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KREIS HASSBERGE
Polizisten plötzlich attackiert: Bewährungsstrafe für Maurer
Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:53 Uhr

Der Heilige Abend des Jahres 2015 verlief für zwei Polizisten der Polizeiinspektion Haßfurt alles andere als friedlich. Gegen 3.30 Uhr wurden der damals 36-jährige Polizist und seine 39-jährige Kollegin zu einem Routine-Einsatz in eine Maintal-Gemeinde geschickt. Ein 39-Jähriger hörte in seiner Dachgeschosswohnung laut Musik. Darüber hatte sich eine Nachbarin bei der Polizei beschwert.

Als die Polizisten an der Haustür klingelten, öffnete der Vater des Musikfreunds. Dieser weigerte sich, seinem Sohn zu sagen, dass er die Musik leiser drehen soll. „Ich geh da nicht rauf. Der ist gefährlich“, meinte der Vater. Die Polizisten suchten den Musikliebhaber deshalb selbst auf. Als sie dessen unverschlossene Wohnungstür öffneten und der Polizist den Mann per Handzeichen aufforderte, die Musik leiser zu drehen, sollte sich herausstellen, dass der Vater Recht hatte. Der kräftig gebaute Maurer stand auf, ging mit geballten Fäusten auf die Beamten zu. Er sagte: „Raus aus meiner Wohnung“ und schlug unvermittelt mit beiden Fäusten auf die Köpfe der Polizisten ein.

Diese traten rückwärts den Rückzug an. Dabei stürzte die 39-Jährige, worauf der Täter ihr mit dem Fuß gegen den Kopf trat. Die Beamtin wurde jedoch nicht schwer getroffen. Sie stand auf und versuchte, ihrem Kollegen zu helfen. Im Treppenhaus schubste der Täter beide Polizisten die Steintreppe hinunter, wobei er selbst ins Straucheln geriet, hinterher flog und auf dem Knie der Beamtin landete. Den Polizisten gelang schließlich die Flucht. Sie fuhren ein Stück weit mit dem Streifenwagen weg, um Sanitäter zu Hilfe zu holen, die die verletzten Polizisten ins Haßfurter Krankenhaus brachten, wo sie ambulant behandelt wurden.

Der 36-jährige Polizist, dem der Täter nach eigener Aussage immer wieder auf das linke Auge schlug, erlitt zwei Platzwunden an der Nase und am Auge. Seine linke Gesichtshälfte war geschwollen und er hatte Schmerzen am Auge und im Rücken. Seine Kollegin hatte massive Schmerzen an Knie und Kopf. Beide waren drei Wochen krank geschrieben. Den Einsatz der Schusswaffe habe die 39-Jährige nach eigener Aussage nicht erwogen, „Wir wollten nur raus“ sagte sie im Zeugenstand.

Jetzt musste sich der zwölffach vorbestrafte Angeklagte am zweiten Verhandlungstag vor dem Haßfurter Amtsgericht verantworten. Mit seiner Freundin sei es nicht mehr so gelaufen, er habe deshalb nach fünf Jahren Abstinenz wieder einmal Alkohol getrunken – mindestens eine dreiviertel Flasche Rum. Zudem habe er zwei Wochen zuvor seine Psychopharmaka abgesetzt, hatte er bei der ersten Verhandlung im Oktober 2016 ausgesagt. Er sei erschrocken, als plötzlich Fremde in seinem Zimmer standen. An vieles könne er sich – wohl wegen der ermittelten 2,34 Promille im Blut – nicht mehr erinnern.

Als guten Mitarbeiter, der „normalerweise keiner Fliege etwas zu Leide tun kann“, beschrieb der Arbeitgeber des Maurers den Angeklagten. Probleme habe es nur gegeben, wenn der psychisch kranke Mann seine Tabletten nicht genommen hat. Er habe für ihn auch teilweise die Funktion eines Betreuers übernommen, indem er für ihn die Bankkarte verwahrte, damit er nicht sein ganzes Geld auf den Kopf haut. Nach der Tat wurde der Angeklagte in ein Bezirkskrankenhaus eingeliefert.

Rechtsanwalt Andre Kamphausen empfahl dem Gericht am ersten Verhandlungstag, die Schuldfähigkeit seines Mandanten zu überprüfen, da er zur Tatzeit durch Alkohol und fehlende Medikamente möglicherweise völlig enthemmt war. Das Gericht gab ein Gutachten in Auftrag, um die Schuldfähigkeit zu klären. Laut diesem war der Angeklagte wohl vermindert schuldfähig. Eine Schuldunfähigkeit schloss das Gutachten aus.

Anklagevertreter Ilker Özalp hielt dem Angeklagten sein Geständnis und seine Reue zugute. Ohne Tabletten und mit Alkohol in der Blutbahn sei der mittlerweile 42-Jährige eine „tickende Zeitbombe“. Bei Gewalt gegen Polizisten gebe es für ihn eine Nulltoleranzgrenze.

Özalp ging von einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten aus und forderte eine Bewährungsstrafe von 15 Monaten, die am „unteren Limit“ angesiedelt sei. Verteidiger Kamphausen verwies darauf, dass der Polizeieinsatz vergleichsweise glimpflich ausgegangen sei. Bei der bekannten Gefährlichkeit seines Mandanten hätten die Polizisten auch Reizgas bereithalten können – zu ihrer eigenen Sicherheit.

Der Angeklagte habe eine Alkoholentzugstherapie gemacht und sich bereit erklärt, seinen Opfern Schmerzensgeld zu zahlen. Zudem müsse er Verdienstausfall, Behandlungskosten und aufgelaufene Gerichtskosten aus Zivilverfahren zahlen. Bis jetzt habe seinem Mandanten der verhängnisvolle Abend bereits rund 15 000 Euro gekostet. Der Anwalt forderte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr.

Richterin Ilona Conver blieb im Urteil mit 13 Monaten auf Bewährung in der Mitte beider Anträge. Sie verurteilte die „brutale Vorgehensweise“ des Täters und verhängte wegen der positiven Sozialprognose nochmals eine Bewährungsstrafe. Als Auflage muss der Verurteilte den Verpflichtungen zum Schadensersatz nachkommen und darf auf der Arbeit nicht unentschuldigt fehlen.

 
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