Ende Februar einigten sich in Bayern CSU und FDP schließlich doch nach langem Koalitionsstreik: die Studiengebühren, auch Campus-Maut geschimpft, werden nun auch im Freistaat zum kommenden Wintersemester abgeschafft. Die Mehrheit der Studierenden an den bayrischen Hochschulen hat dies lange ersehnt. Die Beiträge von rund 500 Euro pro Semester waren teilweise eine starke Belastung für finanziell schwach gestellte Menschen. An dem Volksbegehren gegen die Studiengebühren hatten sich 14,4 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Die Voll-Kompensation der Studiengebühren durch den Freistaat Bayern ist bereits im Entwurf des Bildungsfinanzierungsgesetzes festgeschrieben. Insgesamt 219 Millionen Euro werden demnach im Doppelhaushalt 2013/14 benötigt, um den Hochschulen ab Oktober und im Jahr darauf die wegbrechenden Studiengebühren zu erstatten. Dennoch ist zu erwarten, dass der Wegfall der Semesterbeiträge nicht ohne Folgen bleibt.
Rechnen mit voller Kompensation
Zum nächsten Wintersemester wird sich an dem bisherigen Lehrangebot nichts ändern. Darin sind sich die Hochschulen in Oberfranken einig. Sie gehen davon aus, dass der Freistaat die wegfallenden Einnahmen vollständig übernimmt. Daher seien auch keine Kürzungen notwendig. Allein für die Hochschule Coburg entspricht das einem Betrag von rund zwei Millionen Euro pro Studienjahr. Dort können die Studierenden derzeit die Angebote wie bisher im vollen Umfang nutzen, wie Margaret Bögelein, Leiterin des Referats Hochschulmarketing und Kommunikation bestätigte. „Sollten wir keine vollständige Kompensation erhalten und die staatlichen Studienzuschüsse geringer ausfallen, geht es darum, gemeinsam mit den Studierenden zu entscheiden, wo gekürzt werden soll“, erklärt Margaret Bögelein.
Sebastian Kempgen
Vizepräsident Uni Bamberg
Auch an der Hochschule Hof denkt man bisher nicht über einen Sparkurs nach. Bisher sorgten studentische Videobeiträge bei der Verwendung der Semesterbeiträge für mehr Transparenz.
Die beiden Universitäten Bamberg und Bayreuth sehen den Entwicklungen ebenfalls optimistisch entgegen. Sebastian Kempgen, Vizepräsident Lehre und Studierende der Uni Bamberg, versichert: „Wir gehen von vollständiger Kompensation aus, Einsparungen werden nicht nötig sein.“
Einen kleinen Haken gebe es dennoch: Die exakten Einnahmen stehen noch nicht fest. „Ob und wo gespart werden muss, ist noch gar nicht klar, da die neuen Zuweisungssummen, die die Universitäten vom Ministerium bekommen, noch nicht bekannt sind“, ergänzt er. Noch ist also ungewiss, ob der Freistaat den Ausgleich für die wegfallenden Einnahmen hundertprozentig gewährleisten wird. Markus Zanner, Kanzler der Universität Bayreuth, sagt: „Wir werden keinesfalls an den Personalkosten sparen. Sollten Einsparungen nötig und unumgänglich werden, werden wir möglicherweise geplante Baumaßnahmen verschieben.“
Coburg sieht das Problem vielmehr in der nahen Zukunft. „Für die nächsten beiden Jahre werden die Studienbeiträge in Bayern durch Studienzuschüsse des Freistaates an die Hochschulen kompensiert. Fraglich ist allerdings, wie es danach weitergeht. Sollten den Hochschulen die Mittel dann nicht mehr zur Verfügung stehen, würde dies massive Einschnitte zur Folge haben“, so Pressesprecherin Bögelein. Angefangen bei der Bibliotheks- und Laborausstattung bis hin zu Zusatzangeboten wie Tutorien und Einstiegskursen für Erstsemester – Angebote wie diese werden dann am ehesten unter den Kürzungen leiden.
Auch Jürgen Lehmann, Präsident der Hochschule Hof, sieht in der Ungewissheit das größte Problem, da „die chronisch unterfinanzierten Hochschulen noch weniger Entwicklungsmöglichkeiten haben, obwohl sie eigentlich die Innovationsmotoren wären.“ Er vertritt die Meinung, dass die Politik zu wenig in den „Rohstoff Geist“ investiere, der den gesellschaftlichen Wohlstand sichern sollte. Kempgen dagegen sieht in dem Wegfall der Studiengebühren momentan keine Probleme für die Zukunft an der Uni Bamberg.
Kanzler Zanner der Uni Bayreuth glaubt, dass „Studiengebühren weiterhin ein Thema bleiben werden.“ Schließlich führen die steigenden Studierendenzahlen zu einem großen Andrang an den Universitäten. „Mit dem Wegfall der Studiengebühren müssten dann auch die Kompensationsmittel dynamisch angepasst werden“, fordert er.
