Alter, Krankheit, Siechtum – für viele ein Horrorszenario, das sie sich erst gar nicht vorstellen möchten. Viel eher möchte man doch in Würde und möglichst ohne Schmerzen versterben. Einschlafen und nicht mehr aufwachen. Die Wirklichkeit sieht meist leider anders aus. Die Palliativmedizin (palliativ bedeutet schmerzlindernd, aber nicht mehr die Ursachen einer Krankheit bekämpfend) hat das Rad nicht neu erfunden, vollbringt auch keine aufsehenerregenden Wunder, aber sie erleichtert vielen Menschen den letzten Weg und gibt da Hoffnung, wo andere schon aufgegeben haben. Seit vergangenem Jahr hat das Krankenhaus in Ebern einen palliativ-medizinischen Dienst. Ein engagiertes Team kümmert sich seitdem um die vielfältigen Aufgaben.
Es ist sehr ruhig im 2. Stock des Südflügels im Eberner Krankenhaus. Hektik ist kaum notwendig, denn die Menschen, die in den drei Betten in Einzelzimmern in diesem Teil der Klinik liegen, haben ihr Leben zum größten Teil geordnet, die meisten Frieden mit sich und ihrer Umwelt gemacht und warten nun auf den Tod. Und wenn es irgendwie geht, möchten sie zu Hause sterben, in einem vertrauten Umfeld. Das ist das eigentliche Ziel der Palliativmedizin, nämlich genau dies möglich zu machen. Damit das aber funktioniert, braucht man ein gut geöltes Räderwerk, genauer gesagt, ein Versorgungsteam aus Pflegefachkräften, Ärzten, Therapeuten, Sozialdiensten, Seelsorge und ehrenamtlichen Helfern. Palliativpatienten benötigen medizinische, therapeutische, psychosoziale sowie spirituelle Unterstützung. Dabei werden aber auch die Angehörigen mit einbezogen.
Behandelt werden in Ebern Menschen mit einer fortgeschrittenen, nicht heilbaren Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung. Um eine ganzheitliche Betreuung zu gewährleisten und die letzten Tage, Wochen oder Monate so lebenswert wie möglich zu gestalten, greifen verschiedene Faktoren ineinander.
„Es ist selbstverständlich einfacher, ein Medikament zu verabreichen und das war's dann. Aber wir müssen umdenken, ganzheitlich handeln, den Patienten ummanteln. Wir wollen Leiden lindern und dafür sorgen, dass der Patient in Würde sterben kann. Auf ihrem letzten Weg geben wir die nötige Unterstützung und entlasten die Angehörigen. Unser Ziel ist es, die todkranken Patienten nach Hause zu entlassen. Wenn das nicht klappt, dann kümmern wir uns hier bis zur letzten Minute um sie.“ Dr. Andreas Engelhardt ist Leiter des Palliativmedizinischen Dienstes im Krankenhaus Ebern. Er stand dem ganzen Konzept zwar anfangs mit gesunder Skepsis gegenüber, wünscht sich aber mittlerweile noch mehr Betten für seine sterbenden Patienten. „Ein Teil unseres Erfolges besteht darin, dass es bei uns keinerlei Hierarchien gibt. Wir sind ein multi-personelles Team, das sich einmal in der Woche trifft, um über die Patienten zu reden und um alle Meinungen zu hören. Erst dann wird gehandelt.“ Wert legt Dr. Engelhardt auch auf die Aussage, „dass wir auf keinen Fall Sterbehilfe in irgendeiner Art und Weise leisten. Leiden werden bei uns weder verkürzt noch verlängert, bestenfalls gelindert“.
