Einschlafen kann man beim Zählen dieser Schafe bestimmt nicht – viel zu lebhaft wuseln die wolligen Vierbeiner durcheinander. Und obwohl sie alle einen schwarzen, bis hinter die Ohren unbewollten Kopf haben, sind es doch noch lange keine „schwarzen Schafe“. Aber, sie sind ins Trockene gebracht und lassen sich in dem halb offenen Stall ihr Futter schmecken.
62 Mutterschafe und einen Bock haben Christoph Schwemmlein und seine Frau Michaela von der Linden momentan in ihrer Herde. Mit zehn Schafen fing Mitte der 1980er Jahre alles an. Man habe den landwirtschaftlichen Betrieb auf dem Anwesen erhalten wollen, so von der Linden, aber dies sei nur mit leistbarer Arbeit möglich gewesen. Ihr Mann Christoph arbeitet in Vollzeit als Elektrotechniker bei einem Energieversorgungsunternehmen. Schafhaltung sei da leichter zu bewerkstelligen, als Rinderhaltung und Ackerbau. „Unsere Rhönschafe sind genügsam und robuste, drahtige Kerlchen“, zählt Michaela von der Linden die Vorteile der Paarhufer auf. „Und sie passen gut bei uns in die Landschaft.“
Das Rhönschaf gilt als eine der ältesten Nutztierrassen Deutschlands. Es steht zur Bestandsbeobachtung in der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen. Das hornlose Schaf ist widerstandsfähig gegen feuchtkalte Witterung und zur Pflege magerer Standorte und Streuobstwiesen bestens geeignet.
„Je nach Wetter und Vegetation darf die Herde ab etwa Mitte April raus auf die Weide“, erklärt von der Linden. Auch der Zeitpunkt des Scherens spiele dabei eine Rolle. „Nach dem Scheren lassen wir die Schafe noch zirka 14 Tage drinnen, damit sie nachts nicht frieren.“ Geschoren wird einmal im Jahr; drei bis vier Kilo Wolle fallen pro Schaf ab. Die Wolle wird hauptsächlich als Dämmmaterial verwendet. Für Bekleidung ist sie mit ihrer eher rauen Struktur weniger geeignet. Während der „Frisör“ 2,30 Euro pro Schaf bekommt, gibt es für ein Kilo Wolle etwa 30 Cent. „Aber wird sind froh, wenn sie überhaupt noch jemand holt“, bedauert von der Linden.
Seit Anfang des Jahres haben Schwemmlein und seine Frau auf biologische Bewirtschaftung umgestellt. Die 35 Hektar Fläche – davon 85 Prozent Wiesen, der Rest Ackerland – wurde schon in den vergangenen Jahren nicht mehr gespritzt. „Es darf nur Schafmist ausgebracht und kein Mineraldünger zugekauft werden“, erläutert die Bäuerin. Mineralfutter und Saatgut müssen Bioware sein. Auch die Bewirtschaftung der Äcker hat sich verändert: Ein paar Tage nach Aussaat des Getreides wird das Unkraut zwischen den Saatreihen herausbefördert. Diese Prozedur wird je nach Getreideart öfters wiederholt. „Im Hafer säen wir als Untersaat Klee mit aus. Dieser nimmt den Beikräutern das Licht und verhindert, dass sie durchkommen“, erläutert von der Linden. Der Klee bleibt nach der Haferernte stehen und wird von der Herde beweidet. Im darauffolgenden Jahr wächst der Klee nach, wird als Silage geerntet oder im Herbst untergepflügt. Erbsen dienen als Eiweißlieferant für die Mastlämmer, an einer Ganzpflanzensilage aus Wicken, Erbsen und Hafer laben sich die Mutterschafe. Triticale als Wintergetreide und das Hafer-Kleegemisch vervollständigen die Vierfelderwirtschaft.
In einem Biobetrieb wird den Tieren mehr Platz zugestanden: Pro Schaf mit Lamm 1,85 Quadratmeter. Im herkömmlichen Stall ist es ein Quadratmeter.
Die Mutterschafe gebären nach einer Tragzeit von jeweils fünf Monaten ein- bis zweimal im Jahr. Im Alter von zehn bis zwölf Wochen kommen die Lämmer zum Mästen auf eine Extraweide. „Das ist immer eine große Herausforderung.“ sagt von der Linden, „Das Gras muss optimal sein, damit die Lämmer richtig zunehmen. Und man muss höllisch aufpassen, dass sie keine Eiweißvergiftung bekommen.“ Sind die Lämmer schließlich vier bis sechs Monate alt und wiegen zwischen 40 und 45 Kilogramm, geht es zur Lämmersammelstelle nach Manau. Dort holt sie die Erzeugergemeinschaft Bayerische Schafhalter ab. Zwischen zwei und 2,40 Euro pro Kilo Lebendgewicht liegt der Preis für die Lämmer. „Zur Zeit ist der Preis relativ stabil – da können wir nicht jammern.“
Weibliche Lämmer dürfen meist in der Herde bleiben, „um die Mutterschafe aufzustocken“, sagt von der Linden. Viele Lämmer gehen im Frühjahr auch an Besitzer von Streuobstwiesen. Dort weiden sie den Sommer über und werden im Herbst für den Eigenbedarf geschlachtet.
Während der Weidezeit machen die Schafhalter täglich zwei Kontrollgänge, füllen Wasser auf und schauen nach neugeborenen Lämmern. Alle zwei bis fünf Tage heißt es, den Zaun neu stellen. Bordercollie Moritz ist ganz in seinem Element, wenn es gilt, die Schafe umzustellen. „Das funktioniert prima“, freut sich von der Linden. Im Rahmen des bayerischen Vertragsnaturschutzprogrammes pflegen die Schafhalter mit ihrer Herde schützenswerte Flächen, wie Streuobstwiesen oder magere Hänge. Und auch die Ziegen vom Hof helfen mit, die Hecken niedrig zu halten. Die vierbeinigen Landschaftspfleger leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft. „Ich finde es gerechtfertigt, dass wir für diese Arbeit auch Geld bekommen“, sagt von der Linden, „denn wir sorgen dafür, dass unsere Heimat so schön bleibt, wie sie ist.“
Der Bäuerin ist es ein Anliegen, Kindern den Beruf des Landwirtes nahezubringen. „Freilich haben wir auch Stress und einen straffen Zeitplan. Aber wir sind unser eigener Chef und ich kann mein Tempo selbst bestimmen.“ Kein Tag sei wie der andere und es bleibe immer spannend. Mit ihrer Ausbildung zur Erlebnisbäuerin lädt von der Linden das ganze Jahr über Kinder und Jugendliche zu Aktionen auf den Hof ein.
„Landwirtschaft heißt für uns, mit der Natur zu arbeiten“, resümiert von der Linden. „Deshalb glauben wir auch, dass die Umstellung auf ,Bio‘ der richtige Weg ist. Die Menschen müssen aber auch lernen, die Arbeit der Bauern wertzuschätzen.“