zurück
FRIESENHAUSEN
„Paradies“ kehrt an seine Wurzeln zurück
Als Statisten und für kleinere Rollen im Film „Paradies” wurden Bewohner von Friesenhausen ausgewählt.
Foto: Dieter Wittmann | Als Statisten und für kleinere Rollen im Film „Paradies” wurden Bewohner von Friesenhausen ausgewählt.
Gudrun Klopf
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:50 Uhr

Dreharbeiten zu einem Film sind eine zugleich spannende und hochkonzentrierte Angelegenheit. Dies konnten vor zwei Jahren Einwohner aus Friesenhausen hautnah miterleben. Auf der Suche nach geeigneten Drehorten für den Kinofilm „Paradies“ stieß Co-Regisseur Stanislav Güntner 2016 auf die Schlösser in Friesenhausen und Burgpreppach. Die historischen Gebäude erschienen wie geschaffen für einzelne Szenen der deutsch-russischen Koproduktion „Paradies“ des russischen Regie-Altmeisters Andrei Konchalovsky.

Christa Lampert, die gegenüber dem Friesenhäuser Schloss wohnt, war Feuer und Flamme, als für den Dreh Statisten gesucht wurden. „Es hat mich sehr interessiert, wie Dreharbeiten ablaufen, und wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, selbst dabeizusein.“ Beim Casting habe man einfach drauflos reden sollen: Warum man beim Film mitmachen wolle, ob man schon Bühnenerfahrung habe. Allerdings seien die Meldungen beim ersten Casting nur sehr zaghaft gekommen. Kurzerhand setzte sich Christa Lampert aufs Fahrrad und bewegte Freunde und Bekannte im Dorf zum Mitmachen. Ihre Aktion hatte Erfolg.

Der Schlossherr spielt mit

Zum zweiten Castingtermin wagten sich gut 20 potenzielle Statisten ins Schloss vor die Kamera. „Zum Inhalt des Filmes wussten wir nur, dass es sich um ein Drama handelt, das während der Nazizeit spielt“, erinnert sich Lampert. Nach etwa zwei Wochen kam der Bescheid, wer von den Bewerbern im Film mitwirken durfte. „Ich bekam die Rolle einer Haushälterin, Schlossherr Johann-Friedrich von Eichborn sollte einen alten Mann im Rollstuhl spielen.“ Dann hieß es Maß nehmen, damit die Statisten entsprechend eingekleidet werden konnten.

Christa Lampert erklärte sich bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. „Die Liste habe ich nach Russland geschickt, wo die Kleider aus einem Depot zusammengestellt und nach den aufgenommenen Maßen geändert wurden.“ Schließlich war es soweit: Die Filmcrew rückte zum Drehen an. Vier der Crewmitglieder waren bei Christa Lampert untergebracht. Zwei intensive Drehtage standen allen bevor.

Alles auf den Punkt genau

„Wahnsinn, was für ein Aufwand“, ist Christa Lampert noch immer erstaunt. „Jeder zupft an dir herum, Maskenbildner, Frisör, Schneider.“ Wenn es dann heißt „Go!“ muss alles auf den Punkt genau kommen. Wieder und wieder wurden einzelne Szenen gedreht, bis der Regisseur schließlich zufrieden war. „Wenn die Szene endlich im Kasten war, brachen alle in Jubel aus.“

Andrei Konchalovskys Film „Paradies“ erzählt von drei Schicksalen während der NS-Zeit. Das Schwarz-Weiß-Drama ist eine vielschichtige Parabel über den Zweiten Weltkrieg und über menschliche Abgründe. Der mehrfach prämierte Film erhielt unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Films.

„Ich habe noch nie einen Film gesehen, der dieses Thema auf solche Art beleuchtet“
Christa Lampert, Statistin

Für die ästhetisch beeindruckende und eigenwillige Inszenierung wurde Konchalovsky bei den 73. Filmfestspielen von Venedig mit dem Silbernen Löwen als bester Regisseur ausgezeichnet.

„Leider wurde der Film nur in etwa 40 ausgewählten Kinos gezeigt“, bedauert Christian Wittmann. Also setzte der Vorsitzende des ortsansässigen Vereins „Besser gemeinsam leben“ alles daran, den Film nach Friesenhausen zu holen. Zumal eine der vielfältigen Aufgaben des Vereins in der Förderung kultureller Zwecke liegt. „Der Film ist von ganz anderer Machart als sonst die Filme über Nazideutschland“, schildert Wittmann, der ihn bereits in München gesehen hat. Auch Christa Lampert bestätigt, der Film sei absolut sehenswert: „Ich habe noch nie einen Film gesehen, der dieses Thema auf solche Art beleuchtet.“

Zahlreiche Veranstaltungen

Aus der ursprünglichen Idee, den Film vor Ort zu zeigen, ist das Projekt „Jüdische Lebenswege – Spurensuche zwischen Main und Haßbergen“ geworden, das neben der Filmvorführung Vorträge und Führungen bietet. Eröffnet wird die Veranstaltung am Freitag, 5. Oktober, um 19.00 Uhr im Schloss Friesenhausen von Dr. Rotraud Ries vom Johanna-Stahl-Zentrum in Würzburg. Im Anschluss daran zeigt gegen 19.30 Uhr Bruno Schneyer vom Zeiler Kino den Film „Paradies“. Am Samstag, 6. Oktober, öffnet ab 14 Uhr das Schloss Burgpreppach, das ebenfalls Drehort war, seine Türen. Maria Bräuer gewährt in Vorträgen Einblick in jüdische Bräuche und in das jüdische Alltagsleben. Im ersten Stock informiert Monica von Deuster mit einer Ausstellung über jüdisches Leben in Burgpreppach. Ergänzt wird das Programm mit Klezmermusik vom Duo Bernhard von der Goltz und Rainer Schwander. Um 17 Uhr startet die Filmvorführung von „Paradies“. Besichtigungen und Führungen in der Synagoge Memmelsdorf und im Museum „Jüdische Lebenswege“ in Kleinsteinach werden am Sonntag, 7. Oktober ab 13 Uhr angeboten. Auch das Museum in der ehemaligen Synagoge in Maßbach lädt Samstag und Sonntag jeweils ab 13 Uhr zur Besichtigung ein.

Einzelne Szenen für den Film „Paradies” wurden im Schloss Friesenhausen gedreht. Schlossherr Johann-Friedrich von Eichborn ist in der Rolle eines behinderten alten Mannes zu sehen.
Foto: Dieter Wittmann | Einzelne Szenen für den Film „Paradies” wurden im Schloss Friesenhausen gedreht. Schlossherr Johann-Friedrich von Eichborn ist in der Rolle eines behinderten alten Mannes zu sehen.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Friesenhausen
Gudrun Klopf
Das dritte Reich
Dreharbeiten
Eichborn
Friedenspreise
Internationale Filmfestspiele von Venedig
Johann Friedrich
Museen und Galerien
Regisseure
Schloss Burgpreppach
Synagogen
Szenen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top