinesischem Pass. Und irgendwann möchte er wieder heim. So gehört Mut dazu, seine Anklage an das kommunistische Regime Chinas öffentlich im Diözesanmuseum in Bamberg zu präsentieren. Sein Werk „Name“ nimmt einen prominenten Platz in der aktuellen Sonderausstellung „Der Funke Gottes!“ ein, die noch bis 10. November zeitgenössische Kunst alter, sakraler gegenüberstellt.
„Viele Menschen gehen mit offenen Augen durch die Welt und sehen doch nichts“, klingt sein Vorwurf an die westlichen Staaten fast poetisch. Meng Huan war in Bamberg, stellte sich Besuchern des Diözesanmuseums zum Gespräch, das ein Dolmetscher übersetzte. Der Künstler, der mit seinem Kollegen Ai Weiwei befreundet ist, hat mit seinem ausgestellten Objekt 162 Tibetern sozusagen ein Denkmal gesetzt. Es ist ein stummer Protest gegen die Unterdrückung Tibets durch China.
Meng Huan schuf 162 Porzellantafeln, die durch Polieren eine körnige, taktile Oberfläche erhielten. In die Tafeln wurden die Namen der Tibeter geschrieben, die sich seit 2009 aus Protest gegen die Unterdrückung ihres Volkes selbst verbrannt haben. Der erste öffentliche Selbstmord eines Tibeters durch Verbrennung geschah im südwestchinesischen Sichuan, das im Norden tibetisch geprägt ist. Er löste damit eine Welle der Nachahmungen aus. Doch weder in China noch im Ausland finde das Schicksal der Tibeter heute noch viel Aufmerksamkeit, beklagt Meng Huan.
Die 162 Namen zu entziffern, dürfte allerdings den Wenigsten möglich sein: Sie sind in Brailleschrift, also Blindenschrift, geschrieben. Wer gute Augen hat, erkennt die leichten Erhebungen. Doch in erster Linie müssen diese Punkte erfühlt, ertastet werden: „Dabei ergibt sich ein Gefühl des Widerstandes“, so Meng Huan, der selbst in Tibet mit Blinden zusammengetroffen ist. Bei Temperaturen bis zu 1500 Grad wurde das Material gebrannt und ging, wie Meng Huang es beschrieb, „durch das Feuer, so wie die Tibeter in den Selbstverbrennungen durch das Feuer gehen“.
Diese Epitaphe haben die Ausstellungskuratoren Holger Kempkens und Alexander Ochs sinnigerweise in den Schauraum „Von Glaubenskrieg und Säkularisation“ platziert. Von den Wänden blicken Ölbilder mit den Porträts der Bamberger Fürstbischöfe des 17. und 18. Jahrhunderts: Machtausübung damals wie heute.
Zumindest in Bamberg ist das Schicksal der Tibeter nicht ganz vergessen und kann durch dieses bedrückende Werk Meng Huans mehr in Erinnerung gerufen werden. Jedes Jahr am 10. März weht am Alten Rathaus die tibetische Flagge. Damit setzt die Stadt am „Internationalen Aktionstag für Tibet“ ein Zeichen für das Recht der Tibeter auf Selbstbestimmung und die Einhaltung der Menschenrechte. Im Jahr 1949/50 hatte China Tibet besetzt und seit dem jeden Aufstand blutig niedergeschlagen. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, musste ins Exil nach Indien fliehen.
Engen Kontakt zu ihm und zu Tibetern hält der Bamberger Stadtrat Wolfgang Grader als Vorsitzender der „Tibet Initiative Deutschland e. V.“. (mkh)