„Religionslehrer sind an weiterführenden Schulen eine aussterbende Spezie, in einigen Jahren wird es auch in Bamberg einen eklatanten Mangel an katholischen wie evangelischen Lehrkräften geben“, prophezeit Schulamtsdirektorin i.K. Gabriele Marsch. Die Abteilungsleiterin Religionspädagogisches Seminar und stellvertretende Leiterin der Hauptabteilung Schule und Religionsunterricht im Erzbischöflichen Ordinariat Bamberg weiß aus ihrer praktischen Arbeit mit Lehramtsanwärtern für katholischen Religionsunterricht, dass das Interesse an dieser Ausbildung nachlässt: „Das sind bayernweit bittere Aussichten“, meint Marsch. Ein Modell der Zukunft könne da eine katholisch-evangelische Kooperation sein, um den Religionsunterricht aufrecht zu erhalten: „Das ist ein Weg, es braucht das Grundsätzliche“, hofft die erfahrende Fachkraft.
Beitrag zur Persönlichkeitsbildung
Zumal im Religionsunterricht „nicht Kirchgänger rekrutiert werden“, sondern viele Themen zur Sprache kämen, die Kinder und Jugendliche betreffen. Eine Generation, die „nicht mehr geerdet ist, während Religionsunterricht hilft, wieder Boden unter den Füßen zu finden und sich zu binden, also mit sich selbst in Bezug zu bringen“, erklärt Gabriele Marsch. Denn im Fach „Reli“ stehe das Kind, der Jugendliche im Mittelpunkt mit seinen existentiellen Erfahrungen. Vor dem Hintergrund der vielfältigen politischen und gesellschaftlichen Krisen leiste der Religionsunterricht einen zentralen Beitrag in der Persönlichkeitsbildung junger Menschen, zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, so Marsch.
Doch das sehen nicht alle so. Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) etwa forderte kürzlich als Konsequenz der besorgniserregenden Pisa-Ergebnisse an bayerischen Grundschulen weniger Religion, dafür mehr Deutsch und Mathe zu unterrichten. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) legte sein Veto ein. Es bleibt bei drei Stunden pro Woche, in denen die Schülerinnen und Schüler lernen, wer Gott ist, wer Jesus und was Kirche, sie hören biblische Geschichten, begegnen anderen Religionen und erfahren, warum und wie man betet.
Verblüffende Methodenvielfalt im Unterricht
Immerhin zwei Drittel aller bayerischen Schüler nehmen am konfessionellen Religionsunterricht teil, darunter auch ungetaufte, wie Zahlen beispielsweise aus der evangelischen Landeskirche belegen. Denen nach besuchen mehr als 300.000 Schüler an öffentlichen Schulen in Bayern den evangelischen Religionsunterricht, davon sind rund 40.000 Kinder und Jugendliche nicht getauft: Sie haben die Teilnahme an „Reli“ aus Interesse beantragt.
Tatsächlich gibt es wohl kaum ein anderes Schulfach, in dem Lehrkräfte mit so einer verblüffenden Methodenvielfalt und mit großer innerer wie äußerer Begeisterung unterrichten. Elisabeth Buck ist zum Beispiel so eine evangelische Religionslehrerin, die ihre Schützlinge an der Mittelschule Burgebrach buchstäblich in Bewegung bringt, spielerisch deren Lebensbezüge in Elternhaus und Freundeskreis aufgreift, um diese zum Evangelium, zur Frohen Botschaft Jesu in Bezug zu setzen.
Buck, die deutschlandweit und im deutschsprachigen Ausland Religionslehrkräfte weiterbildet, bringt die Elf-, Zwölfjährigen Sarah, Jule, Tom, Marlon und alle anderen Klassenkameraden dazu, dass sie zwei aufeinanderfolgende Unterrichtsstunden rege mitmachen, sich eifrig zu Wort melden und sogar in Kleingruppen konzentriert die Aufgaben erledigen.
Orientiert an Schülern und Schülerinnen und deren Lebenswelt
Lehrerin Elisabeth Buck macht im anschließenden Gespräch mit dieser Redaktion deutlich, welch großen Wandel der Religionsunterricht durchlaufen hat: „Weg von einer reinen Glaubens- und Wissensvermittlung hin zur Orientierung an den Schülern und Schülerinnen, deren Lebenswelt und die lebensbejahende biblisch-christliche Perspektive immer stärker in den Fokus rückten“.
Dieser Wandel von der reinen Unterweisung hin zu einer Kompetenzorientierung ist schon in der Grundschule erlebbar, wie der Besuch des katholischen Religionsunterrichts von Lehrerin Heidrun Wolf in der Bamberger Rupprechtschule zeigt. Das Thema „Gottes Schöpfung“ soll behandelt werden. Und das geschieht in der ersten Klasse zunächst durch das Vorlesen der biblischen Genesis-Geschichte in kindgerechter Sprache.
Die Schüler sitzen im Stuhlkreis, aus farbigen Tüchern und Fotos legen sie die Mitte: den Planeten Erde mit Licht, Wasser, Himmel, Tieren, Menschen. Die gewisse Unruhe, die im Klassenraum entsteht, hat Heidrun Wolf im Griff: Kurz spielt sie vom CD-Player eine Entspannungsmusik ab, bis die Kleinen wieder bei der Sache sind: „Und Gott sah, dass es gut war!“ schließen sie im Chor den Schöpfungsbericht ab.
„Reli ist spannend, man erfährt viel Neues“
Um die „Umwelt und Schöpfung“ geht es auch im Religionsunterricht für die achte Klasse im Bamberger Dientzenhofer-Gymnasium. Der evangelische Schulpfarrer Gernot Garbe stellt den Jugendlichen Fragen zum kostbaren Wasser, zum Schutz der Umwelt, zur Bewahrung der Schöpfung. Und Richard, Katharina, Kai oder Max haben wahrlich kluge und bestnotenverdächtige Antworten parat. Die jungen Leute sind aufmerksam dabei, notieren sich interessiert den Buchtipp ihres Lehrers Garbe.
„Ich finde den Religionsunterricht schön, man kann über seine Beziehung zu Gott reden und lernt, was in der Bibel steht“, bilanziert die 14-jährige Helen in der Pause. „Reli ist spannend, man erfährt viel Neues“, sagt Maximilian (13). Und sein Banknachbar Daniel (14) nickt zustimmend: „So ein Unterricht macht Spaß, ist schön!“ strahlt er.
Verantwortet wird der Religionsunterricht gemeinsam durch den Staat und die Kirchen: Für die rechtlichen Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen an den Schulen ist der Freistaat Bayern verantwortlich. Die Inhalte des Religionsunterrichts verantworten die Kirchen.