
„Wir kennen inzwischen mehr Automarken als Tier- und Pflanzenarten. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, etwas dagegen zu tun und Lebensräume zu retten, die noch vorhanden sind. Der Truppenübungsplatz ist inzwischen zu einem Platz der biologischen Vielfalt geworden.“ Dies betonte der Ehrenvorsitzende des Bund Naturschutz, Prof. Dr. Hubert Weiger, bei der Festveranstaltung zur Verleihung der Auszeichnung als UN-Dekade-Projekt unter dem Titel „FFH-Gebiet Ebern: Schauplatz der Biodiversität, Forschungs- und Lernort“.
In der „Frauengrundhalle“ wurden dabei die landesweit einmalige Erfassungsleistung und das umfassende Biodiversitätswissen durch den Vizepräsidenten der Münchner Entomologischen Gesellschaft, Hans Mühle, gewürdigt. Dabei ging er eingangs auf die Menschen ein, die an diesem „Mammutprojekt“ beteiligt waren, aber auch auf die, die dem skeptisch gegenüberstehen. Klaus Mandery verstehe es dabei, Leute einzufangen und sich tiefer in die Natur einzugraben. Den Löwenanteil bildeten dabei die Insekten. "Manches ist aber auch noch nicht genügend erforscht, weil es keine Spezialisten gibt. Diejenigen, die Artenbestimmungen vornehmen, fallen nämlich nicht vom Himmel", sagte Mühle. So gebe es allein 6000 Käfer in Mitteleuropa und wenn man zwei Tage auf dem Feld verbringe, koste das noch im Nachgang mehrere Wochen an Arbeit. „Dazu kommt, dass die Spezialisten im Schnitt im Rentenalter sind. Sie gehören damit auf die rote Liste und sind damit eine aussterbende Art.“
Mühle stellte auch fest: „Der Artenschwund ist in freiem Fall, und wir können für viele Lebewesen nicht garantieren, dass etwas übrig bleibt. Deswegen ist es umso wichtiger, dass der Status quo erfasst wird.“ Man habe zwar eine gute Vorgabe von der EU durch die FFH-Richtlinie, aber es helfe nichts, wenn man die Arten unter Schutz stelle und ihnen trotzdem die Lebensgrundlagen nehme.

BN-Ehrenvorsitzender Weiger maß der Auszeichnung als UN-Dekade eine besondere Bedeutung zu, da es neben der Erkenntnis einer Klimakrise, die unsere zentralen Lebensgrundlagen gefährde, noch die größere Krise des Verlustes der Biodiversität gebe. „Die Biodiversität ist im öffentlichen Bewusstsein noch nicht angekommen und es ist deswegen notwendig, Initiativen zu starten, die den Verlust reduzieren oder stoppen.“ Man sei nämlich weltweit mit einer rasanten Beschleunigung des Artenverlustes konfrontiert und dies vor allem durch Eingriffe von Menschen in die Lebensräume.
Bauern in ihrer Existenz bedroht
Dabei kritisierte er die Steigerung der Produktion in der Agrarpolitik. „Wir erzeugen mehr Lebensmittel als wir selbst benötigen und besorgen uns dazu das Futtermittel aus anderen Lebensräumen und Ländern. Damit exportieren wir dann veredelte Produkte.“ Inzwischen sei man der drittgrößte Exporteur von Fleisch und einer der größten Futtermittelimporteure, vor allem aus Brasilien und Argentinien. Die Bauern hätten schon jetzt riesige Probleme mit der Frage: „Wohin mit den Tieren?“
Die Produktionssteigerung sei zwar hervorragend für die Erzeugung, aber die Natur leide massiv darunter. Die bäuerliche Landwirtschaft konkurriere mit 1000 bis 4000 Hektarbetrieben im Osten, bis zu 50 000 Hektarbetrieben in der Ukraine oder gar Betrieben mit einer Größe von 100 000 Hektar weltweit. Damit könnte es geschehen, dass auch die Bauern bald in ihrer Existenz bedroht seien.
Die Stadt Ebern hat nach den Worten Weigers eine große Leistung vollbracht, die große Fläche des Kasernengeländes zu kaufen. Man müsse aber auch den Hut ziehen vor Klaus Mandery und der Ortsgruppe des BN, ein Signal zu setzen und durchzuhalten. „Es ist eine Freude, dass es gelungen ist, hier eine positive Entwicklung zu erreichen.“ Auf dem Standort gebe es nun 8000 Artennachweise und das sei ein hervorragendes Ergebnis. Weiger sprach auch den Wunsch aus, dass es noch gelingen möge, in Ebern ein Biodiversitätszentrum zu schaffen.

„Die Nachhaltigkeit in Ebern haben wir uns auf die Fahne geschrieben und wir haben ja auch schon Auszeichnungen für zwei herausragende Projekte erhalten“, betonte Bürgermeister Jürgen Hennemann. Er erinnerte dabei an eine Umweltaktion des Gymnasiums mit Garten in Zusammenarbeit mit dem IfBI (Institut für Biodiversitätsforschung) in Ebern und an den Erlebnisrundgang „Rosi“ mit dem Bund Naturschutz. Man sei froh, dass es das IfBI gebe, mit dem man quasi auch zu einem kleinen Hochschulstandort geworden sei. Klaus Mandery habe das Gelände zu einem bestens erfassten Gebiet gemacht. Es fehle aber noch das Handeln anderer Menschen und da seien die Kommunen gefordert.

Ebern sei im Jahre 2018 schon als „Marktplatz der biologischen Vielfalt“ ausgewählt worden und man habe eine Biodiversitätsstrategie mit 37 Ansätzen zur Förderung der Artenvielfalt aufgestellt. Die UN-Dekade sei jetzt eine Würdigung für Projekte und die habe sich das IfBI sehr verdient und die Stadt biete weiterhin ihre Unterstützung an.
Biodiversitätszentrum als Fernziel
Mit Bedauern stellte der Bürgermeister fest, dass die Stadt bei dem Projekt „Naturparkzentrum für den Naturpark Haßberge“ keine Berücksichtigung gefunden habe. „Wir wollten uns mit Sach- und Fachwissen einbringen, was aber anscheinend nicht überzeugt hat. Man wollte nicht in eine ehemalige Kaserne einziehen.“ Auf der anderen Seite brauche man in Ebern eine Anlaufstelle. Hier brachte er ein Biodiversitätszentrum ins Gespräch, für das er für jegliche Unterstützung dankbar wäre. Der Bürgermeister gratulierte Mandery zur Auszeichnung und überreichte ihm die Urkunde für das IfBI.

Mandery betonte, dass man schon etwas bewegen könne. Eine Vernetzung in der Agrarlandschaft sei ein Mittel, um einem Biodiversitätsverlust entgegenzuwirken. Auf seiner Liste stünden 350 Personen, die im Gelände Lebewesen und Daten erfassen.
Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2011 bis 2020 zur UN-Dekade für die biologische Vielfalt erklärt. In diesem Wettbewerb sollten gute Beispiele als Vorbilder dienen und so wurde das IfBI-Gesamtprojekt Ebern ausgewählt, weil es zum Schutz von Insekten beiträgt, ihre Lebensbedingungen verbessert und Wissen über die Arten und ihre Bedeutung für die Ökosysteme vermittelt.


