Wenn Kinder ihren Eltern weggenommen werden, ist das der Super-Gau für die Familie. Ein Sorgerechtsentzug durch das Gericht hat schwerwiegende Konsequenzen. Für betroffene Kinder bietet er allerdings meist die bessere Perspektive.
Die Maßnahme ist das letzte Mittel der Wahl und bevor Jugendamtsmitarbeiter die Gerichte einschalten, ist in den Familien schon viel passiert: Gewalt, Drogen, Missbrauch, Krankheit. Im Landkreis Haßberge entzogen die Richter im vergangenen Jahr in fünf Fällen den Eltern ganz oder teilweise das Sorgerecht für ihre Kinder, das waren drei Fälle weniger als im Vorjahr, meldet das Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung.
Landesweit verloren ebenfalls weniger Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder als im Vorjahr, doch die Zahlen bleiben auf einem hohen Niveau. Zuletzt zogen die bayerischen Richter in 2055 Fällen die Notbremse, weil sie das Kind in Gefahr sahen (im Jahr davor 2249-mal und davor 1701-mal). Aktuell sind das also fast doppelt so viele Fälle wie noch vor 20 Jahren (1995: 1044).
Im Landkreis Haßberge wurde Eltern im Jahr 2013 insgesamt fünfmal das Sorgerecht ganz oder teilweise entzogen, ein Jahr zuvor waren es acht Fälle gewesen und im Jahr 2011 insgesamt drei. Im Jahr 1995 griff das Gericht hier viermal ein, geht aus den Zahlen des Landesamtes für Statistik weiter hervor.
Meist kommen zuerst Angehörige in Betracht, die sich dann um die Kinder kümmern, etwa Oma, Tante oder Onkel. Weiß das Jugendamt nichts über die Familienverhältnisse und muss schnell handeln, wird die elterliche Sorge zunächst einem Amtsvormund (Jugendamt) übertragen. Er entscheidet dann, ob das Kind in ein Heim kommt oder von Pflegeeltern betreut wird.
Im Falle einer Gefährdung des Kindes oder seines Vermögens hat das Familiengericht nach Paragraf 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Sie reichen von der Gesundheitsfürsorge über die Einhaltung der Schulpflicht über das Verbot, sich am selben Ort wie das Kind aufzuhalten, bis hin zum Entzug der Personensorge.
Der abstrakte Begriff Sorgerechtsentzug ist für viele nur ein Begriff aus dem Familienrecht. Er klingt harmlos und nicht nach Gewalt, Dramatik und Schmerz, doch all das spielt mit, wenn Eltern laut Gerichtsurteil endgültig gescheitert sind. Wenn ein Elternteil den Kontakt zum Kind vernachlässigt, reicht das noch nicht zum Sorgerechtsentzug, auch nicht, wenn die Mutter mit Aids infiziert ist oder der Vater eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lässt – alles Fälle, die vor deutschen Gerichten gelandet sind.
Soziales Netz Großfamilie fehlt
Sind aber Missbrauch, Misshandlung und Gewalt im Spiel, die Alkoholabhängigkeit der Eltern oder psychische Erkrankungen, sieht die Sache freilich anders aus.
Dass so viel mehr Eltern als noch vor zehn oder 20 Jahren das Sorgerecht für ihre Kinder verlieren, liegt Sozialwissenschaftlern zufolge zum einen daran, dass die Probleme vieler Familien massiver geworden sind. Das soziale Netz der Großfamilie fehlt, das Geld ist bei vielen knapp, hinzu kommen dann oft Suchtprobleme, psychische Probleme oder Gewalt.
Zudem seien Nachbarn, Ärzte, Polizisten und Erzieherinnen spätestens seit den spektakulären Fällen von Kindstötungen wie dem Fall Kevin in Bremen 2006 aufmerksamer geworden und handeln lieber einmal zu viel als zu wenig.
Auch die Jugendamtsmitarbeiter sind vorsichtiger geworden und greifen früher ein, wenn sie merken, dass in den Familien etwas nicht stimmt, und die Richter greifen härter durch, wenn es darum geht, eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden.