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Haßfurt
Serie: „Manchmal fühle ich mich wie eine halbe Augenärztin“
Doris Werner arbeitet als Augenoptikerin und verdient 2150 Euro brutto pro Monat. Sie brennt für ihren Job und ist der Meinung: Die Welt braucht mehr Augenoptiker.
In unserer Serie 'Was würdest Du tun?' stellen wir Menschen aus dem Landkreis Haßberge vor, die erzählen, wie sie arbeiten, was sie verdienen. Hier berichtet eine junge Augenoptikerin aus ihrem Leben.
Foto: Thinkstock | In unserer Serie "Was würdest Du tun?" stellen wir Menschen aus dem Landkreis Haßberge vor, die erzählen, wie sie arbeiten, was sie verdienen. Hier berichtet eine junge Augenoptikerin aus ihrem Leben.
Felix Schwarz
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:41 Uhr

In unserer Serie „Was würdest du tun?“ stellen wir regelmäßig Menschen aus dem Landkreis Haßberge vor, die erzählen, wie sie arbeiten, was sie verdienen und was sie tun würden, wenn sie nicht arbeiten müssten. Hier berichtet die 23-jährige Doris Werner.

Mein Job

Beruf: Ich arbeite als Augenoptikerin bei einem Traditionsoptiker im Landkreis Haßberge. Zu meiner Tätigkeit gehört vor allem die Beratung der Kunden, das Schleifen der Gläser und natürlich der Verkauf. Gelegentlich stehen auch Sehtests und die Anpassung von Kontaktlinsen an. 30 Prozent meiner Arbeit besteht aus bürokratischen Angelegenheiten wie dem Schreiben von Rechnungen oder Systempflege, bei uns ist alles digital.

„Eine schlecht angepasste Brille kann beispielsweise zu Unfällen im Straßenverkehr führen.“
Doris Werner, Augenoptikerin

Ich trage die Verantwortung dafür, dass Leute mit ihrer Brille gut im Alltag zurechtkommen. Eine schlecht angepasste Brille kann beispielsweise zu Unfällen im Straßenverkehr führen. Der Job ist wirklich anspruchsvoll und manchmal auch stressig. Dauerstress habe ich aber kaum. Manchmal fühle ich mich wie ein halber Augenarzt, wenn ich berücksichtige, was ich alles können und wissen muss. Es wird aber auch viel Abwechslung geboten. Ich treffe immer unterschiedliche Menschen, jeden Tag passiert etwas Neues. Ab und an gibt es jedoch schwierige Kunden. Die meisten Kunden sind nett und respektvoll. Doch manchmal muss man die Kunden beruhigen, wenn sie gerade über Reparaturen verärgert sind. Viele suchen nach Brillen, die zu ihrer Persönlichkeit passen. Die Mehrheit hält dagegen vor allem Ausschau nach schlichten Modellen, ausgefallene Wünsche kommen selten vor. Natürlich gibt es auch die Kritiker, die bei allem, was man macht, nachfragen. Andere wissen schon alles und sind genervt, wenn man Alternativen anbietet. Besonders herausfordernd sind jene, die stets den günstigsten Preis für das beste Modell wollen. Vereinzelt denke ich mir, dass ich auf dem Flohmarkt bin. Mit einem Paar habe ich neulich zwei Stunden lang über den Preis diskutiert. Gerade das Internet hat den Anspruch der Kunden verändert. Die Leute wollen es immer so günstig wie möglich.

„Das Internet hat den Anspruch der Kunden geändert und setzt uns unheimlich unter Druck.“
Doris Werner, Augenoptikerin

Das Internet setzt uns hier unheimlich unter Druck. Hinzu kommt die Größe unseres Geschäfts. Da ich bei einem kleinen Traditionsoptiker arbeite, ist unsere Bestellmenge nicht so riesig wie bei den großen Unternehmen. Daher ist auch der Einkaufspreis höher und dementsprechend auch der Verkaufspreis. Zusätzlich kämpfen wir damit, dass unsere Stammkunden uns wegsterben. Doch trotz aller Herausforderungen könnte ich mir keinen besseren Beruf vorstellen. Meine Arbeitskollegen sind super cool. Am meisten fasziniert mich, was unser Auge kann. Das ist echt ein cooler Beruf, ich würde ihn auf jeden Fall weiterempfehlen. Die Welt braucht mehr Augenoptiker!

Mein persönliches Ziel ist, noch den Meister zu machen. Wenn ich mit anderen über meinen Job rede, wird dieser jedoch oft eher geringschätzt, weil der Beruf des Augenoptikers nicht so bekannt ist. Nach dem Motto: Die verkaufen da ein paar Brillen und fertig. Ich bin der Meinung, dass wir viel zu wenig verdienen, wenn man unsere Leistung berücksichtigt. Typisch Handwerk eben. Generell glaube ich, dass das Handwerk vor allem deshalb unbeliebt ist, weil die Löhne so niedrig sind. Hinzu kommt, dass viele Jugendliche sich nicht mehr anstrengen wollen. Sie sind es gewöhnt, dass digitale Geräte viele anstrengende Tätigkeiten übernehmen. Die Lust und die Notwendigkeit, mit den eigenen Händen anzupacken, sehen viel nicht mehr.

Berufsentscheidung: Ich habe zunächst die Mittelschule absolviert und später über den M-Zweig meinen Realschulabschluss nachgeholt. Erst habe ich darüber nachgedacht, Zerspanungsmechanikerin zu werden oder in der Schmiede zu arbeiten. Praktika habe ich auch im Kindergarten, beim Zahnarzt und im Reisebüro absolviert. Als ich ein Praktikum bei einem Optiker gemacht habe, habe ich gemerkt, dass mir dort alles geboten wird, was mir gefällt: Kundenkontakt, normale Kleidung, handwerkliches Arbeiten aber auch kaufmännische Tätigkeiten. Am Ende des M-Zweigs stand die Entscheidung für mich fest, Augenoptikerin zu werden.