Und um die, teils unmenschlichen, Leiden zu lindern, gibt es für die Patienten unter anderem eine individuell abgestimmte Schmerztherapie, umfassende medizinische und pflegerische Betreuung, unter anderem bei Atemnot oder Erbrechen, therapeutische Zusatzangebote, um seelische Kräfte zu wecken, seelsorgerische Begleitung, eine ehrenamtliche Hospizbegleitung und die soziale Beratung und die Vermittlung nachsorgender Angebote. Um letzteres kümmert sich in Ebern Sozialpädagogin Walburga Albert. Sie bezeichnet sich selbst als „Brücke nach draußen“ und sorgt unter anderem dafür, dass ein Medizinischer Dienst für den Patienten nach der Entlassung bereitsteht, sie kümmert sich um die Pflegehilfsmittel und koordiniert den weiteren Aufenthalt. Walburga Albert steht auch für eine psychosoziale Beratung und Begleitung zur Verfügung. „Oft wollen sich Patient und Angehörige gegenseitig schonen, sie weichen dem Thema Tod oft aus. Diesen Prozess moderiere ich dann mit. Sterben ist so heilig wie die Geburt. Wir sollten dem Thema mit Würde und Ehrfurcht begegnen.“
Das tut auch Hiltrud Häusinger, engagierte Palliative-Care-Schwester. Sie pflegt und umsorgt unter anderem die Kranken, bei denen es keinerlei Aussicht auf Heilung mehr gibt. „Der Patient soll sich angenommen fühlen, aber wir gehen so normal wie möglich mit ihm um. Dass wir dabei aber spezielle Wünsche, wie beispielsweise Essgewohnheiten berücksichtigen, ist Teil der palliativen Pflege.“
Johanna Muckelbauer und Helene Kuboth, die beide mit der Europatagmedaille für ehrenamtliches Engagement geehrt wurden, sind ebenfalls ein Teil der ganzheitlichen Betreuung. „Wir sind ein Stück Normalität ohne Kittel“, bringt es Johanna Muckelbauer auf den Punkt. „Manchmal ist gar kein großes Gespräch notwendig, dann halten wir einfach nur die Hand.“ Einen guten Zugang hat auch Helene Kuboth zu den Patienten. „Meistens komme ich ins Zimmer und frage dann: Wie fühlen Sie sich heute überhaupt? Dann sprechen wir über alle Themen, die gewünscht werden oder die sich einfach aus der Unterhaltung ergeben.“ Die acht ehrenamtlichen Helfer des Malteser Hilfsdienstes haben im Eberner Krankenhaus sogenannte Präsenzzeiten, an denen sie sich um die Patienten kümmern. Von montags bis donnerstags sind sie jeweils zwei Stunden vor Ort.
Patienten, die wieder ins eigene Zuhause entlassen werden können, oder die erst gar nicht im Krankenhaus waren, sind nicht etwa sich selbst überlassen, sondern werden natürlich ebenfalls aufgefangen. Die spezialisierte, ambulante Palliativversorgung, kurz SAPV Bamberg, betrachtet es als vorrangige Aufgabe, Lebensqualität und Selbstbestimmung zu erhalten, zu fördern und, wenn möglich, zu verbessern. Leitender Arzt des Hospiz- und Palliativzentrums Bamberg ist Dr. Jörg Cuno. „Mit dem im Jahr 2007 im Sozialgesetzbuch V fixierten Rechtsanspruch auf spezialisierte Palliativversorgung im heimischen Umfeld ist ein wichtiger Meilenstein in der Behandlungs- und Betreuungsoptimierung schwerstkranker und sterbender Menschen gelegt worden. Ziel muss es nun sein, diesen Anspruch weiter in die Fläche zu bringen, um allen Menschen in Deutschland, unabhängig vom Versicherungsstatus, die Möglichkeit zu geben, im vertrauten Umfeld friedlich, angst- und schmerzfrei sterben zu können.“ Die SAPV Bamberg kümmert sich flächendeckend unter anderem um die Landkreise Haßberge, Bamberg, Forchheim und Lichtenfels. Einer ihrer Stützpunkte sind die Haßberg-Kliniken Haus Ebern. „Wir bieten Vorteile für Patienten und Angehörige, Hausärzte, ambulante Pflegedienste, Seniorenheime und Krankenkassen.“ Und Dr. Cuno schiebt noch zwei beeindruckende Zahlen als Beweis hinterher: „Erreicht haben wir bisher eine Reduktion der Notarzteinsätze um 97 Prozent und eine Reduktion der Klinikeinweisungen um 84 Prozent.“ Als vorrangige Aufgabe betrachtet es die SAPV Bamberg, Lebensqualität und Selbstbestimmung zu erhalten.