Nina Hahn hat großes Glück. Denn die 21-Jährige ist nicht allein. Ihre Eltern, ihre Schwester und ihr Freundeskreis haben Verständnis für sie, akzeptieren sie, so wie sie sich fühlt, und begleiten sie. Denn Nina Hahn aus Obertheres hat einen weiten Weg vor sich: als Junge mit Namen Nils geboren, fühlte sie sich schon immer unwohl in ihrem Körper. Und so hat sie sich vor drei Jahren auf den Weg zur Frau gemacht.
Der Geist ist weiblich, der Körper männlich
„Ich fühle mich frei. Denn jetzt kann ich endlich werden, was ich schon immer sein wollte: eine Frau“, erzählte sie offen in einem Interview. Dass sie vom Geist her weiblich ist, vom Körper her aber männlich, ist ihr erst im Alter von 15 Jahren richtig bewusst geworden. „Ich habe mich schon immer ein bisschen komisch gefühlt und mochte mich auf Fotos gar nicht ansehen. Doch ich dachte, das wäre normal. Ich habe mich aber wie ein Junge verhalten, um nicht aufzufallen. Erst als sich mein Körper nicht ganz so entwickelte, wie ich das gerne gehabt hätte, fing ich an, mir Fragen zu stellen.“
Auf You-Tube stieß Nina Hahn auf den Bericht eines Mannes, der sich zur Frau umwandeln ließ, und da dachte sie bei sich: „Das könnte auch der richtige Weg für mich sein“. Dennoch unterdrückte sie das Gefühl noch einige Jahre. „Irgendwann ging es aber nicht mehr und ich begann, mich mehr für das Thema zu interessieren“, sagte sie. Weil es ihr peinlich war, andere zu fragen, informierte sie sich im Internet und las in verschiedenen Foren über geschlechtsangleichende Maßnahmen.
Dann ging sie zu ihrem Hausarzt, der sie zu einer Psychotherapeutin überwies. Denn offiziell gilt ihr Problem als psychische Krankheit und die Behandlung bei einem Psychotherapeuten ist die Voraussetzung für die weitere Behandlung. Nach einer intensiven Befragung stellte die Psychotherapeutin bei Nina Hahn eine Transsexualität fest und begann zu Beginn dieses Jahres eine Hormontherapie. „Mein Geist ist weiblich und den kann ich nicht ändern. Also muss ich meinen Körper ändern“, so Nina Hahn, die sich unabhängig davon als bisexuell bezeichnet.
Derzeit aber hat sie keine Beziehung, da sie glaubt, ihren Weg erst einmal alleine gehen zu müssen. Sie nimmt derzeit Östrogene, auf die sie zeitlebens angewiesen sein wird, und vorübergehend Testosteronblocker. „Ich bekomme jetzt sozusagen meine ,richtige Pubertät‘ und mein ganzes Leben ist viel emotionaler geworden“, berichtete sie. „Früher hatte ich immer wieder depressive Phasen. Doch seit ich weiß, dass ich anders bin, macht mein komplettes Leben so viel mehr Sinn.“ Um auch stimmlich als Frau anerkannt zu werden, hat sie sich selbst eine höhere Stimmlage antrainiert. „Meine Brüste wachsen, die Hüfte wird breiter und ich freue mich, wenn ich mich im Spiegel betrachte“, sagte sie. Gerne möchte sie eine Operation der Geschlechtsorgane als letztem Schritt vornehmen lassen- auch wenn sie rund drei Jahre darauf warten muss.
Schon immer Metal-Goth-Stil
Dass sie sich solchen gravierenden Eingriffen unterzieht und dadurch auch unfruchtbar wird, erklärte sie mit einfachen Worten: „Ich hatte nicht wirklich eine Wahl!“ Sie sei ein sehr überlegter Mensch und habe daher alles reiflich durchdacht. „Natürlich beschäftige ich mich auch mit der Frage, ob ich nach der Operation eine echte Frau sein werde. Aber ich tue mein Bestes und den Leuten, die ich kenne, ist das egal. Sie behandeln mich jetzt schon als Frau, denn ich bin weiblich“, erklärte sie. „Der Liebe wird nach der Operation auch nichts mehr im Weg stehen.“
Durch die Umwandlung zur Frau wird sich ihr Stil, den sie als Metal-Goth bezeichnete, nicht ändern. Denn dazu gehörten schon immer lange Haare, lackierte Fingernägel und Kajal um die Augen. Ein bisschen konnte sie sich daher auch hinter ihrem eigenen Stil „verstecken“. Als sie sich dann vor knapp vier Jahren im engsten Freundeskreis outete, waren viele sehr überrascht. Gleichzeitig aber meinten ihre Freunde: „Das passt zu Dir!“ Sich der Familie zu offenbaren, fiel Nina Hahn schon etwas schwerer, weil sie die Reaktion nicht einschätzen konnte. „Doch meine Eltern und meine Schwester waren sehr verständnisvoll“, berichtete sie. „Mein Vater hilft mir inzwischen sehr bei der ganzen Bürokratie und mit meiner Mutter gehe ich gerne shoppen. Das ist etwas, was ich früher hasste und was mir jetzt großen Spaß macht. Denn nun kann ich mir endlich etwas in der Frauenabteilung aussuchen.“ Auch die Gesellschaft an sich schätzt sie im Großen und Ganzen als relativ tolerant dem Thema gegenüber ein. Selbst offen damit umzugehen, empfindet sie als das einzig Richtige.
Studentin für Maschinenbau
Dass Nina Hahn inzwischen Maschinenbau an der Hochschule in Coburg studiert und auch als Mitglied des Formula Student Teams „CAT-Racing“ jedes Jahr an einem Rennauto mit konstruiert und baut und an internationalen Wettbewerben teilnimmt, ist für sie kein Widerspruch. „Mir gefällt das einfach“, so ihr Kommentar.
Einen Wunsch möchte sie sich auf jeden Fall so schnell wie möglich erfüllen: die Namensänderung. Dazu benötigt sie psychologische Gutachten von zwei verschiedenen Ärzten, bevor sie dies bei Gericht beantragen kann. Aus Nils Hahn wird dann hoffentlich bald offiziell Nina Hahn.