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HASSFURT
Stefan Paulus schießt auf die eigene Partei
Bezichtigt die CSU Haßberge der illegalen Parteienfinanzierung mit Hilfe der Abgeordneten: Stefan Paulus.
Foto: ArchivHT | Bezichtigt die CSU Haßberge der illegalen Parteienfinanzierung mit Hilfe der Abgeordneten: Stefan Paulus.
Von unserem Redaktionsmitglied Martin Sage
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:30 Uhr

Illegale Parteienfinanzierung der CSU im Stimmkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld? Keine schlechte Munition für die politischen Gegner kurz vor den großen Wahlen. Vor allem, wenn der, der die Munition liefert, selbst CSU-Mitglied ist. Im aktuellen Fall ist das der Knetzgauer Bürgermeister Stefan Paulus. Und geschossen wird damit vor allem auf Dr. Bernd Weiß, der im Gespräch mit unserer Zeitung jeden Vorwurf entschieden von sich wies.

Paulus hatte am Donnerstagabend vor einem Millionenpublikum im Fernsehmagazin Monitor (ARD) Weiß und die CSU Haßberge angeschwärzt, davon gesprochen, dass „der Landtagsabgeordnete“ Mitarbeiter der CSU-Geschäftsstelle bezahle, weil die Partei diese Stelle und ihr Personal finanziell nicht mehr unterhalten konnte und bei den Mandatsträgern um Unterstützung gebeten habe. Jahrelang sei auf diese Weise eine Sekretärin in Diensten der CSU gestanden. Zu Wort in dem Monitorbeitrag kommt der aus dem Fernsehen bekannte Verfassungsjurist Hans Herbert von Arnim (Speyer), der das Publikum darüber aufklärt, dass dererlei Praktiken – die Bezahlung von Parteiarbeit über die den Parlamentariern zustehenden Mitarbeiterpauschalen – illegal und verfassungswidrig sind.

Dr. Bernd Weiß äußert sich in der Sendung nicht, er wird namentlich auch nicht genannt; weil das Monitor-Team ihn aber vor seinem Zuhause filmt, erkennt auch der letzte Wähler, dass er gemeint ist. Weiß lässt in der Sendung nur verlauten, dass die Sekretärin ehrenamtlich für die Partei gearbeitet habe, von ihm hierfür also kein Geld erhalten habe. Schon seit Jahren ist die Frau nicht mehr im CSU-Bürgerbüro in der Schlesinger Straße in Haßfurt tätig.

Bürgermeister Paulus indes geht in seinen Äußerungen gegenüber Monitor noch einen Schritt weiter. Auf die Frage des Reporters „Und seither bezahlen die Abgeordneten die Mitarbeiter in der Parteizentrale“ antwortet er unmissverständlich mit „Ja“: Eine brisante Behauptung, und es ist auch klar, wen sie neben Dr. Bernd Weiß trifft: Dessen Wahlkreismitarbeiter im Landkreis Haßberge, Sebastian Schilling, der in Personalunion Kreisgeschäftsführer der CSU ist. Unter Generalverdacht gerät damit auch Schillings Pendant in Bad Neustadt, Tanja Mauer, die zudem seit Jahren im Notariat des einstigen Innenstaatssekretärs angestellt ist.

Auf Anfrage unserer Zeitung stellte Jurist Weiß gestern klar, dass er nie Gelder aus Steuermitteln an die CSU weitergeleitet habe. Und was seine Mitarbeiter anbelange, so existierten „keine Arbeitnehmerüberlassungsverträge an die CSU“, und die Partei habe sich umgekehrt auch keine Dienstleistungen bei seinen Mitarbeitern eingekauft. „Sebastian Schilling ist mein Angestellter, seine Arbeit für die CSU Haßberge erledigt er rein ehrenamtlich“, so Weiß. Im Falle von Tanja Mauer spricht er von zwei unabhängigen Arbeitsverträgen – Notariat und Abgeordnetenmitarbeit – und zwei voneinander getrennten Vergütungen.

