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Bamberg
Bamberg: Caritas-Präsident Peter Neher im Gespräch
In den Caritas-Altenheimen sind Pfleger und Pflegerinnen in Corona-Zeiten besonders gefordert.
Foto: Esser | In den Caritas-Altenheimen sind Pfleger und Pflegerinnen in Corona-Zeiten besonders gefordert.
Bearbeitet von Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 27.09.2021 03:10 Uhr

Die Caritas gehört zu den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege. Allein in der Erzdiözese Bamberg gibt es über 800 karitative Dienste und Einrichtungen, in denen mehr als 12 000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Diese betreuen jährlich bis zu 220 000 Klienten. Der Caritasverband der Diözese Bamberg feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Daher wird der alljährliche Gottesdienst des Deutschen Caritasverbandes zum Caritas-Sonntag am 26. September um 9.30 Uhr im Bamberger Dom gefeiert. Diese Redaktion sprach aus diesem Anlass mit dem Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Peter Neher.

Frage: Vor 100 Jahren wurde der Diözesan-Caritasverband Bamberg gegründet. Was wünschen Sie dem Jubilar für die Zukunft?

Peter Neher: Allen Kolleginnen und Kollegen des Diözesan-Caritasverbandes Bamberg gratuliere ich ganz herzlich zum Jubiläum und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und Gottes Segen im Dienst notleidender Menschen. Dem Caritasverband wünsche ich, dass er, wie in den vergangenen 100 Jahren, sich auch in Zukunft als Stifter von Zusammenhalt in der Gesellschaft, als Dienstleister der vielen sozialen Dienste und als Anwalt der Benachteiligten in die Gesellschaft einbringt.

Caritas-Präsident Peter Neher.
Foto: Caritas | Caritas-Präsident Peter Neher.
Caritas ist neben Verkündigung und Gottesdienst ein Wesensmerkmal der Kirche. Ist organisierte Caritas, also Nächstenliebe, überhaupt noch in diesen für die katholische Kirche turbulenten Zeiten in der Öffentlichkeit im Bewusstsein?

Neher: Alle, welche die Unterstützung und Betreuung der Caritas in Anspruch nehmen – das sind immerhin 13 Millionen Menschen im Jahr allein in Deutschland – spüren, wie sehr diese Gleichung gilt. Natürlich unterliegen auch wir den Regelungen der Sozialgesetzgebung. Dennoch ist der Geist des Evangeliums an vielen Stellen in der täglichen Arbeit spürbar – ohne dass darüber ständig gesprochen werden muss. Das hat man gerade auch während der Pandemie gesehen. Nicht umsonst ist die Unterstützung der Caritas-Arbeit ein wesentlicher Grund für viele, Mitglied in der Kirche zu bleiben.

Welche spezifischen Aufgabenfelder muss die Caritas in den nächsten Jahren verstärkt beackern?

Neher: Hier muss zwischen unserer anwaltschaftlichen Arbeit und den Baustellen, die wir selbst als Verband haben, unterschieden werden. Politisch einsetzen müssen wir uns in den kommenden Jahren verstärkt für die Pflege, insbesondere die häusliche Pflege und die pflegenden Angehörigen; für gleichwertige Lebensverhältnisse und eine soziale Absicherung, die diesen Namen verdient; und ganz besonders für einen sozial gerechten Klimaschutz. Das sind übrigens die drei Hauptthemen unserer aktuellen Kampagne "Neue Normalität gestalten: #DasMachenWirGemeinsam". Wenn wir nach innen schauen: Uns beschäftigt natürlich der Fachkräftemangel in vielen Berufen; die eigene Klimaneutralität, welche die Caritas als Verband bis 2030 anstrebt; Und es bedrückt mich die große Zahl derer, die aus Enttäuschung unsere Kirche verlassen; nicht nur, aber auch wegen des zu erwartenden Rückgangs an Kirchensteuermitteln, mit denen doch wichtige, innovative Sozialprojekte finanziert werden.

In Bamberg und anderen Städten gibt es sogenannte Anker-Zentren für Flüchtlinge. Sie haben betont, dass das Konzept dieser Einrichtungen gescheitert sei. Welche Alternativen schlagen Sie vor?

Neher: Wir brauchen Einrichtungen, die das Ankommen der Menschen in den Mittelpunkt stellen – und damit meine ich nicht nur das Organisatorische rund um die Ankunft. Mir machen Anker-Zentren den Eindruck, dass sie abschrecken sollen. Dort werden die Menschen geparkt, bevor über sie entschieden wird – und das eben nicht zügig, wie es der Lehre nach sein sollte. Wir wollen, dass die Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung auf einige Wochen, maximal drei Monate begrenzt wird, und dass die Menschen dort eine richtige Beratung und Begleitung beim Asylverfahren erfahren.

