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AIDHAUSEN/KREIS HASSBERGE
Projekt startet: Das große Blühen gegen das Insektensterben
Dem Unkraut den Garaus machen – darauf sollte bei der Vorarbeit zum Anlegen einer Blumenwiese gut geachtet werden. Ob das die Teilnehmer am Workshop getan haben, wird das Ergebnis bald zeigen.
Foto: Gudrun Klopf | Dem Unkraut den Garaus machen – darauf sollte bei der Vorarbeit zum Anlegen einer Blumenwiese gut geachtet werden. Ob das die Teilnehmer am Workshop getan haben, wird das Ergebnis bald zeigen.
Gudrun Klopf
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:55 Uhr

Da blüht uns was! Künftig soll es auf öffentlichen Grünflächen im Landkreis Haßberge nicht nur grünen, sondern vor allem blühen – und zwar bunt und vielfältig. Nach der Einführungsveranstaltung zum Leader-Projekt „Blühender Landkreis Haßberge“ im vergangenen Oktober in Breitbrunn, schreitet man zur Tat.

21 von 26 Kommunen im Landkreis sind mit von der Partie. Es gilt, den in Bedrängnis geratenen Insekten mit Blühflächen Nahrungsquellen und Nistmöglichkeiten zu schaffen. Drei bis fünf geeignete Flächen wählte jede Kommune dafür aus. Den Winter über planten das Institut für Vegetationskunde und Landschaftsökologie (IVL) und das Institut für Biodiversitätsinformation e. V. (IfBI) geeignete Maßnahmen. Aidhausen war nun die erste von vier Pilotgemeinden, in der die Fachplaner bei einem Ganztagesworkshop den Gemeindearbeitern und Teilnehmern aus Obst- und Gartenbauvereinen das nötigte Wissen vermittelten.

Kreisfachberater Johannes Bayer, der über das Projekt informierte, freute sich über die insgesamt 60 Anmeldungen zu den Workshops in Aidhausen, Breitbrunn, Ebern und Obertheres. Im Frühjahr sei es mit der Nahrung noch gut bestellt, doch ab dem Spätsommer sei für die Bienen nichts mehr zu finden, verdeutlichte er mit Fotos die schwierige Lage der Hautflügler. Doch Blühflächen seien nicht nur schön anzusehen und für die Insekten ein Gewinn. Richtig angelegt, sind sie eine nachhaltige und pflegeleichte Alternative zu ungenutzten Grünflächen. Diesen Aspekt begrüßte Bürgermeister Dieter Möhring. „Die Flächen müssen so gestaltet sein, dass die Bauhöfe die Pflege leisten können.“

Nährstoffarm und besonnt

Verkehrsinseln, Friedhöfe, Kindergärten und Schulen, Straßenränder – grundsätzlich könne fast jede Kleinfläche zur Blumenwiese werden, erläuterte Geograf Bernhard Reiser vom IVL. Möglichst nährstoffarm, besonnt, nicht intensiv genutzt und ohne Gehölze sollte die Fläche sein. Anschaulich erläuterte er, wie es gelingt, Rasen- und artenarme Wiesenflächen in artenreiche Blumenwiesen umzuwandeln.

Zunächst muss die Fläche gründlich vorbereitet werden. Damit es dauerhaft blüht, muss das Unkraut raus. Bei der sogenannten „Burri-Methode“ wird der Boden mehrmals gefräst und Aufwuchs und Rasensoden abgerecht. Nachkommendes Unkraut wird durch Fräsen und Abrechen bekämpft. Bei der Kombimethode schält man mit einem Bagger oder einem Rasensodenschneider die Rasensoden ab und füllt mit ungewaschenem Sand und einer dünnen Schicht gütegesichertem Kompost auf.

