„Lobhudelei mag der Unterfranke nicht", weiß Walter Kolbow aus eigener Erfahrung. Immerhin war er lange Jahre SPD-Bezirksvorsitzender und ist als Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium viel herumgekommen. Doch bei einer politischen Weggefährtin konnte es Kolbow bei dem oft ausreichenden „Passt scho“ nicht bewenden lassen: Der SPD-Unterbezirk Rhön-Haßberge verabschiedete am Samstag Susanne Kastner, die von 1989 bis 2013 Mitglied des Bundestages war, bei einem Empfang im Saalbau der Brauereigaststätte Hartleb.
Walter Kolbow hielt die Laudatio und kündigte an, als Unterfranke einfach „die Wahrheit zu sagen“. Er bescheinigte Susanne Kastner, in ihrem Leben ein bestimmtes Maß an Pragmatismus, „manche nennen es auch Eigensinnigkeit“ an den Tag gelegt zu haben. „Das führte dazu, dass manche sie als schwierig empfunden haben und dies bis heute tun“, so der Redner. Kastner mag aber laut Kolbow Unklarheit und Zögerlichkeit nicht. „Sie hasst das entschlusslose Rumeiern.“
Aus diesem Grund gehöre Kastner ihr Leben lang dem Verein für deutliche Aussprache an. „Dahinter stand und steht immer auch eine empfindsame Seele, die Sympathie, Solidarität und Freundschaft sehr wohl zu zeigen imstande ist!“ Die Geehrte habe immer gefragt: „Was hilft den Menschen?“ Dies hätten die Mitgliedschaften in vielen Vereinen und Organisationen und ihr Engagement für die Rumänien-Hilfe bewiesen.
In diesem Zusammenhang kritisierte Kolbow die aktuelle Diskussion über mutmaßlichen Sozialmissbrauch von Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien: „Ich warne diejenigen, die deutsch-rumänische Zusammenarbeit leichtfertig aufs Spiel setzen.“ Der Ex-SPD-Bezirksvorsitzende attestierte Susanne Kastner auch eine unerschütterliche Hartnäckigkeit, die ihr in die Wiege gelegt worden sei. Zusammen mit einem Sinn für Solidarität habe diese Eigenschaft Susanne Kastner geholfen, ihre „Frau“ in der Politik zu stehen.
Der Bundestagswahlkreis Bad Kissingen gehöre zu den fünf größten Flächenwahlkreisen in Deutschland. „Hier leistest Du über 24 Jahre lang Großes, warst unermüdlich auf Achse und forderst Dir und den Autos samt Straßenverkehrsordnung alles ab“, hob Kolbow hervor. Getroffen habe sie die Schlagzeile „Religionspädagogin leitet Verteidigungsausschuss“, weil diese mangelnde Kompetenz unterstellen wollte. „Du bist aber bereits seit 1989 Mitglied des Verteidigungsausschusses gewesen und hattest mit den Standorten Hammelburg, Wildflecken, Ebern und Mellrichstadt einen direkten Kontakt zur Truppe.“
Kolbow wies darauf hin, dass Susanne Kastner die Politik nicht ganz verlässt: Sie kandidiert 2014 wieder für den Kreistag des Landkreises Haßberge. Aber nicht nur das: Außerdem – so im Anschluss SPD-Landratskandidat Bernhard Ruß – wolle Kastner den Kreistags- und Landratswahlkampf gemeinsam mit ihrem Mann organisatorisch begleiten.
Das Wirken der Maroldsweisacherin als Abgeordnete machten die Grußwortredner deutlich: SPD-Unterbezirksvorsitzender Jürgen Hennemann ließ wichtige Stationen in Kastners politischer Laufbahn in Bildern Revue passieren.
Für die SPD-Kreisverbände sprachen Sabine Dittmar (Bad Kissingen), René van Eckert (Rhön-Grabfeld) und Bernhard Ruß (Haßberge). Der Bürgermeister des Marktes Wildflecken, Alfred Schrenk, und Ewald Simon, 2. Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Bischofsheim, erinnerten an Kastners Engagement bei Verkehrsproblemen und für den Erhalt von Bundeswehrstandorten.
Susanne Kastner stellte klar, dass sie weiter der Politik erhalten bleibe: „Ich verabschiede mich nicht!“ Es liege weiterhin eine spannende Zeit vor ihr und ihren Mitstreitern. Nur eines misse sich nicht nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag: „Endlose Sitzungen, bei denen nichts herauskommt.“ Den Empfang in der Gaststätte Hartleb gestaltete Gudrun Brückner musikalisch.
Zur Person
Susanne Kastner wurde am 11. Dezember 1946 in Karlstadt geboren und trat 1972 in die SPD ein. Sie übte Parteiämter auf allen Ebenen aus, von 2004 bis 2009 war Kastner Mitglied des SPD-Parteivorstandes. Von 1989 bis 2013 gehörte sie dem Bundestag an, sie war von 2002 bis 2009 Bundestagsvizepräsidentin. In der Zeit von 2009 bis 2013 stand die Maroldsweisacherin dem Verteidigungsausschuss als Vorsitzende vor. In dieser Eigenschaft leitete Kastner auch die beiden Untersuchungsausschüsse zu Verfehlungen bei der Beschaffung von Drohnen („Euro Hawk“) und zum Bombendrama im Kundus.
