Weil eine 31-jährige Frau aus Afghanistan mit ihrer Familie trotz Verbots illegal nach Deutschland eingereist war und sich im Landkreis aufgehalten hatte, erhielt sie einen Strafbefehl über 150 Tagessätze zu zehn Euro, also insgesamt 1500 Euro, gegen den sie Einspruch einlegte. Kürzlich musste sie sich daher wegen eines Vergehens gegen das Aufenthaltsgesetz vor dem Amtsgericht Haßfurt verantworten. Damit war der Einspruch letztlich erfolgreich, denn das Gericht stellte das Verfahren ein. Als Auflage muss die fünffache Mutter 600 Euro an die Palliativstation des St. Joseph-Krankenhauses Schweinfurt bezahlen.
Keine Wohnung, keine medizinische Behandlung
Kerstin Pausch-Trojahn, die Verteidigerin der Beschuldigten, schilderte die Odyssee der siebenköpfigen Familie mit fünf Kindern im Alter von fünf bis 17 Jahren. Sie sei von Afghanistan nach Spanien geflüchtet, wo sie in Barcelona in einer Massenunterkunft Unterschlupf gefunden habe. Eine Wohnung habe die Familie nicht gefunden, erzählte die Frau vor Gericht. Sechs Monate lang habe sie in der Massenunterkunft bleiben müssen, wo der jüngste, heute fünf Jahre alte Sohn krank geworden, aber nicht behandelt worden sei.
Auch die Angeklagte sei psychisch krank geworden. Zudem habe der spanische Staat 2000 Euro Schulgeld von der mittellosen Familie für die Unterrichtung der Kinder verlangt. Die Familie sei daher per Bus nach Deutschland gereist und wieder abgeschoben worden. Aufgrund der schlechten Situation in Spanien sei sie erneut eingereist, trotz des Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Die Familie versuchte vergeblich, in Spanien Fuß zu fassen
Hier liege daher ein besonderer Fall vor, argumentierte die Anwältin. Die Familie habe versucht, in Spanien Fuß zu fassen, sei jedoch daran gescheitert. Die Kinder hätten die Schule nicht besuchen können, die Unterkunft sei "menschenunwürdig" gewesen und habe gegen Kinderrechte verstoßen. Zudem habe es keine medizinische Versorgung gegeben.
Die Verteidigerin schlug daher die Einstellung des Verfahrens vor, der das Gericht zustimmte. Auch der Familienvater hatte einen Strafbefehl erhalten und Einspruch eingelegt. Die Zentrale Ausländerbehörde in Würzburg stellte der Familie mittlerweile eine eventuelle Aufenthaltsgestattung aus, so dass die Eltern arbeiten dürfen und die Familie vorerst in Deutschland bleiben kann.
Besondere Umstände: Richter begründet die Einstellung des Verfahrens
Laut Richter Christoph Gillot müssen Geflüchtete gemäß dem Dublin-3-Abkommen normalerweise ihr Asylverfahren in dem ersten Land durchlaufen, in dem sie nach ihrer Flucht aufgenommen wurden. Sollten sie in ein anderes Land ausreisen, darf dieses Land sie abschieben. In diesem Fall lägen jedoch besondere Umstände vor, sagte der Amtsgerichtsdirektor im Gespräch mit der Redaktion. Die Angeklagte sei zum einen nicht vorbestraft und zum anderen durch Flucht und Aufenthalt in Spanien psychisch erkrankt, was sie auch mit einem Attest belegen könne.
Sie könne darüber hinaus belegen, dass sie für ihr Schulkind in Spanien rund 2000 Euro Schulgeld habe zahlen müssen und dass der Mann, der fließend spanisch spreche, keine Arbeit als Dolmetscher in Spanien gefunden habe. Diese besonderen und erwiesenen Umständen würden eine Einstellung rechtfertigen, so Gillot.
Asylverfahren in Deutschland: Familie darf vorerst bleiben
Das Asylverfahren werde nun in Deutschland durchgeführt. Währenddessen hat die Familie den Status der Aufenthaltsgestattung. Bei einem positiven Ausgang des Asylverfahrens dürfe die Familie in Deutschland bleiben und erhalte dann eine Aufenthaltsgenehmigung.
Insgesamt gebe es in Deutschland drei Status für Geflüchtetete. Der Status der Aufenthaltsduldung ist mit den wenigsten Rechten verbunden. Bei einer Aufenthaltsgestattung haben Flüchtlinge mehr Rechte. Weitere Rechte erhalten sie mit dem höchsten Status, der Aufenthaltsgenehmigung.
Und Menschen in Robe sind unfehlbar, gerade im Rechtsstaat Bayern.