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AUGSFELD/LOHR
Rund 3000 Rexröther bei Großdemo
Vollbesetzter Schlossplatz: Ein Mitarbeiter der Rexroth-Gießerei blickt in voller Arbeitsmontur auf die von Rexroth-Standorten aus ganz Deutschland angereisten Demonstranten.
Foto: Johannes Ungemach | Vollbesetzter Schlossplatz: Ein Mitarbeiter der Rexroth-Gießerei blickt in voller Arbeitsmontur auf die von Rexroth-Standorten aus ganz Deutschland angereisten Demonstranten.
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:07 Uhr

In der Seele der Rexröther brodelt es wie in einem Gießereikessel. Das wurde am Mittwochmittag auf dem Lohrer Schlossplatz deutlich. Dort demonstrierten nach Polizeiangaben rund 3000 Mitarbeiter des Unternehmens, auch aus Augsfeld, gegen geplante Umstrukturierungen im Geschäftsbereich Mobile Anwendungen.

Von Standorten im gesamten Bundesgebiet waren Rexröther in teils großen Abordnungen dem Aufruf der IG-Metall gefolgt, um gegen die geplante Streichung von rund 1150 der bundesweit 6200 Mitarbeiter in dieser Sparte zu protestieren. In Lohr wäre die seit Jahren defizitäre Gießerei am stärksten betroffen. Bei ihr steht rund ein Viertel der knapp 600 Arbeitsplätze auf der Kippe steht.

Der Grundvorwurf der Reden von Betriebsräten und Gewerkschafteten lautete, dass die Manager durch fatale Fehlentscheidungen den Geschäftsbereich, der Komponenten beispielsweise für Baumaschinen und Traktoren fertigt, in einen Abwärtsstrudel beförderten. Dieser könne das gesamte Unternehmen ergreifen.

„Streitet im besten Sinne für die Zukunft der Gießerei und der Arbeitsplätze in unserer Stadt.“
Bürgermeister Mario Paul an die Adresse der Rexroth-Belegschaft

Die deutlichsten Worte wählte Peter Urlaub, der Betriebsratsvorsitzende von Rexroth Guss. Er warf den Entscheidern ganz direkt Inkompetenz vor. Rexroth befinde sich in einer „Abwärtsspirale durch Unfähigkeit“. Dem von extern an die Spitze gekommenen Management fehle das Bemühen, sich mit der Guss-Materie vertraut zu machen. Aus der Lohrer Gießerei habe sich vor Jahrzehnten die Hydrauliksparte und die Kompetenz entwickelt, die Rexroth zum weltweit agierenden Unternehmen gemacht habe. Heute jedoch wüssten die Manager gar nicht mehr, welcher Vorteil es sei, eine Gießerei zu haben, „die ihr Handwerk versteht und alles kann“.

Als Wahnsinn bezeichnete Urlaub, dass Rexroth seine eigene Gießerei nicht auslaste, sondern Aufträge nach außen vergebe. Statt Strukturen und Abläufe zu verbessern, wolle das Management mit der Kernmacherei ein Herzstück der Gießerei ins Ausland vergeben. „Der Gießereikessel Rexroth muss von allem, was obendrauf schwimmt, gereinigt werden, damit das rotglühende, reine Eisen wieder zum Vorschein kommt. Abschlacken nennt man das“, wählte Urlaub mit Blick auf das Management einen bildhaften Vergleich und erntete den lautesten Applaus der Demo.

Außergewöhnlich deutliche Worte fand auch Lohrs Bürgermeister Mario Paul. Er forderte die Unternehmensleitung dazu auf, den von Arbeitnehmerseite gemachten Vorschlägen zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit „eine echte Chance“ zu geben und sie ergebnisoffen zu prüfen. Die Rexröther forderte Paul auf: „Streitet im besten Sinne für die Zukunft der Gießerei und der Arbeitsplätze in unserer Stadt.“ Dabei wünsche er „maximalen Erfolg“, so Paul.

