Auch am Tag nach dem Abend im Zeiler Kino wirkt bei Sebastian Stastny eines nach: „Was muss in einem Menschen vor sich gehen, der gerade sieht, wie sein Vater im Film hingerichtet wird“. Oder der sich gerade noch selbst als kleinen Jungen im Hollywood-Streifen wiedererkennen musste. Und wie dem Kreisvorsitzenden der Jungen Union Haßberge dürfte es so vielen im Zeiler Kino gegangen sein.
Dass es ihm nicht leicht fällt, über diesen Film zu sprechen, gibt Franz Ludwig Graf Stauffenberg vor den Besuchern im Kinosaal unumwunden zu. Sichtlich bewegt ist der Mann, der in Kirchlauter wohnt, als sich der Vorhang nach dem Film schließt. Schwer ist es für ihn in diesem Moment, in die Gegenwart zurückzukehren, die angesichts des Gesehenen ihm eher als banal erscheint.
Zum zweiten Mal hat Stauffenberg den Film jetzt gesehen, zum ersten Mal in deutscher Sprache. Nur selten geht er auf das eigentliche Filmwerk aus Hollywood ein. Gleich gar nicht auf die Diskussion um Hauptdarsteller Tom Cruise. Gerade einmal sechs Jahre alt war er zu der Zeit, in der der Film spielt. Stauffenberg berichtet auch, dass er bereits sehr früh das Drehbuch zum Film hatte lesen können. Wertungen allerdings, wie denn der Film geworden sei, sind von ihm nicht zu erfahren.
Dafür wird sehr schnell deutlich, dass der Sohn von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auch gar nicht gekommen ist, um einen Film zu analysieren, um schauspielerische Leistungen zu beurteilen oder zu erläutern, wie nah an der Realität Hollywood gearbeitet hat.
Stauffenberg will vielmehr vermitteln: „Was bringt uns dieser 20. Juli?“. Ist es mehr als eine geschichtliche Entlastung? In den Mittelpunkt stellt Franz Ludwig Graf Stauffenberg deshalb die Botschaft, die vom Attentat und damit auch vom Film ausgehen soll.
Diese Botschaft soll sein: In der Zeit zwischen 1933 und 1945 gab es auch andere Menschen in Deutschland. Menschen, die nicht einverstanden waren mit den Nazis. Aber es waren wenige. Doch sie haben das getan, was Menschen auch in der Gegenwart selten tun: „Sie haben hingeschaut, nicht weggeschaut“. Es waren Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen – darunter eben auch das Militär. Diesen Menschen sei deutlich geworden, „dass der Staat zu einem Unrechts- und Verbrecherregime geworden ist“. Sie hätten sich eingesetzt für Freiheit, Recht und Ehre, geht Stauffenberg auf den Abspann des Films ein und gibt dem Wort „Ehre“ dabei die Bedeutung von Menschenwürde. Und das ist für ihn „das, an was ich denke, wenn ich diesen Film sehe: Einzutreten für das eigentlich Wesentliche“. Einzutreten dafür, dass es keine besseren oder schlechteren Menschen gibt. Kritisch hinzuschauen, auch wenn alles in Ordnung zu sein scheint.
Und da schlug Stauffenberg zugleich auch einen Bogen in die jüngste Vergangenheit, zur Hessenwahl: Man irre sich, wenn man sich in Sicherheit wiege, dass alles in Ordnung sei. Stauffenberg bereitet vielmehr eines Sorge, das zuletzt außer Acht gelassen worden sei: die Zahl der Nichtwähler. Sein Appell an die Besucher im Zeiler Kino: „Das sollte euch animieren“. Und seine große Befürchtung: „Die Politiker verlieren das Volk“.
Großen Applaus gab es für seine Rede, die er eigentlich gar nicht in solch einem Umfang hatte halten wollen. Für Sebastian Stastny „die beste und nachhaltigste Geschichtsstunde in meinem Leben“. Und wenn man am Tag nach dem Vortrag im Zeiler Kino Stastny nach dem fragt, was für ihn das Beeindruckendste war, dann kommt ohne Umschweife: „Dass der Sohn von Stauffenberg dasteht, mit uns spricht und trotz des Opfers die Familie die Diktatur überlebt hat“. Denn genau das hatte Himmler verhindern wollen. Die Familie Stauffenberg werde ausgerottet, für alle Zeit, hatte Himmler erklärt, so Franz Ludwig Graf Stauffenberg zu den Besuchern im Zeiler Kino.