Zwischen Mitte April bis Mitte Juni kann die Wildblumenmischung, etwa die eigens hergestellte „Nr. 1a Blumenwiesen Haßberge“, ausgesät werden – vorzugsweise vor beginnender feuchter Witterung. Und aufgemerkt: Die Saat nie mit Erde bedecken, da die Samen Licht zum Keimen brauchen! Nachdem die Samen durch Walzen der Fläche gut mit der Erde verbunden sind, können Schafgarbe, Bibernelle, Wiesenknopf und Co. sprießen. Bleibt der Regen aus, sollte zur Gießkanne oder zum Wasserschlauch gegriffen werden.

Eine komfortable Alternative sind mit Jungpflanzen bestückte Wildblumenmatten, die auf den unbearbeiteten Boden ausgelegt werden. Bis die Wurzeln der Jungpflanzen eingewachsen sind, müssen die Matten ständig gut feucht gehalten werden. Das Unkraut unter dem Vlies stirbt ab. Wer auf diese bequeme Art das Unkraut bekämpfen will, muss etwas tiefer in die Tasche greifen.

Haben sich Mensch und Tier an der Blütenpracht erfreut, steht im Hochsommer oder im Herbst der erste Pflegeschnitt an, beschreibt Reiser. „Die Wiese muss kurzrasig, mit einer Schnitthöhe von sieben bis zehn Zentimetern, in den Winter gehen.“ Damit es aussamen kann, wird das Mähgut erst nach etwa drei Tagen abgeräumt.

Saatgut möglichst aus der Region

Neben dem Standort sollte man bei der Auswahl des Saatgutes auf heimische Arten und regionale Herkunft achten. Der Anteil an Gräser muss gering sein und Rot- und Weißklee haben darin nichts verloren.

Auch wie Magerwiesen, Säume und extensive Staudenpflanzungen neu angelegt werden, vermittelte Reiser den interessierten Teilnehmern.

Doch was nützt das beste Nahrungsangebot, wenn die Wildbienen keine Nistmöglichkeiten finden. Von den 560 in Deutschland lebenden Wildbienenarten seien zwei Drittel bedroht, informierte Biologin Ann-Kathrin Bröger vom IfBI in Ebern. Wildbienen seien teils hoch spezialisierte Einzelgänger. Jede von ihnen baut ein eigenes Nest mit fünf bis zehn Brutzellen. Drei Viertel der einheimischen Wildbienenarten sind Boden- oder Steilwandnister. Wie Nistmöglichkeiten beschaffen sein müssen, und vorhandene Strukturen genutzt und aufgewertet werden, zeigte Bröger anhand vieler Beispiele. Als Bestäuber von Wild- und Kulturpflanzen, wie Obstbäume, Beerensträucher und Gewächshauspflanzen seien die Wildbienen unverzichtbar, betonte die Biologin.

Mit reichlich Wissen ausgestattet, machte sich die Gruppe an ausgewählten Flächen in der Frankenstraße in Aidhausen ans Werk. Ob das Unkraut, allen voran die zählebige Quecke mit ihren weiten Ausläufern, wirklich gründlich entfernt wurde, wird sich bald zeigen. Bei den weiteren zwei geplanten Workshops im Sommer und Herbst steht die Pflege bei Blühwiesen im Vordergrund.

„Sehr informativ“, lautete das Urteil des Hofheimer Bauhofleiters Stephan Zuber zum Workshop. Klar, sei es viel Vorarbeit, bis eine Blühfläche angelegt ist. „Aber wenn wir dann nur noch zwei- bis dreimal im Jahr mähen müssen, anstatt wie bisher sechs- bis siebenmal, lohnt es sich auf jeden Fall.“

Was es alles zu beachten gilt, wenn man eine Blumenwiesen anlegen will, darüber informierte unter anderem Geograf Bernhard Reiser (links).
Foto: Gudrun Klopf | Was es alles zu beachten gilt, wenn man eine Blumenwiesen anlegen will, darüber informierte unter anderem Geograf Bernhard Reiser (links).
 
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