Dass es längst nicht nur um die Lohrer Gießerei gehe, verdeutlichte der stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzender Stephan Huber. Das Unternehmen plane auch in Augsfeld, Elchingen, Horb, Homburg und Schwieberdingen massive Stellenstreichungen, um insgesamt 500 Millionen Euro zu sparen.

Im Kern gehe es um Verlagerungen in die Türkei, nach Italien oder Osteuropa. „Das machen wir so nicht mit“, rief Huber. Die Arbeitnehmerseite habe überall tragfähige Gegenkonzepte zum vom Unternehmen geplanten Radikalschnitt vorgelegt.

Für die Lohrer Gießerei beispielsweise sehe dieses Gegenkonzept des Betriebsrates den Abbau von immerhin auch 43 Arbeitsplätzen vor, erklärte Andrea Fehrmann von der Bayern-IG-Metall.

Die Belegschaft sei bereit, einen solch steinigen Weg mitzugehen, wenn dies nur die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens erhöhe. Falsche Einschnitte jedoch könnten „Rexroth in seiner Gesamtheit massiv gefährden“, so Fehrmann.

Horst Schwürzinger, der Betriebsratsvorsitzende am Rexroth Standort Elchingen, wo 600 der 2400 Stellen gestrichen werden sollen, beklagte, dass diejenigen, die das Unternehmen zu den Verhandlungen schicke, entweder keine Kenntnisse oder keine Entscheidungsbefugnis hätten. „Alle Rexröther wissen, dass etwas krank ist. Aber es ist nicht die Mannschaft“, sagte Schwürzinger.

Reiner Greich, Betriebsratsvorsitzender vom Standort Augsfeld, verdeutlichte hingegen, dass man dort in gemeinsamen Verhandlungen mit der Werkleitung sehr wohl zu tragfähigen Kompromissen gekommen sei, weil die Werkleitung Vorschläge angehört und ernsthaft geprüft habe.

Mittlerweile habe der Werkleiter das Unternehmen jedoch verlassen. Jetzt herrsche die Gefahr, dass wieder „Bremser, Blockierer und Nicht-Entscheider“ ans Ruder kämen.

Das Unternehmen selbst reagiert noch am Mittwochmittag mit einer für seine Verhältnisse außerordentlich langen Pressemitteilung auf die während der Demo getätigten Aussage.

Darin wird Holger von Hebel, der kaufmännische Leiter des Geschäftsbereiches Mobile Anwendungen damit zitiert, dass es das Ziel sei, diesen Geschäftsbereich „nachhaltig für die Zukunft zu sichern“.

„Alle Rexröther wissen, dass etwas krank ist. Aber es ist nicht die Mannschaft.“
Horst Schwürzinger, Betriebsratsvorsitzender Elchingen

Die Nachfrage in der Sparte sei seit Jahren weltweit rückläufig, der Gießereiumsatz eingebrochen. Hersteller reduzierten ihre Kapazitäten und verlagerten Werke in kostengünstigere Länder oder schlössen sie gar ganz.

Um auf den Wachstumspfad zurückzukehren, müsse auch Rexroth „Kosten senken, Überkapazitäten reduzieren und die Effizienz steigern. „Die Gießerei ist uns wichtig“, so von Hebel. Deswegen habe man ein umfassendes Sanierungskonzept entwickelt. Durch die Fremdvergabe von Fertigungsschritten könne man Kosten sparen.

Das Unternehmen betont in seiner Mitteilung, dass man weiter auf einen „konstruktiven Dialog“ mit der Arbeitnehmerseite setze und „offen für alternative Vorschläge“ sei, insbesondere, wenn sie dazu dienten, die Zahl der abzubauenden Stellen zu reduzieren. Die bisher gemachten Vorschläge reichten jedoch bei Weitem nicht aus, um die Kostenlücke zu schließen.

Die Frist, die das Unternehmen für die Klärung des Themas gesetzt hat, läuft bis diesen Freitag. Bereits am Donnerstag treffen sich beide Seiten zu neuerlichen Gesprächen.

Kreativer Protest gegen die geplante Auslagerung der Kernmacherei.
Foto: Johannes Ungemach | Kreativer Protest gegen die geplante Auslagerung der Kernmacherei.
 
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