Die große Herausforderung: die sichere Gewährleistung der finanziellen Mittel trotz demografischen Wandels. In Bamberg ist man anderer Ansicht: Dass den Ländern nicht anderes übrig bleiben werde, als die Gebühren wieder einzuführen, tut Kempgen als politisch motivierte Behauptung ab: „Nachdem die Studienbeiträge abgeschafft sind, werden sie kurzfristig sicher nicht wieder neu eingeführt – dazu brauchen solche Prozesse viel zu langen Vorlauf und besonders keine Wahlen die bevorstehen.“
Kristina Kneuer von der Studierenden-Fachschaft der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaft (GuK) setzte sich zusammen mit den anderen Mitgliedern aktiv für die Abschaffung der Gebühren ein, den Erfolg beim Volksbegehren bewerteten sie alle sehr positiv. „Bis 2014 ist alles gut“, versichert auch sie, die den neuen Haushaltsplan kennt.
Aber: „Es bleibt abzuwarten, was die Landtags- und Bundestagswahl ergibt und ob die Politik langfristig hält, was sie im Wahlkampf versprochen hat.“ Auf die Frage, ob sie Sparmaßnahmen bei der Neuanschaffung von Büchern befürchtet, winkt Kristina ab. In dem Fall gebe es wenigstens die Möglichkeit, viel gefragte Bücher zu digitalisieren.
„Schwieriger wird es schon bei den Tutorien“, gibt sie zu bedenken. Noch wisse man nicht, ob Tutoren zu den festen Mitarbeitern zählen, denen garantiert wurde, weiterhin beschäftigt zu werden. „Wenn sich Lücken im Uni-Alltag bemerkbar machen sollten, sind wir die Ersten, die etwas dagegen unternehmen“, versichert sie. Bis jetzt sei noch unklar, wie sich das Mitspracherecht der Studierendenvertretung in Zukunft gestaltet.
Besonders positiv bewertet sie, dass die Kompensation durch den Staat eine bessere Kalkulation für die Arbeitsverträge von Lehrpersonen darstellt. Die Einnahmen durch Studiengebühren unterlagen enormen Schwankungen. Gerade junge Wissenschaftler lebten mit befristeten Verträgen oft in großer Ungewissheit. Vizepräsident Kempgen verkündet, dass einige Dozenten mit befristeten Verträgen nun sogar Dauerstellen bekommen.
Wegen der Schwankungen durch die Studiengebührenfinanzierung hatte man sich bei neuen Arbeitsverträgen sicherheitshalber auf maximal ein statt zwei Jahre beschränkt. Das sei nun hinfällig. Demnach müsste auch die bisher durch Studiengebühren finanzierte Halbtagsstelle des Auslandskoordinators im Auslandsamt weiterhin gesichert sein. Allerdings ist sich Marco Depietri, Lektor für Italienisch an der Uni Bamberg, da nicht ganz so sicher. „Es ist die Frage, an welchen Stellen gespart wird“, sagt er.
Und was ist, wenn die Kompensationszahlungen im Jahr 2015 niedriger ausfallen werden? „Soweit wir in Ausnahmefällen befristete Verträge abgeschlossen haben, würden diese nicht verlängert – also das Lehrangebot reduziert“, zieht Präsident Lehmann der Hochschule Hof die Konsequenz. Die Gefahr einer „Schrumpfung des Lehrkörpers“ bei geringer werdenden Haushaltsmitteln sei recht groß, so Lehmann.
Dennoch halten sich Gerüchte, nach denen die Einsparungen wohl schon jetzt eingesetzt hätten. Verschiedene Quellen ließen verlauten, dass sich der Wegfall der Studiengebühren bereits auf das Angebot der Sprachkurse an der Uni Bamberg auswirkt. So seien pro Woche 16 Stunden Spanisch und sechs Stunden Italienisch gestrichen worden. Exotischere Sprachkurse wie Indonesisch seien aus diesem Grund komplett weggefallen.
Man müsse dabei bedenken, dass die Einnahmen für dieses Semester noch vollständig gedeckt sind. Es sei sogar behauptet worden, dass das Sprachenzentrum zum Wintersemester eventuell bis zu einem Drittel weniger Kurse anbieten wird. Werden also intern schon reine Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um etwaige Unsicherheiten durch Rücklagen aufzufangen? Es wäre ein sparsamerer Umgang mit den Ressourcen, der anscheinend schon heimlich begonnen hat.
Das Sprachenzentrum dagegen erklärt die Reduzierung des Sprachangebots damit, dass die Uni aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs und der Abschaffung der Wehrpflicht einmalig über vier Semester lang zusätzliche Gelder erhielt. Zusammen mit den Restmitteln aus den Studienbeiträgen sei so mehr Personal beschäftigt worden, weshalb das Angebot auch im Sprachenzentrum größer gewesen sei. Mit den Studiengebühren habe dies allerdings nichts zu tun, so lautet die offizielle Stellungnahme. Dennoch befürchten viele Studenten in Zukunft Kürzungen, egal ob bei Sprachkursen, Tutorien oder in der Bibliothek. Ob die Sorgen berechtigt sind, wird sich in wenigen Monaten zeigen.