Nein, vermutlich würde er verständnislos den Kopf schütteln und sich entnervt auf seine Bettenburg zurückziehen. Als Christian Dietrich Truchseß von Wetzhausen vor rund 225 Jahren den Landschaftspark bei der Bettenburg bauen ließ, setzte er der Ritterromantik damit ein Denkmal. Der Romantik hat die Straße, die Eichelsdorfer Steige, schon seit Jahrzehnten die Grenzen aufgezeigt.
Und dass einmal eine solche Art von Ritter durch seinen Wald geistern, hätte sich der Herr der schönen Künste auf Schloss Bettenburg wohl auch nicht träumen lassen. Pedalritter hecheln oder rauschen, je nach Fahrtrichtung, durch den Bettenburger Wald. Seit gut einer Woche ist der neue Radweg zwischen Eichelsdorf und Ermershausen ganz offiziell in Betrieb.
Kritik hatte es gehagelt, als vor gut drei Jahren die Pläne für den Radwegbau bekannt wurden. Unsinnig, eine Verschandelung der Natur und viel zu teuer, waren die am meisten genannten Argumente. Dagegen sprach aus Planer-Sicht: Der Radweg ist ein Lückenschluss zum Maintal hin, gleichzeitig kann entlang des Radwegs schnelles Internet verlegt werden und die hohe Förderquote von über 80 Prozent.
Drahtesel gegen E-Bike
Und auch während des Baus lautete immer wieder die Kritik: Steigungen, wie bei der Tour de France, wer soll denn hier überhaupt fahren? Die Redaktion hat sich diese Frage auch gestellt und sich auf den Weg gemacht. Mit einem Sieben-Gang-Rad und einem E-Bike. Mit Letzterem deshalb, weil es immer wieder geheißen hatte, die Strecke ist prädestiniert für diese Elektrovehikel, denen ja auch die Zukunft gehöre.
Plagerei am Berg
Wer nicht gerade Dauerradler ist und mit Pedalkraft nach oben will, für den beginnt das Elend eigentlich schon vor dem Ortsende von Eichelsdorf. Langsam steigt die Haßbergstraße an, bis es nach dem richtigen „Einstieg“ in die Eichelsdorfer Steige dann richtig zur Sache geht. Im zweiten Gang, Schritttempo, der Puls ist längst dreistellig. Kein Sinn für des Herrn von Truchseß schön angelegte „Ritterromantik“ auf dem Hang nebenan. Und der hätte angesichts der Plagerei am Berg vermutlich eh nur ein hämisches „g'scheit so“ übrig.
Während der Schweiß fließt, nähert sich von hinten ein surrendes Geräusch. Und ist auch kurz darauf schon wieder nach vorne verschwunden. E-Biken am Berg ist ein Traum. Selbst in der geringsten Unterstützungsstufe geht's ohne Probleme und vor allem ohne Anstrengung den Berg hoch. Und, so paradox es klingt, auf dem E-Bike ist gar Zeit für Romantik. Die Natur hat über die Bau-Wunden stellenweise schon ein grünes Pflaster gelegt, zwischen saftigem Grün lugt immer wieder Sandstein in schönsten Rottönen hervor.
Kein Schweiß, kein Erlebnischarakter
In wenigen Minuten ist mit Elektrokraft die Eichelsdorfer Steige passiert. Es ist Sofa-Radeln: kein Schweiß, keine Anstrengung, aber halt auch kein Erfolgserlebnis, wie mit dem guten alten Drahtesel, dessen zweiter Gang seit Eichelsdorf Gang der Wahl war.
Dafür ist nun Gleichstand bei der Geschwindigkeit, erst eine lange leichte Gefällstrecke und dann geht es richtig abwärts bis Schweinshaupten. Zeit zum Regenerieren auf dem Rad, eher ein wenig nervig jetzt das Hilfsgeräusch des E-Bikes. „Passt auf beim Bremsen“ – das hatte Winfried Ulrich beim Ausleihen der Fahrräder noch ans Herz gelegt. Und die Bremsen greifen, für einen kurzen Stopp vor Schweinshaupten, an dem Bauwerk, das während der Bauzeit für viel Diskussionsstoff gesorgt hatte: die Felsenkeller, in denen Fledermäuse zuhause sind.
