Bei der aktuell aufflammenden Diskussion zur Wiedereinführung der Wehrpflicht oder eines sozialen Jahres ist es interessant zu erfahren, wie der Umgang mit der Wehrpflicht vor mehr als 150 Jahren war. Im ehemals selbstständigen Großherzogtum Baden regelte zu diesem Zeitpunkt ein sogenanntes Konskriptionsgesetz die Militärpflicht.
In dem Gesetz ist die Rekrutierung der gemusterten männlichen Bevölkerung eines Landes zum Wehr- oder Kriegsdienst aufgrund der Wehrpflicht bezeichnet. Ausnahmen, sich der Wehrpflicht zu entziehen, waren damals allerdings möglich: Durch einen Ersatzmann konnte sich der Wehrpflichtige freikaufen.
Dies praktizierte Bernhard Hagenbucher aus Sulzfeld in Baden, dessen Nachfahren heute im Knetzgauer Gemeindeteil Westheim leben. "Damals dauerte der Wehrdienst sechs Jahre lang", sagt Nachfahre Gerhard Hagenbucher und ergänzt: "Es war eine sehr lange Zeit für die jungen Burschen zu dienen". Aber natürlich auch für ihre Familien und vor allem für Familienbetriebe waren die sechs Jahre Wehrdienst eine große Zeitspanne. Deshalb bestand eben die Möglichkeit, sich vom Wehrdienst freizukaufen.
Der geschichtsbewanderte Senior aus Westheim hat bei sich zu Hause einen sogenannten "Einstands-Vertrag" seiner Vorfahren von 1864 im Original vorliegen. In dem Dokument ist die Abgeltung der Militärpflicht durch einen Ersatzmann vertraglich geregelt.
Es ging den Hagenbuchers um ihre Metzgerei samt Gastwirtschaft
Der Urgroßvater von Gerhard Hagenbucher aus Westheim war Bernhard Hagenbucher aus dem Badischen. Dessen Vater Tobias betrieb in Sulzfeld in Baden eine Metzgerei mit Gastwirtschaft, in der der Sohn eine existenzielle Arbeitskraft war. Der Familienbetrieb war letztendlich auch der Grund, dass Vater Tobias seinen Sohn Bernhard vom sechsjährigen Militärdienst freikaufte. Dafür musste er dem Einsteher August Rapp aus Steinegg einen Betrag in Höhe von fünfhundert Gulden bezahlen. Der Betrag musste bei der sogenannten Amortisations-Kasse verzinslich deponiert und bis zur Beendigung der Dienstzeit dort verwahrt bleiben.
Ein gewisser August Rupp aus Steinegg ist eingesprungen
Im "Einstands-Vertrag", unterzeichnet am 8. Februar 1864, sind alle Formalitäten hinterlegt. Abgeschlossen ist der Vertrag zwischen dem Rekruten Bernhard Hagenbucher aus Sulzfeld und dem ungedienten August Rapp aus Steinegg. Es ist unter anderem zu lesen, dass der Einsteher August Rapp als Ersatzmann die Verpflichtung übernimmt, die Dienstzeit des militärpflichtigen Einstellers Bernhard Hagenbucher vom 1. März 1864 bis zum 1. März 1870 unter den durch Gesetze und Verordnungen vorgeschriebenen Bestimmungen getreulich auszudienen.
Den Originalvertrag, der in deutscher Schrift verfasst ist, hat Gerhard Hagenbucher abgeschrieben, damit er auch später noch gelesen werden kann. Der Senior hat als Abc-Schütze noch bis zum zweiten Schuljahr 1939 die Deutsche Schrift in der Schule gelernt. Danach erfolgte die Einführung der lateinischen Schreibschrift im Unterricht.
Warum die Geschichte kein Happy-End hatte
"Leider hat der Vertrag meinen Urgroßvater nur für einige Jahre geholfen, seine Existenz zu sichern", bedauert Gerhard Hagenbucher. Dass die Metzgerei und die Gastwirtschaft verloren gingen, hatte dann auch einen ganz anderen Hintergrund: Viele Jahre nachdem der "Einstands-Vertrag" ausgelaufen war, bürgte der Urgroßvater für seinen Vetter und zwar ohne Haftungsbeschränkung. Das ging leider schief und so verlor er seinen ganzen Besitz. Später sagte der Urgroßvater immer wieder mahnend: "Bürge nie und für niemanden, gib lieber etwas, aber bürge nie".
Die Sache mit dem Verlust durch die Bürgschaft war dann auch der Grund, dass sich die Familie Hagenbucher 1898 in Franken niedergelassen hatte. Die Hagenbuchers aus dem Badischen kauften den Einödhof "Hohe Wann", der damals zu Haßfurt gehörte.