Ausbildung: Meine Ausbildung dauerte drei Jahre. Die Berufsschule war in Nürnberg, es gab Blockunterricht. In Nürnberg bin ich in einem Wohnheim untergekommen, meistens sprang auch ein Einzelzimmer für mich heraus. Hierfür musste ich 50 Euro für zwei Wochen zahlen, den Rest hat die Stadt übernommen. Zunächst tat ich mir in der Ausbildung sehr schwer, weil ich im Vergleich zu Realschülern weniger Physik und Mathe in der Mittelschule hatte. Im ersten Ausbildungsjahr verdiente ich 350 Euro netto, im zweiten 400 Euro und im dritten 450 Euro. Ich wollte immer alles sofort wissen und allen helfen. Ich habe oft mehr gemacht, als von mir erwartet wurde. Nach Abschluss der Ausbildung war ich dann auch wirklich froh, dass ich alles gelernt habe und richtig loslegen konnte.

Tipps: Jungen Menschen würde ich empfehlen, so viele Praktika wie möglich zu machen. Allerdings werden aus meiner Sicht zu wenige Praktika in der Schule vorgeschrieben. Als Jugendlicher sollte man auf jeden Fall auf seine eigenen Interessen hören. Sie sollten sich einfach mal was trauen und etwas ausprobieren. Spaß und Herzblut sollte jeder für eine Beschäftigung mitbringen. Ich finde es schade, dass viele keine Ausbildung mehr anfangen möchten, weil sie mehr Geld verdienen wollen. Dieser Beruf erfordert Selbstbeherrschung, handwerkliche Begabung, Offenheit, Freundlichkeit und grundlegende Mathekenntnisse. Einen Realschulabschluss sollte man mitbringen.

Wöchentliche Arbeitszeit: 40 Stunden, alle zwei Wochen arbeite ich auch samstags sechs Stunden. Mit der Arbeitszeit komme ich gut klar, Samstag zu arbeiten ist manchmal nervig.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Falls ich wirklich ohne Vorbedingungen und ohne Arbeitszwang 1500 Euro netto pro Monat erhalten würde, würde ich meine Renovierung sofort bezahlen, mal einen schönen Urlaub machen und vielleicht einen Tag weniger arbeiten. Ein Berufswechsel oder gar nicht zu arbeiten, kommt für mich nicht in Frage. Auch wenn ich eine Million Euro im Lotto gewinnen würde, würde ich weiterarbeiten.

Meine Einnahmen

Bruttoeinkommen: Brutto verdiene ich 2150 Euro im Monat. Erst vier Jahre nach meiner Ausbildung habe ich realisiert, dass ich gerade mal einen Stundenlohn von 9,50 Euro habe. Nun habe ich eine Lohnerhöhung erstritten, vorher verdiente ich 1650 brutto.

Nettoeinkommen: Netto bleiben mir 1466 Euro, vor der Lohnerhöhung waren es 1080 Euro. Ich bekomme weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld.

Meine Ausgaben

Wohnkosten: Ich wohne daheim bei meinen Eltern und zahle nichts. Im Moment wird die obere Etage der Wohnung meiner Eltern renoviert. Da ich die Renovierung selbst zahle, kamen in anderthalb Jahren 12 500 Euro zusammen.

Lebensmittel: Hier komme ich auf 50 Euro pro Monat, die ich vor allem in den Mittagspausen ausgebe.

Rauchen: Ich rauche pro Woche zwei Schachteln Zigaretten, die mich 90 Euro pro Monat kosten. Auf Feiern rauche ich noch mehr.

„Der Beruf erfordert Offenheit handwerkliche Begabung, Selbstbeherrschung, Freundlichkeit und Mathekenntnisse.“
Doris Werner, Augenoptikerin

Handy und Internet: Für meinen Handyvertrag gebe ich 44,95 Euro pro Monat aus. Mobilität: 57 Euro entfallen auf die Finanzierung meines Autos. Ansonsten zahle ich 150 Euro im Jahr für die Kfz-Versicherung, 80 Euro pro Monat für Sprit und 7,94 Euro pro Monat für die KfZ-Steuer.

Versicherungen: Meine Lebensversicherung kostet mich 105 Euro. Für vermögenswirksame Leistungen gebe ich pro Monat 34 Euro aus, für Sparpläne 280 Euro.

Kleidung und Körperpflege: Durchschnittlich kommen hier 120 Euro pro Monat für Kleidung und 30 Euro pro Monat für Körperpflege zusammen.

Freizeit: Ich gehe sehr gerne auf Festivals, hierfür gebe ich 200 Euro im Jahr aus. In den Urlaub gehe ich nicht, im Gegenzug fallen 200 Euro im Jahr für spontane Ausflüge an. Ich tanze leidenschaftlich auf Hip-Hop und Jazz, wofür ich 10 Euro im Monat zahle. Zweimal im Monat besuche ich Discos, hier fallen 100 Euro an. Für sonstige Feiern gebe ich 150 Euro pro Monat aus. Am Ende des Monats bleiben 254, 61 Euro übrig.

'Ich trage die Verantwortung dafür, dass Leute mit ihrer Brille gut im Alltag zurechtkommen. Eine schlecht angepasste Brille kann beispielsweise zu Unfällen im Straßenverkehr führen', sagt die junge Augenoptikerin Doris Werner aus dem Landkreis Haßberge im Rahmen unserer Serie 'Was würdest Du tun?'.
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