Weiß betont, dass er sich, was die Beschäftigung seiner Wahlkreismitarbeiter anbelangt, nichts vorzuwerfen habe, alles sei „sauber“. Der 45-Jährige macht geltend, dass er allein 2012 rund 20 000 Euro Mitarbeiterpauschale an die Landtagsverwaltung zurückgezahlt habe, weil er das Geld einfach nicht gebraucht habe. Rund 7500 Euro monatlich erhalten die Abgeordneten für ihre persönlichen Referenten. Vor allem aber stellt Weiß die Frage:„Welchen Sinn macht es denn, wenn ich keinen Mitarbeiter anstellen darf, der sich ehrenamtlich in der CSU engagiert? Will man mich da zwingen, einen reinen Fachangestellten zu nehmen?“

Sebastian Schilling versicherte der Heimatzeitung am Freitag, die Trennung zwischen bezahltem Job und Ehrenamt sei für ihn kein Problem. „Von 8.00 bis 17.00 Uhr arbeite ich für Dr. Bernd Weiß, davor, danach oder in der Mittagspause für die Geschäftsstelle“. Ein sauberer Schnitt sei stets möglich, Interessenkonflikte aus den beiden Tätigkeiten ergäben sich nicht.

CSU-Kreisvorsitzender Steffen Vogel, auf den der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung ja ebenfalls fällt, weist die Paulus'schen Vorwürfe genauso weit von sich. Und er glaubt, auch einen eindeutigen Unschuldsbeweis vorlegen zu können: „Der Sebastian Schilling hatte jetzt gerade zehn Tage Urlaub“, sagte Vogel zum HT. „Glauben Sie wirklich, dass ich ihn, wenn ich weisungsbefugt wäre, jetzt in der heißen Wahlkampfphase die freien Tage genehmigt hätte?“

Trotzdem: Sollte Vogel in zwei Wochen in den Landtag gewählt werden, wird er eine strikte Trennung zwischen Abgeordnetenbüro und Parteizentrale vornehmen, „diese Doppelfunktion werde ich nicht mehr zulassen“, kündigt er an. „Ich möchte ja auch nicht, dass irgendein Ortsverband über meinen Mitarbeiter verfügt“, ergänzte er. Sebastian Schilling hofft auf Vogels Wahlerfolg, er möchte sein Referent im Haßbergkreis werden – Dr. Weiß scheidet bekanntermaßen aus dem Parlament aus.

Dass Stefan Paulus jetzt kurz vor dem Urnengang seinen Parteifreunden „ans Bein pinkelt“, kann Vogel nicht so recht verstehen. Allerdings sieht der Kreisvorsitzende keine Notwendigkeit, deswegen Maßnahmen gegen den Knetzgauer Bürgermeister zu ergreifen. „Wenn er glaubt, das musste sein, dann ist es halt so“, bleibt Vogel gelassen.

Paulus klärte das HT nach der Monitor-Ausstrahlung auf, dass es nicht so gewesen sei, „dass ich unbedingt vor die Kamera wollte.“ Er selbst habe vor einiger Zeit den Staatsrechtler von Arnim angeschrieben und ihn um Rat gefragt, weil es offensichtlich keinerlei Möglichkeiten gebe, zu kontrollieren, wie ein Politiker seine Mitarbeiterpauschale einsetze. Über den prominenten Staatsrechtler kam dann der Kontakt mit dem Fernsehen zustande. „Und es war klar: Wenn die mich fragen, sage ich die Wahrheit.“

Zur Paulus'schen Wahrheit gehört, dass keinesfalls alle Politiker korrupt sind, „für alle Bürgermeister im Landkreis lege ich die Hand ins Feuer“, betonte der Betriebswirt am Freitag. Aber mancher Amtskollege haben es im kommenden Wahlkampf leichter, weil die große Partei im Hintergrund kräftig mithilft (Paulus wird wie 2008 nicht für die CSU antreten), mutmaßt der Rathauschef. Ein Blick auf die Homepage der CSU Haßberge oder deren Facebook-Auftritt genüge doch um zu erkennen, welche Hilfspakete da angeboten werden. „Ich muss meinen Wahlkampf komplett alleine und aus eigener Tasche bestreiten“, erklärt Paulus. Gerade, weil Bernd Weiß seit zwei Jahren „überhaupt keine Wahlkreisarbeit mehr leistet“, liege es doch auf der Hand, welche Aufgaben auf seinem Haßfurter Mitarbeiter jetzt hauptsächlich zukommen.

 
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