Hotel für die Jäger der Nacht
Mit „Fledermaus-Hotel“ haben die mit Buntsandstein verkleideten Eingänge der Keller im Volksmund schon einen Namen verpasst und der Naturschutz bei der Einweihung sein Fett abbekommen. Mehrkosten, kritisierte Bundorfs Bürgermeister Hubert Endres. „Wenn Eingriffe in die Natur so enorm sind, dann sind auch die Kosten höher“, erklärt auf Anfrage Bernd Janik von der Unteren Naturschutzbehörde. Und zu den Fledermaus-Unterkünften: „Das ist ein ganzes Höhlensystem, wir konnten darauf nicht verzichten.“ Zudem wollte man dort zu Beginn die Arbeiten anders ausführen, als es im Bescheid vorgegeben war. Auf jeden Fall wurden inzwischen in den Kellern wieder die Jäger der Nacht gesichtet. Zwei Tiere, berichtet Janik.
Radweg mit Mehrwert
Die Kosten und die Opfer, die die Natur bringen musste, gaben in Schweinshaupten etlichen zu denken. Unter ihnen auch Marianne Jäger und Cornelia Jüngert. Die beiden Frauen unterhalten sich gerade am Straßenrand. Das Urteil der beiden Frauen: Jetzt, wo es Grün geworden ist, sieht der Radweg schon schöner aus, fügt sich ins Bild. Und sie haben sich auch schon ein Bild von den Radwegnutzern gemacht: „Man sieht, es sind meist Sportlichere.
“ Und die kommen mitunter mit einem mords Zahn aus Richtung Ermershausen von oben ins Dorf gerauscht. Und noch von einem Mehrwert des Radwegs berichten die Frauen: Viele Fußgänger und Leute mit Kinderwagen nutzen den Radweg, weil's so einfach sicherer ist.
Wenn der Fahrer schneller ist als das Rad
In Richtung Ermershausen bedeutet der Radweg: Strampeln, was das Zeug hält und immer schön auf die Fahrbahn achten. Kein Blick für die herrliche Aussicht gleich nach Schweinshaupten. Und diese Steigung, die „Bergetappe zwei“, hat's in sich, will beinahe kein Ende nehmen; für den, der kein E-Bike hat. Aber auch hier entschädigt wieder der Scheitelpunkt am Ende der Steigung. Langes Gefälle zum Ausspannen, eine kurze Rast in Birkenfeld und dann gerade noch einmal zwei Kilometer entspanntes Radeln bis Ermershausen. Dort ist Pause angesagt. Und in der Gastwirtschaft herrscht Zuversicht, dass der neue Radweg auch „etwas bringt“, wie Manuel Schmidt sagt.
Überzeugt davon, dass dieser Radweg-Lückenschluss sich positiv auswirkt, ist auch Susanne Volkheimer, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Haßberge: Der Rad-Tourismus hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich positiv entwickelt und werde sich noch steigern.
Gestärkt geht es zurück nach Hofheim.
Notfall-Helfer-Test
Schön wär's gewesen. Stattdessen Notfall-Test in Schweinshaupten: Winfried Ulrich hatte ja noch gewarnt: Aufpassen beim Bremsen. Und so kam's, dass das Fahrrad schon stand, sich der Fahrer aber weiter „bewegt“. Aber sowohl Schweinshaupten, wie auch Ulrich haben den Test bestanden: Sofort eilten Schweinshauptener zur Hilfe und wenige Minuten später holte Ulrich den demolierten Radl-Tester und das zerbeulte Vehikel ab. Dennoch: Auch wenn der Radweg knackige Bergetappen bietet, gerne wieder!