Der 27. Januar ist für Königsberg ein besonderer Tag. Denn an diesem Tag findet in der Marienkirche ein Gottesdienst statt, der auch als Herzog-Wilhelm-Kettenfeier zur Geschichte der Stadt gehört. Seinen Ursprung hat dieser Gottesdienst im Jahr 1625 vor nunmehr 396 Jahren.
Zu dieser Zeit wurde fast ganz Europa von einem 30-jährigen Religionskrieg erfasst. Die Reformation hatte das deutsche Volk damals in ein protestantisches und katholisches Lager gespalten. Von 1618 bis 1648 wurden ganze Landstriche verwüstet, wurde geplündert und gemordet. Die Bevölkerung wurde stark dezimiert. Dazu kamen noch Krankheiten wie Pest und Cholera, durch die viele Menschen zusätzlich dahin gerafft wurden.
Militärische Laufbahn
Herzog Wilhelm, an den diese Feier erinnert, wurde 11. April 1598 in Altenburg geboren und war ein Spross des Herzogshauses Sachsen-Weimar. Von ihm ist ein Fensterbild im Chorraum der Marienkirche in Königsberg zu sehen. Zum Besitz dieses Hauses gehörten zu dieser Zeit auch Königsberg und rund 32 Dörfer, die dem damaligen Herzog Johann Ernst IV. untertan waren. Während sich dieser mehr um die Verwaltung kümmerte, beschritt sein Bruder Wilhelm die militärische Laufbahn.
Zu dieser Zeit galt in einzelnen Gebieten Deutschlands nur der Glaube für richtig, für den sich der Landesherr entschieden hatte. Diesen Glauben mussten auch die Bewohner des jeweiligen Gebietes annehmen nach dem Grundsatz: „Wie der Herr, so sei G'scherr!“. Das Weimarer Haus schloss sich als eines der ersten der Reformation an, und deshalb wurde auch Königsberg evangelisch. Die evangelischen Fürsten fanden sich 1608 zur sogenannten Union zusammen, die katholischen Fürsten zur Liga.
Damit war, wie ein Chronist schreibt, der „erste Zunder des nachfolgenden 30-jährigen Krieges und anderer, darinnen entstandenen Unheils gelegt“. Königsberg, welches sich der Union angeschlossen hatte, lag eingekeilt zwischen den zur katholischen Liga gehörenden Bistümern Bamberg und Würzburg. Darunter hatte Königsberg zu leiden.
Raub der Flammen
Während in den ersten Kriegsjahren des 30-jährigen Krieges schon bischöfliche Soldaten in Königsberg manchen Frevel verübt hatten, waren um 1632 rund 8000 Mannen unter der Führung von Tilly, dem Feldherrn der katholischen Liga, in der Stadt einquartiert. In diesem Jahr wurde fast ganz Königsberg durch einen Stadtbrand ein Raub der Flammen. Eine Tafel am „Tilly-Haus“ am Salzmarkt in Königsberg erinnert noch heute an diese furchtbare Katastrophe.
Herzog Wilhelm nahm auf protestantischer Seite an diesem Religionskrieg teil. Dabei fiel er in den Diensten des Herzogs von Braunschweig in die Hände des Feindes und wurde in Neustadt in der Steiermark in Festungshaft gelegt. Dort sollte ihm die Freiheit erst wiedergegeben werden, wenn er als Fürst von der erkannten Wahrheit abfallen würde, also zum katholischen Glauben übertreten. Herzog Wilhelm blieb jedoch seinem Glauben treu.
Am 27. Dezember 1624 wurde Herzog Wilhelm aber dann unter der Bedingung, dass er nicht mehr zum Schwert greift, wieder auf freien Fuß gesetzt. Gleich nach seiner Freilassung kündete er dem Amtmann von Königsberg seinen baldigen Besuch an. Am 25. Januar 1625 traf er hier gegen Abend ein, wo er von der Bevölkerung mit großer Begeisterung erwartet wurde. Ein Chronist berichtet: „Am Mittwoch Nachmittag hat der Herzog gebeichtet (...) und auf den folgenden Tag, als den 27. Januarie das Heilig-Abendmahl in Christlich-Fürstlicher Devotion und Andacht empfangen und diesen Tag als einen Dank- und Freudentag mit Vor- und Nachmittagspredigt celebrieret“.
Freudentag bis heute
Königsberg hat sich diesen Freudentag bis in die heutige Zeit erhalten. Jedes Jahr wird „in Memoriam“ Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar genau an diesem Tag ein Gottesdienst gehalten. Denn wie sehr Herzog Wilhelm mit dem „Castra Kunegesperch“ verbunden war, ist daraus ersichtlich, dass er nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft zuerst nach Königsberg zurückkehrte, bevor er den Weg über Coburg nach Weimar nahm. Für sein Land war der standhafte Bekenner seines Glaubens später ein fürsorglicher Landesherr. Nicht zu vergessen, dass er am 27. Januar 1625 12 000 Gulden für die Stadt Königsberg stiftete, von deren Zinsen alljährlich bis ungefähr 1770 ein Volksfest auf dem Schloßberg gefeiert wurde. Herzog Wilhelm starb im Alter von 64 Jahren am 17. Mai 1662 in Weimar.
Die Herzog-Wilhelm-Kettenfeier hieß auch zunächst Schloßfest, weil es sich um einen Dankgottesdienst in der Schloßkirche handelte. Es war übrigens der einzige regelmäßig in der Schloßkirche oder Burgkapelle stattfindende Gottesdienst, ansonsten war da wohl nur ausnahmsweise was los, zum Beispiel bei der Taufe von Seckendorffs und einigen anderen Ausnahmen, oder bei Aufenthalten der Herzogsfamilie oder Hochzeiten von Burgbewohnern.
Burg verfiel
Noch im 18. Jahrhundert hieß die Veranstaltung Schloßfest. Dann, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, verfiel die Burg und damit war irgendwann die Schloßkirche nicht mehr benutzbar. Sie fiel ein, und einziges Relikt ist die mächtige Steinsäule, die seit den 1970-er Jahren im nördlichen Wallgraben aufgestellt ist.