In keinem anderen Verein machen so viele Altersklassen etwas gemeinsam“, schwärmt Christian Glücker vom Musizieren in der Blaskapelle. Seit neun Jahren spielen die Kerbfelder unter seiner musikalischen Leitung. Nein, sich vor die Kapelle stellen und dirigieren mag der junge Mann nicht. „Ich spiele lieber mit.“
Die Blaskapelle Kerbfeld: Das ist fast ein Familienunternehmen. Aktuell spielen sechs Glückers und drei Räths mit. Ins Leben gerufen, wie könnte es anders sein, wurde die Blaskapelle natürlich auch von einem Glücker.
Der Kerbfelder Oswald Glücker war Musiker mit Leib und Seele. Mit der Posaune fuhr er auf dem Fahrrad nach Schweinfurt und weiter mit dem Zug nach Würzburg zum Unterricht. Auch, wenn er sein Musikstudium am Konservatorium in Würzburg an den Nagel hängen musste, um die elterliche Landwirtschft zu übernehmen: „Musik war und blieb sein Leben“, so die einhellige Meinung über Oswald Glücker.
Musik, die habe er gebraucht, wie die Luft zum Atmen. Und seine Leidenschaft wollte Glücker mit anderen teilen. Ab Mitte der 1960er-Jahre unterrichtete er alle Kinder aus dem Ort, die gerne ein Blasinstrument lernen wollten.
Über 20 Schülern brachte er an verschiedenen Instrumenten die Töne bei. Geld nahm er keines dafür. Natürlich waren auch drei seiner vier Kinder mit von der Partie. Der Jüngste musste sich erst mal im Laufen üben, bevor er die Trommelstöcke in die Hand nehmen konnte.
Nach einem halben Jahr stiegen die Neulinge in die Kirchenmusik mit ein. Nach fleißigem Üben war es schließlich soweit: Ende der 1960er-Jahre wurde die Jugendblaskapelle Kerbfeld aus der Taufe gehoben. 1970 hatte die Nachwuchskapelle, samt integrierter Kirchenmusikanten, ihren ersten Auftritt. 25 Musikanten spielten beim ersten Lindenfest in Kerbfeld auf. Dass es nur Blechbläser und zwei Schlagzeuger waren, tat dem Erfolg keinen Abbruch.
Die Musikbegeisterung der Kerbfelder wirkte ansteckend. Auch Humprechtshäuser Kinder kamen zu Oswald Glücker in den Unterricht und wurden in die Blaskapelle aufgenommen. Mit einer Uniform hielt man sich nicht lange auf: Rote Westen mussten genügen.
Die Auftritte mehrten sich: Festzüge, Bierzeltmusik, Ständchen, Dorffeste, Kirchenmusik. Manch feste Freundschaftsbande wurden dabei geknüpft. Und ein solcher Auftritt in Birnfeld legte sogar den Grundstein für eine spätere Ehe. Nicht lange dauerte es, und für Schlagzeuger Erwin Suhl und seine Roswitha aus Birnfeld läuteten die Hochzeitsglocken.
„Wenn wir bei den Festen zu vorgerückter Stunde gut drauf waren“, erinnert sich Siegfried Glücker, „kletterte Erwin auf die Linde, ließ sich seine große Trommel hoch reichen und spielte von oben mit.“ Sein Bruder Thomas, ehemals Schlagzeuger der Kapelle, steuert ein tierisches Erlebnis bei: „Bei einem Auftritt in Happertshausen gewannen wir beim Losen einen Hammel, der im Auto meines Vaters heim transportiert wurde.“
Vermutlich aus übergroßer Freude darüber, bei der Kerbfelder Blaskapelle gelandet zu sein, hinterließ das Tier dort gehörig seine Spuren. Nachdem es die Gastfreundschaft verschiedener Mitspieler genossen und gehörig an Gewicht zugelegt hatte, drehten diese den Spieß um, und der Happertshäuser Hammel diente dem Genuss der Kerbfelder Musikanten.
Wie alle umliegenden Ortschaften, blieben auch die Kerbfelder vom Musikantenschwund nicht verschont. Wegzüge aus familiären oder beruflichen Gründen, andere verlockende Freizeitangebote und Interessen. „Viele von uns spielten bei mehreren anderen Kapellen oder Bands mit“, blickt Siegfried Glücker zurück. Da blieb bei manchem nicht mehr viel Zeit für die Heimatkapelle.
