Die vier Männer, die auf dem alten Schwarz-Weiß-Foto vor dem Gartenzaun posieren, müssen längst verstorben sein, selbst wenn sie ein methusalemsches Alter erreicht haben sollten. Aber steht das Haus im Hintergrund noch? Und wenn ja: wo? Das wüsste gerne Reinhard Kulick, und zwar im Zusammenhang mit seiner Erforschung der Sandsteine der Region und ihrer Nutzung durch die heimische Steinindustrie. Denn am Haus prangt ein Schild, auf dem in großen Lettern steht: „C. Vetter Eltmann.“
Es handelt sich also zweifellos um eine Betriebsstätte des Steinmetzunternehmens Vetter, das um 1900 herum der mit Abstand größte Arbeitgeber seiner Branche in der Region Ebelsbach-Eltmann-Sand-Zeil war, wie der promovierte Bauingenieur und emeritierte Professor der Fachhochschule Mainz weiß. Kulick, der an der Entstehung der „Fränkischen Sandsteinwelt“ im einstigen Breitbrunner Keller-Bruch mitwirkt und Mitglied im Historischen Verein Haßberge ist, ist auf ein Firmenprospekt aus dem Jahr 1906 gestoßen, dem zufolge die „Deutschen Steinwerke C. Vetter A-G“ mehr als 30 Steinbruch- und über 20 Steinmetz-Werkplätze betrieb.
„Damals beschäftigte das Unternehmen über 1000 Mitarbeiter und fertigte Werksteine für anspruchsvolle repräsentative Bauten im gesamten damaligen Deutschen Reich“, weiß Prof. Kulick. 1865 hatte Conrad Georg Vetter das gleichnamige Steinmetzgeschäft in Tretzendorf gegründet, um 1900 herum verlegte das Unternehmen seinen Betriebssitz nach Eltmann. Das mit der Aktiengesellschaft war nur eine kurze Episode, „1919 hauchte die AG ihr Leben wieder aus, es entstand die Steinindustrie Vetter GmbH“, hat der Mainzer erforscht, auch später firmierte das Unternehmen noch mehrfach um. Vor vier Generationen jedenfalls seien die Abbauschwerpunkte im Aurachtal, am Sander Hermannsberg und im Ebelsbachtal gelegen, erklärte Reinhard Kulick dieser Tage unserer Zeitung.
Große Steinmetz-Werkplätze unterhielt Vetter, der 2001 von der englischen O'Rourke-Gruppe übernommen wurde und seit 2012 zum Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser gehört, hundert Jahre zuvor am Zeiler und vor allem am Ebelsbacher Bahnhof. Hier, wo sich heute Discounter, eine Spielhalle und eine Tankstelle in Eisenbahnnähe niedergelassen haben, war einst Vetter aber keinesfalls der einzige Steinmetzbetrieb, der die vielen Tonnen schweren Sandsteinbrocken bearbeitet und versandfertig machte. Hier waren sechs bis sieben weitere Stein-Unternehmen tätig, unter anderem die Bayerischen Schleifsteinwerke Arnold, die ihren Produktionsschwerpunkt im Namen haben: die Schleifsteine – ein anno dazumal bedeutender und heute weitgehend vergessener Industriezweig der Haßberge-Region.
Aber das ist eine andere Geschichte. Zurück zum Foto: Eigentümer der alten Aufnahme ist der Eltmanner Fritz Müller, der genauso gerne wie Reinhard Kulick wüsste, wo der Fotograf einst auf den Auslöser drückte. Beide, Müller und Kulick, sind sich sicher, dass es sich bei dem Haus auf dem Foto um das Büro und/oder das Wohnhaus des Werkleiters eines der Vetter'schen Werkplätze handelt. Doch welcher Werkplatz war es? Vielleicht kann sich ein Leser der Heimatzeitung an das Gebäude erinnern!
„Ich war mit dem Foto schon unterwegs wie ein Handlungsreisender“, sagte Kulick zur Redaktion, ohne Erfolg. Es gebe von den Steinbrüchen und Werkplätzen ohnehin wenige Fotos, was die Zuordnung des Bildes noch einmal erschwert. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei der Lokalität auch um einen Steinbruch handelt, doch wahrscheinlich ist das nicht. Steinbrüche wurden im Berg angelegt, das Anwesen scheint aber auf einer Ebene zu stehen. Und – auch das macht die Identifikation keinesfalls leichter: Das Objekt der Begierde muss nicht einmal in der Region stehen oder gestanden haben. „Es könnte sich um den Werkplatz bei Gerolzhofen genauso handeln wie um den Verlade- oder Werkplatz bei Nördlingen“, spannt Prof. Kulick einen weiten geografischen Bogen. Denn Vetter hatte seinerzeit in der Tat ein kleines Imperium errichtet.
Wer dennoch Hinweise zu dem Foto und dem abgelichteten Gebäude geben kann, kann sich an die Heimatzeitung wenden, Tel. 09521/69922 (Email: redaktion@hassfurter-tagblatt.de) und darf auch gerne Prof. Kulick kontaktieren unter Tel. 0157/546 181 70 sowie per Email: rqlick@web.de.