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HOFHEIM/HASSFURT
Politiker mischen sich in Klinik-Debatte ein
Christa Henning aus Hofheim (rechts) unterschreibt auf einer Unterschriftenliste, mit der Hebamme Carola Lutsch (links) und deren Kolleginnen sich gegen die Schließung der Haßfurter Geburtshilfe wenden.
Foto: M. Mößlein | Christa Henning aus Hofheim (rechts) unterschreibt auf einer Unterschriftenliste, mit der Hebamme Carola Lutsch (links) und deren Kolleginnen sich gegen die Schließung der Haßfurter Geburtshilfe wenden.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:05 Uhr

Carola Lutsch steht am Freitagnachmittag keine zehn Minuten auf dem Hofheimer Marktplatz und hat sie fünf weitere Unterschriften beisammen, die sich gegen die drohende Schließung der Geburtshilfe am Haßfurter Krankenhaus wenden. Wie viele Unterschriften sie und ihre neun Kolleginnen gesammelt haben, weiß sie nicht genau. Doch es dürften Tausende sein, die sich dem Aufruf „Helft den Hassfurter Hebammen!!!“ angeschlossen haben, per Unterschriftenliste oder Online-Petition.

Das Thema bewegt die Menschen im Haßbergkreis seit Anfang der Woche. Auch mehr und mehr Politiker äußern sich öffentlich zur gefährdeten Zukunft der Entbindungsstation in Haßfurt. So hat am Freitag Landtagsabgeordneter Steffen Vogel (CSU) auf vier Seiten seine „persönliche Meinung“ zu Papier gebracht und per E-Mail an die lokalen Medien versandt.

Er betrachtet die engagierte Diskussion in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien als eine „Chance für die Zukunft der Geburtshilfe“. Nie zuvor sei so deutlich geworden, wie gut betreut und umsorgt sich Mütter fühlten, die in Haßfurt entbunden haben. Die Solidarität, die die Haßfurter Geburtshilfe derzeit erfährt, sei deren beste Werbung.

Vogel macht klar, dass die Zahl der Frauen, die in Haßfurt entbinden, wachsen muss, auf 450. Denn von den etwa 700 Kindern, die pro Jahr im Landkreis registriert werden, komme derzeit nur etwa jedes zweite Kind in Haßfurt zur Welt. Falls die Geburtenzahlen dort steigen sollten, so ist Vogel überzeugt, dann wäre „dem Landkreis und den Verwaltungsräten der Erhalt der Geburtsstation auch etwas wert“ – sprich: Dann würde der Landkreis auch (bis zu einer gewissen Grenze) ein Defizit ausgleichen.

Der Landtagsabgeordnete aus Obertheres zählt mehrere „konkrete Maßnahmen“ auf: Er fordert, die Geburtsstation nicht Ende 2016 zu schließen, sondern ihr eine Bestandsgarantie bis mindestens zum 31. Dezember 2017 zu geben. Die gute Arbeit der Station sollte besser und intensiver beworben werden und die Frauenärzte im Landkreis – inklusive derer am Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Haßfurt – sollten „dazu gebracht werden, gezielt nach Haßfurt einzuweisen“.

Mit den Hebammen und Mitarbeiterinnen des MVZ sollte es einen „intensiven Austausch“ geben, wo und wie Geld eingespart werden kann – wozu diese laut Vogel bereit seien. Die Kreisräte müssten bereit sein, für den Erhalt der Geburtshilfe Geld zu geben. Der Schlüssel für deren Fortbestand bleibe jedoch die (wieder) wachsende Bereitschaft werdender Mütter, in Haßfurt zu entbinden.

Der Kreisverband der Grünen kündigte am Freitag einen Antrag an, der zum Ziel hat, die Entscheidung über die Sparmaßnahmen an den Haßberg-Kliniken vom Verwaltungsrat an den Kreistag zu übergeben, „weil die Tragweite dieser Entscheidung so gewaltig“ sei. Zur Diskussion – die, so fordern es die Grünen, öffentlich geführt werden sollte – brauche es mehr Zeit als die vier Wochen, die der Verwaltungsrat hat.