Mitte der 1990er-Jahre fanden die Kerbfelder nur noch zu Ständchen und zu kirchlichen Anlässen zusammen. Oswald Glücker, der auch bei den Stadtkapellen Haßfurt und Zeil und bei der Kapelle in Neubrunn unterrichtete und dirigierte, blieb den Kerbfeldern bis 2007 treu.
„Ohne Oswald gäbe es die Kapelle nicht“, ist Siegfried Husslein, mit 75 Jahren der älteste Kerbfelder Musikant, überzeugt. Oswald Glückers Talent und seine Liebe zur Musik leben in den nachfolgenden Generationen fort. Noch immer gilt: Wo die Glückers sind, das wird Musik gemacht.
„Unser Dorf hat gute Musiker hervorgebracht“, zählt Christian unter anderem Wolfgang Bayer, Klarinettist beim Staatsorchester Braunschweig und Flügelhornist Alexander Walter, Vize-Dirigent der Hergolshäuser Musikanten und Leiter von deren Nachwuchsgruppe, auf.
Den Impuls zur Wiederbelebung der Kerbfelder Blaskapelle setzte die restaurierungsbedürftige Kirchenorgel. Für sie sprangen die Kerbfelder im März 2008 in der Osternacht musikalisch ein.
Dies wiederum hatte die Anfrage nach einem Auftritt beim Pfarrfest nach sich. Ab da trat Christian in die Stapfen seines Großvaters. Spieler aus den Kapellen von Aidhausen und Humprechtshausen unterstützten die Bläser ihrer Nachbargemeinde bei deren ersten Auftritt.
„Da waren wir in jeder Hinsicht eine bunte Truppe – sowohl musikalisch als auch was die Kleidung betraf“, erinnern ich die Glückers lachend. Ein Jahr später traten die Kerbfelder schon in einheitlich roten T-Shirts zum Pfarrfest an.
Seit 2009 ist das musikalische Feuer neu entfacht und die Kerbfelder treffen sich wieder regelmäßig zum Proben. An Nachwuchsmusikern, die das Tuten und Blasen zwischenzeitlich in der Musikschule lernen, mangelt es nicht. Nur die Tuba fehlt – der einzige auswärtige Musikant kommt aus Reichmannshausen. „Mit der Probenbeteiligung bin ich sehr zufrieden“, lobt Christian Glücker. 20 Mitspieler im Alter von 18 bis 67 Jahren spielen aktiv unter seiner musikalischen Leitung.
Siegfried Glücker, Alfons Walter, Hubert Weth, Albert Leuner, Erwin Suhl und Siegfried Husslein zählen zu den alten Hasen. Sie sind von Anfang an in der Kapelle. An Fasching schlägt Erwin Suhl noch immer die Trommel, und bei der Kirchenmusik spielt auch der 75-jährige Siegfried Husslein noch mit.
Jung und Alt harmonieren gut miteinander. „Wir mögen uns und sind eine coole Truppe“, sagt die 26-jährige Manuela. Ausflüge, Besichtigungen, Weihnachtsfeiern und Grillabende fördern die Geselligkeit.
Mit etwa 15 Auftritten im Jahr bereichert die Kapelle das dörfliche Leben.
Zur typischen Blasmusik haben sich moderne Stücke, Filmmelodien und Klassiker aus Rock und Pop gesellt. Es sei schon eine Kunst, die Generationen unter einen Hut zu bringen, gesteht Christian Glücker, „also, dass die Jungen beim ,Mosch' mitmachen und die älteren bei den modernen Stücken.“
„Viele von uns sind auch in anderen Kapellen und Musikgruppen eingebunden“, sagt Christian Glücker. Um die terminliche Belastung möglichst gering zu halten, wurde bisher ausschließlich in Kerbfeld gespielt. „Aber mittlerweile ziehen wir schon in Erwägung, ein bis zweimal im Jahr auch auswärts aufzutreten.“
Momentan üben die Kerbfelder fleißig für ein Konzert zugunsten der Außenrenovierung der Kirche Sankt Ägidius in Kerbfeld. Zu hören sind sie dort am Sonntag, 22. Oktober, um 18 Uhr.
Blaskapelle Kerbfeld
Gründungsjahr: Ende der 1960er-Jahre
Dirigenten: Oswald Glücker, seit 2008 Christian Glücker
Mitglieder: 23 aktive Mitspieler im Alter von 18 bis 75 Jahren
Repertoire: traditionelle böhmisch-mährische Blasmusik, Kirchenmusik, moderne Stücke, Filmmusik und Klassiker aus Rock und Pop
Auftritte: kirchliche Veranstaltungen, Feste und Feierlichkeiten