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COBURG/BIRKACH
Schaden durch Ekelfleisch beträgt fast eine Million Euro
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:28 Uhr

Wegen des tausendfachen Betrugs von Kunden und Lieferanten wird sich der frühere Geschäftsführer der Firma Dellert-Fleisch aus Birkach wohl vor Gericht verantworten müssen. Wie die Staatsanwaltschaft Coburg am Mittwoch mitteilte, geht sie in beiden Tatkomplexen von einem Gesamtschaden von fast 930 000 Euro aus. Sie hat, wie jetzt bekannt wurde, am 13. Oktober Anklage erhoben. Neben dem Hauptangeschuldigten wirft sie dem früheren Leiter des Coburger Schlachthofs sowie dessen als amtliche Tierärztin am Schlachthof tätige Ehefrau Beihilfe zum Betrug vor.

Laut Leitendem Oberstaatsanwalt Anton Lohneis ist die Anklageschrift 4810 Seiten lang. Dem Geschäftsführer der Firma Dellert-Fleisch, des vormals mit weitem Abstand größten Fleischverarbeitungsbetriebs am Schlachthof der Stadt Coburg, wird Betrug in 17 208 Fällen vorgeworfen, dem ehemaligen Schlachthofleiter und seiner Ehefrau jeweils Beihilfe zum Betrug in 13 744 beziehungsweise 12 135 Fällen.

Nach Abschluss der im Juni 2013, nach Bekanntwerden des Fleischskandals, begonnenen Ermittlungen legt die Staatsanwaltschaft dem Geschäftsführer des Fleischverarbeitungsbetriebs zwei Verhaltensweisen zur Last: Er soll im Zeitraum vom 15. Juni 2008 bis Jahresende 2012 seine Mitarbeiter veranlasst haben, Fleisch aus Rinderkeulen, die der amtliche Tierarzt als genussuntauglich eingestuft hat, auszulösen und an 28 laut Lohneis „gutgläubige“ Metzger und Gastwirte aus der Region zu verkaufen. An die elf größten Abnehmer gelangten so knapp 21 Tonnen Rindfleisch, zu einem Gesamtpreis von 79 000 Euro.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wussten die betroffenen Dellert-Kunden nicht, dass sie Fleisch erhielten, das als Lebensmittel nicht verkehrsfähig war („Ekelfleisch“); sie zahlten dafür den regulären Preis. Als kleiner Trost für die Endverbraucher kann gelten, dass es keine Erkenntnisse darüber gibt, dass gesundheitsschädliches Gammelfleisch in Umlauf gekommen ist. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft auch von der Verfolgung zusätzlicher Verstöße gegen das Lebensmittelrecht abgesehen und sich auf den Vorwurf des Betrugs beschränkt, teilt Lohneis mit.

Der zweite, was den mutmaßlichen Schaden angeht, deutlich größere Tatkomplex, der im Zusammenhang mit dem Coburger Schlachthofskandal bislang noch nicht zur Sprache gekommen ist, betrifft Betrugsfälle zum Nachteil von insgesamt 595 Viehlieferanten. Deren Vergütung hing vom Gewicht der geschlachteten Rinder ab. Um den Kaufpreis zu drücken, sollen Mitarbeiter von Dellert-Fleisch auf Anweisung des Geschäftsführers noch vor dem Wiegen Körperteile des Schlachtviehs, insbesondere Fett und Halsfleisch, „entgegen den einschlägigen Rechtsvorschriften und somit im Übermaß“ entfernt haben, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Dadurch sei ein Gesamtschaden von 860 000 Euro entstanden.

Das Landgericht Coburg wird die Anklage annehmen, ist Lohneis überzeugt. Die Hauptverhandlung wird seiner Einschätzung nach frühestens im Frühjahr 2015 beginnen. Noch hat die Verteidigung der Angeschuldigten Zeit, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Rechtsanwalt Horst Koller, der den angeschuldigten Geschäftsführer juristisch vertritt, wies gegenüber dieser Zeitung alle Vorwürfe gegen seinen Mandanten weiter vehement zurück.

Gegen den Inhaber einer Kuttelei aus dem Haßbergkreis, der im Juni 2013 mit Aussagen gegenüber dem Bayerischen Fernsehen die skandalösen Zustände am Schlachthof ans Licht gebracht hat, wird laut Lohneis keine Anklage erhoben. Er begründet dies damit, dass der Mann bei den mutmaßlichen kriminellen Machenschaften im Umfeld des Schlachthofs, den die Stadt Coburg Ende Juli 2013 geschlossen hat, im Vergleich zu den drei Angeschuldigten eine Nebenrolle gespielt hat. Die Vorwürfe gegen ihn „fallen völlig aus dem Rahmen“, meint der Leitende Oberstaatsanwalt auf Nachfrage dieser Zeitung.

 
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  • A. T.
    Tiere sind Lebewesen genau wie Menschen. Sie empfinden Schmerz und Gefühle wie z.B. Angst. Trotzdem werden Schweine, Rinder, Hühner usw. von Menschen wie Produkte oder Waren behandelt. Wir sperren sie ein, halten sie teilweise unter den schlimmsten Bedingungen, mästen und töten sie, um sie dann zu essen.
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