„Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“ Dieses Zitat aus dem Werk „Die geheimnisvolle Insel“ von Jules Verne stammt aus dem Jahre 1870 und ist dennoch aktueller denn je. Und nicht ganz zufällig illustriert dieser Spruch auch eine Präsentation von Norbert Zösch, Geschäftsführer der städtischen Betriebe Haßfurt, zum Projekt „Power-to-Gas“, an dem diese beteiligt sind.
Dafür wurde eigens eine neue Gesellschaft, die „Windgas Haßfurt GmbH & Co KG“ gegründet. Wichtigster Partner der städtischen Betriebe Haßfurt und auch finanziell beteiligt an „Windgas Haßfurt“ ist das Unternehmen Greenpeace Energy, mit dem die Haßfurter Energieversorger schon seit Jahren kooperieren, nicht zuletzt beim Bau des Windparks „Sailershäuser Wald“, der inzwischen mit seinen zehn Windrädern mit voller Leistung läuft. Übrigens: „Die zehn Windräder erzeugen mehr Strom als prognostiziert worden war“, freut sich Norbert Zösch. Und auch mehr als in Haßfurt verbraucht wird. Mit dem überschüssigen Strom wird der Landkreis versorgt und eben auch künftig „Power-to-Gas“ betrieben. „Das hat den Vorteil“, so Zösch, „dass wir uns in der Region selber versorgen können.“
Greenpeace Energy will zudem in einer Studie nachweisen, dass es möglich ist, über diese Kombination, wie sie in Haßfurt zum Einsatz kommt, künftig eine hundertprozentige Versorgung durch regenerative Energien zu bekommen – und zwar zum gleichen Preis wie beim bisherigen System.
Die Idee von „Power-to-Gas“ ist, Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff oder Methan umzuwandeln. Das „erneuerbare“ Gas kann anschließend für verschiedene Anwendungen genutzt werden. Bei Bedarf wird das Gas wieder in Strom umgewandelt. Dem Projekt zugrunde liegt die Tatsache, dass Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie immer wieder abgeschaltet werden müssen, weil zu manchen Zeiten – beispielsweise in der Nacht – weniger Strom benötigt als hergestellt wird. Dadurch können elektrische Leitungssysteme überlastet werden. Da Batterien als mögliche Speicher für den erzeugten Strom nicht in ausreichender Kapazität vorhanden sind, bietet sich das Projekt „Power-to-Gas“ auch als eine Art Zwischenspeicher an.
Dabei wird in einem sogenannten Elektrolyseur Strom aus erneuerbaren Energien – in Haßfurt hauptsächlich aus dem Windpark – dazu genutzt, um ganz normales Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Der erzeugte Wasserstoff kann dann mit einem Anteil von bis zu zwei Prozent in die Erdgasversorgung eingespeist werden. Möglich ist auch, zum Beispiel Wasserstoff in das in der Kläranlage entstehende Faulgas (besteht aus Methan und Kohlendioxid) einzuleiten und das darin enthaltene Kohlendioxid ebenfalls in Erdgas (Methan) umzuwandeln. So würde nahezu hundertprozentiges Erdgas entstehen, das dann ins örtliche Gasnetz eingespeist werden kann. „Dieses Gas müssen wir schon nicht mehr aus Russland beziehen“, schmunzelt Zösch.
Möglich wäre auch, die Wasserstofftankstelle an der Autobahnraststätte Geiselwind mit Wasserstoff zu beliefern. Die ersten damit betriebenen Serienfahrzeuge sind inzwischen auf dem deutschen Automobilmarkt erhältlich. In diesen Fahrzeugen wird der Prozess umgekehrt und aus Wasserstoff und Sauerstoff Strom erzeugt, wobei als Abfallprodukt Wasser entsteht.
In Deutschland gab es zum Stand August 2015 insgesamt 20 Forschungs- und Pilotanlagen, in denen das „Power-to-Gas“-Verfahren eingesetzt und weiterentwickelt wird. In Haßfurt soll die Anlage ihren Standort am Hafen haben und zwar in der Halle der ehemaligen Baustoffhandlung Menke. Dieses Anwesen hat das Stadtwerk schon vor Jahren erworben und die Halle bislang als Lagerhalle genutzt. Hier wird der Elektrolyseur eingebaut, daneben ein Tank, in dem der erzeugte Wasserstoff zwischengelagert wird. Die Einrichtung soll völlig geräuschlos laufen. Der bei der Elektrolyse entstehende Sauerstoff spielt beim ersten Schritt des Projektes noch keine Rolle.
Der Vertrag mit Greenpeace Energy läuft zunächst über fünf Jahre. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Greenpeace Energy danach die Anlage in Haßfurt abmontiert“, zeigt sich Geschäftsführer Norbert Zösch optimistisch. Zuversichtlich ist der Werkleiter auch, was die finanzielle Seite des Projektes angeht. Insgesamt soll die Anlage „unter zwei Millionen“, so Zösch, kosten. Die Finanzierung erfolgt über die Sparkasse Ostunterfranken. Nach den fünf Anfangsjahren rechnet Zösch mit einer „schwarzen Null, vielleicht bleibt auch was übrig, aber danach gehört uns die Anlage“. Möglich ist dies nur, weil Greenpeace Energy sich an dem Haßfurter Projekt beteiligt und außerdem mit technischem Knowhow den Haßfurtern unter die Arme greift. „Nur so ist von Anfang an ein wirtschaftlicher Betrieb möglich. Außerdem wollen wir möglichst schnell refinanzieren.“
In den ersten fünf Jahren wird das Haßfurter Projekt auch von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Schweinfurt wissenschaftlich begleitet. So hat einer der Schweinfurter Studenten die „Power-to-Gas“-Anlage in Haßfurt zum Gegenstand seiner Diplomarbeit gemacht.
Die Machbarkeitsstudie für das Haßfurter Projekt ist fertig, bis Dezember des vergangenen Jahres waren die Detailplanungen fertiggestellt. Zur Zeit läuft das Genehmigungsverfahren beim Landratsamt. Norbert Zösch rechnet damit, dass gegen März 2016 die Genehmigung erteilt wird und danach sofort der Bau beginnen kann. Mit der Inbetriebnahme rechnet der Boss der städtischen Betriebe mit Herbst 2016. Aus „Power-to-Gas“ wird dann „Power-to-Has“.
Wirkungsgrad
Bei der Elektrolyse werden etwa 80 Prozent der eingebrachten Energie in Wasserstoff umgesetzt, hier senken insbesondere Wärmeverluste den Wirkungsgrad. Die nachgeschaltete Methanisierung hat ebenfalls einen Nutzungsgrad von circa 80 Prozent, sofern die Abwärme mitgenutzt wird. Betrachtet man den Wirkungsgrad Strom-Gas-Strom, liegt dieser je nach Betriebsweise und Leistungsgröße bei etwa 40 Prozent und damit in der Größenordnung konventioneller Kraftwerke. Geschäftsführer Zösch relativiert jedoch die Bedeutung des Wirkungsgrades, denn die schlechtere Alternative wäre die Abschaltung des jeweiligen Stromerzeugers, also gar keine Stromgewinnung.