Angesichts der großen Unterstützung der Hebammen müsse die Kommunalpolitik die angedachte Schließung „nochmals auf den Prüfstand stellen“, fordert Grünen-Kreisrat Matthias Lewin. Während die anderen Abteilungen der Haßberg-Kliniken „nicht den besten Ruf genießen“, gelte dies nicht für die Geburtshilfe, stellen die Grünen in ihrer Pressemitteilung fest.

Das Angebot der Klinikleitung, die zehn angestellten Hebammen als Pflegekräfte zu übernehmen, komme einer Umwandlung von Fachkräften in Hilfsarbeiter gleich, schreiben die Grünen weiter.

Während sich die Stimmen zur Rettung der Haßfurter Geburtshilfe beinahe überschlagen, hat der geplante Abzug der 25 Belegbetten vom Hofheimer Krankenhaus nach Haßfurt bislang wenig öffentlichen Wirbel verursacht.

Jürgen Sieber, stellvertretender Vorsitzender des Förderkreises zur Unterstützung des Hofheimer Krankenhauses (FUKS), kündigt im Gespräch mit dieser Redaktion allerdings Aktionen für die Zeit nach Pfingsten an. Zunächst setze man noch auf Gespräche.

Dr. Sabine Leucht vom Internistischen Zentrum Hofheim (IZH), das die Belegabteilung am Hofheimer Krankenhaus unabhängig von dessen Praxis im selben Haus betreut, macht in der laufenden Diskussion nochmals mit ihren Kollegen deutlich, dass die komplette Belegabteilung für die Haßberg-Kliniken kostenneutral laufe.

Die Zahl aus dem Jahr 2015 von durchschnittlich 16 Patienten pro Tag, die der Klinik-Vorstand als zu niedrig ansieht, verzerre die wirkliche Situation, so Leucht, die sich auch dagegen wendet, die Sparvorschläge aus dem Gutachten, das der Strukturreform zugrunde liegt, haargenau umzusetzen. Denn dieses spiegle die örtlichen Verhältnisse und Bedürfnisse nur unzureichend.

Einerseits sei ein Belegkrankenhaus mit teils zehn Zugängen und Entlassungen pro Tag und auch mal nur sechs bis acht Patienten am Wochenende (an diesem Wochenende seien es 22) nicht mit den Statistiken anderer Häuser ohne Belegbetten vergleichbar. Andererseits sei in Hofheim vergangenes Jahr drei Monate lang ohne ärztliches Assistenzpersonal nur eingeschränkt gearbeitet worden, was die Jahreswerte nach unten drücke. In den Jahren zuvor sei die Belegabteilung nie unterbelegt gewesen, erklärt Leucht. „Die Belegabteilung ist langfristig gut aufgestellt“, sagt sie.

Im Vergleich zu den anderen Häusern der Haßberg-Kliniken erwirtschaftet das Hofheimer Krankenhaus „definitiv kein nennenswertes Defizit“, sagt die Ärztin, die sich wünscht, dass wirtschaftliche Daten des Kommunalunternehmens wenigstens den von der Strukturreform betroffenen Ärzten zur Verfügung gestellt werden. Stattdessen sei ihnen ein vom Verwaltungsrat ausdiskutiertes Vorhaben vorgesetzt worden. Leucht: Die Haßberg-Kliniken sollten dort sparen, wo die Geldsorgen herkommen.

Zur Verlegung der Belegbetten von Hofheim nach Haßfurt meinen FUKS-Vorsitzender Dr. Alfred Hahn und sein Stellvertreter Sieber, dass nicht einmal die Hälfte der zur Füllung der Betten notwendigen Patienten mit nach Haßfurt umziehen werden, sondern in andere Kliniken abwandern.

Sollte das Hofheimer Krankenhaus die Belegbetten verlieren, so hätte dies auf die Arbeit der Ambulanzpraxis des IZH keine Auswirkungen. Diese würde uneingeschränkt weiterarbeiten, beruhigt Leucht. „Dies muss ich derzeit Patienten von uns ungefähr 50 Mal pro Tag am Telefon erklären.“

 
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  • fam_schaefer@hotmail.com
    So sind die Politiker, wo hat Fr. Bär Dorothea oder eine Fr. Vogel ihre Kinder zur Welt gebracht, in Haßfurt ???
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