Sie fordern von der nächsten Bundesregierung ein Bundesqualitätsgesetz für den Ausbau der Nachmittagsbetreuung an Schulen und der Kita-Betreuung. Was sollte ein solches Gesetz regeln?

Neher: Sowohl Kinder bis sechs Jahren als auch Grundschulkinder sollten bundesweit gleichwertige, hochwertige pädagogische Angebote erhalten. Mit Blick auf den steigenden Fachkräftebedarf und leere Kassen besteht aber die Gefahr, dass Kinder nicht immer adäquat betreut werden. Außerdem muss die Digitalisierung von Kitas, Horten und Schulen vorangetrieben und die Vernetzung mit Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe ausgebaut werden. Für Kindertageseinrichtungen fordern wir ein Bundesqualitätsgesetz, das zum Beispiel Mindeststandards zum Fachkraft-Kind-Betreuungsschlüssel enthält. Etwas Ähnliches sollte es auch für die Ganztagsförderung an Schulen geben. Es sollte bundesweite Mindeststandards für Raumausstattung, Gruppengröße und Betreuungsschlüssel geben. Allerdings sind Vorgaben hierzu aufgrund der Länderhoheit in schulischen Angelegenheiten im jeweiligen Bundesland umzusetzen.

Deutschland will bis Ende des Jahres 100 Millionen Dosen Corona-Impfstoff der internationalen Impfkampagne (Covax) zur Verfügung stellen. Reicht das – und ich meine nicht die Menge – zur Wahrung einer Verantwortung auch für Menschen im globalen Süden?

Neher: Die Pandemie werden wir nur hinter uns lassen können, wenn wir global hohe Impfquoten erreichen. Dass einige Länder der Welt Impfstoffe horten oder gar zerstören müssen und mancherorts bereits eine Drittimpfung empfohlen wird, während sich die Impfraten in anderen noch im einstelligen Bereich bewegen, ist ein Skandal. Ich kenne die Kritik an der Covax-Initiative, sie hätte etwas von einem Feigenblatt angesichts gewaltiger grundsätzlicher Verteilungsprobleme. Und ich weiß, dass sich 100 Millionen Dosen erstmal nach wenig anhören, vor allem, wenn jeder zwei bekommt. Aber jeder Schritt zählt.

Auch in Bamberg unterhält der Caritasverband zahlreiche Einrichtungen, etwa das Seniorenpflegeheim St. Josef in Gaustadt.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Auch in Bamberg unterhält der Caritasverband zahlreiche Einrichtungen, etwa das Seniorenpflegeheim St. Josef in Gaustadt.
Sozial-menschliche Fürsorge ist auch von der Caritas nicht zum Nulltarif zu bekommen. Jetzt bekommt die Caritas Zuschüsse aus der Kirchensteuer, Leistungen der einzelnen Dienste, welche die Sozialgesetzbücher vorsehen, werden kostendeckend finanziert. Trotzdem bitten die Caritasverbände ständig um Spenden. Warum sind diese noch erforderlich?

Neher: Spenden erlauben uns, kurzfristig auf Notlagen zu reagieren und Projekte zu initiieren, für die es keine fertigen Finanzierungsmodelle gibt. So wurden direkt zu Beginn der Corona-Krise von einigen Caritasverbänden Corona-Hilfsfonds eingerichtet, um den Menschen schnell und unbürokratisch zu helfen, die von einem Tag auf den anderen zum Beispiel den Minijob in der Gastronomie verloren hatten. Die Spendenaktion "Digitale Bildung und Teilhabe" anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Caritasverbandes für die Erzdiözese Bamberg liefert auch einige Beispiele. Die zwölf ausgewählten Projekte, denen die Spenden zukommen, hätte es sonst so nicht geben können. Eins davon war die Installation von WLAN in einer Flüchtlingsunterkunft in Fürth, damit die Kinder am Distanzunterricht teilnehmen können. In Kronach stellt die soziale Beratungsstelle Ratsuchenden einen Computerarbeitsplatz zur Verfügung. Auch unsere Arbeit im Ausland mit unserem Hilfswerk Caritas international, etwa ganz aktuell die Hilfe nach dem Erdbeben auf Haiti, finanziert sich zu wesentlichen Teilen über Spenden.

Erzbischof Schick hat für das Erzbistum Bamberg ein eigenes Jahresmotto für 2021 ausgerufen: "Caritas – in der Liebe verbunden". Wie interpretieren Sie dieses Leitwort?

Neher: Ein ansprechendes Motto, das ins Wort bringt, was ganz ähnlich die Jahreskampagne des Deutschen Caritasverbandes für 2021 mit dem Slogan ausdrückt: Das machen wir gemeinsam. Oder eben: Caritas – in der Liebe verbunden.

 
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