Eine schlaue grüne Stadt (smart green city) soll Haßfurt werden. Mit diesem Ziel hatte sich die Stadtverwaltung um das bundesweit ausgeschriebene Förderprogramm "Modellprojekte Smart Cities - Stadtentwicklung und Digitalisierung" beworben und als eine von dreizehn Kommunen im Jahre 2019 den Zuschlag erhalten. Wir wollten wissen, was es mit dem Projekt auf sich hat, mit welchen Themen es sich beschäftigt, welchen Nutzen die Stadt hierdurch erwirbt.
Dr. Madlen Müller-Wuttke leitet seit nunmehr drei Jahren das so bezeichnete Modellprojekt "Smart Green City Haßfurt". Herzstück ihrer Arbeit sei es, Daten digital zu erfassen und so zu bündeln beziehungsweise zu verknüpfen, dass sie Erkenntnisse liefern, welche in gebotene Handlungsempfehlungen münden. Die Strategie sei noch nicht abgeschlossen, sondern ein stets fortlaufender Prozess. Doch drei Beispiele kann sie schon nennen:
Retter von Leben und Hab und Gut: Frühwarnsystem bei Sturzflutereignissen
Die Bedeutung eines Frühwarnsystems bei Starkregenereignissen haben die Geschehnisse im Ahrtal deutlich vor Augen geführt. Eine solche Katastrophe kann sich, wie Klimaexpertinnen und -experten übereinstimmend berichten, jederzeit und überall in Deutschland mit ähnlicher Wucht und Intensität einstellen. Es sei daher ein Gebot der Stunde, sich auf diese Gefahrenlage einzustellen. Diesen Katastrophenfall will man mit der Erfassung, Verknüpfung und Auswertung von digitalen Daten vermeiden.
In diesem Sinne richtet das "Smart City Team" in Kooperation mit Matthias Langguth, dem Leiter der Kläranlage Haßfurt, ein neuartiges Frühwarnsystem für das Stadtgebiet Haßfurt ein: Wo sich kleine Bächlein wie der Sterzelbach oder die Wässernach in wenigen Minuten zu Sturzfluten auswachsen können, wurden sechs Messstellen eingerichtet, weitere sollen folgen. Verknüpft mit den Niederschlagsprognosen des Deutschen Wetterdienstes und der Messung von Wasserpegeln zufließender Gewässer werden die Messstellen frühzeitig zuverlässige Warnungen aussprechen können, die zeitnahen Maßnahmen wie Sperrungen und Evakuierungen den Weg ebnen. "Einfluss nehmen auf auf Starkregenereignisse können wir nicht", so die Projektleiterin, "aber die Auswirkungen bestmöglich abfedern, indem wir modernste Technik des Datenaustausches einsetzen", auch das könne lebensrettend sein.
Immer genug Wasser: Baumpflege bei Hitzestress
Hitze, Trockenheit und Stadtbäume. Dies ist ein Trio, das nicht wirklich zueinanderpasst. Damit die Bäume nicht als Verlierer durch Trockenstress hervorgehen, werden sie durch Bedienstete der Stadtwerke bewässert. Eine Aufgabe mit nicht unerheblichem Personalaufwand und Wasserverbrauch, und dem steten Fragezeichen, ob Wasserbedarf und Wasserzuführung in einem harmonischen Einklang miteinander stehen oder nicht. Der Stadtbauhof profitiert von den Erkenntnissen der Biologen, die den Durst der Bäume bewerten können, anhand des Wasserflusses von den Wurzeln über den Baumstamm hin zu den Ästen und Zweigen.
Ein Computerprogramm kann diese Erkenntnisse über entsprechende Messzellen in Datenströme umwandeln, welche jederzeit Informationen zu maßgeschneiderten, praxisgerechten Gießintervallen in Zeit und Menge abrufbar machen. Für die Stadtbäume kann dies lebensrettend sein, für die Bediensteten ist die Maßnahme effizienzsteigernd und für den nachhaltigen Umgang mit dem Lebensquell Wasser gewinnbringend.
Ein digitaler Zwilling: Bestandsaufnahme der Ritterkapelle
Üblicherweise erblicken Zwillinge kurz hintereinander das Licht der Welt. Dank des Projektes hat kürzlich die mehrere hundert Jahre alte Ritterkapelle einen Zwilling erhalten: er existiert im Computer, ist digitaler Natur und gibt den Fachleuten und Interessierten präzise Informationen über Art, Aussehen und Beschaffenheit des Originals.
Seinen Wert kann jeder bemessen, der sich die Tragödie rund um die Pariser Notre Dame vor Augen führt, innerhalb weniger Stunden ging durch eine Feuerbrunst das Wahrzeichen zugrunde, Wiederaufbaupläne werden durch Lücken in der Fachkenntnis des Bauwerkes erheblich erschwert. Niemand wird sich wünschen, dass die Ritterkapelle einstmals Opfer von Flammen werden könnte, doch im Fall der Fälle sei der digitale Zwilling die perfekte Informationsquelle für Wiederaufbaupläne.
Warum ist die "Smarte City" grün?
Die Weitsicht des Stadtwerkes, erklärt Müller-Wuttke, "welches ungewöhnlich früh auf regenerative Stromerzeugung gesetzt hat", habe maßgeblich dazu beigetragen, dass Haßfurt als Modellstadt für das Projekt zum Zuge gekommen ist. Denn, "kein Licht ohne Schatten": Das verbraucht Energie, und dies in nicht unbeträchtlichem Umfang. Diese Tatsache, meint Müller - Wuttke, darf nicht dem Streben zu Klimaneutralität zum Nachteil gereichen. Haßfurt produziere mehr regenerative, also sogenannte grüne Energie, als es verbraucht, und aus der Übermenge speise sich die Stromzufuhr, welche benötigt wird, um die erforderlichen Daten zu erfassen, zu speichern und zu verarbeiten.