Es war einmal ein Frauenschuh . . . Nein, nicht der goldene Pantoffel von Aschenputtel, gemeint ist die Pflanze der Gattung Cypripedium aus der Familie der Orchideen, die Hans-Joachim Heidolf von einer Bekannten geschenkt bekam. Nachdem die erste Blüte verblüht war, hatte die Pflanze keine neue mehr angesetzt. Heidolf nahm sie mit ins Büro, wo er sich wachsam um das Gewächs kümmerte. Nach einem Jahr wurde seine Pflege mit einer prächtigen Blüte belohnt, deren dicke Lippe stark an die Form eines Frauenschuhes erinnerte. Dies war der Beginn einer großen Leidenschaft. Das neu erwachte Interesse an den Orchideengewächsen führt das Ehepaar zunächst in die Orchideenzucht nach Löffelsterz, später entdeckte es das weite Feld der Orchideenausstellungen. Lachend erinnert sich Heidolf an eine Ausstellung in Würzburg, bei der seine Frau Rosalinde Orchideen kaufen wollte. „Der Händler fragte, ob wir ein Treibhaus oder einen Wintergarten hätten, was wir damals natürlich nicht besaßen. Mit der Bemerkung 'Vergesst es!' wandte er sich kopfschüttelnd von uns ab.“ Doch so schnell ließ sich das Paar den Wind nicht aus den Segeln nehmen. Aus alten Fenstern bauen sie ein Treibhaus, kurz drauf erwerben sie das erste Gewächshaus. Voller Enthusiasmus taucht Heidolf in die Welt der Orchidaceae, der Orchideengewächse ein. Kaum eine andere Pflanzenfamilie ist so reich an Farben und Formen – circa 1000 Gattungen mit rund 30 000 Arten unterscheiden Botaniker. Es folgt eine Zeit der Versuche, Irrtümer und Erkenntnisse. Der Orchideenfan baut Vitrinen mit Beleuchtung für seine Pflanzen, nebelt sie mit einem Ultraschallzerstäuber ein, versucht es mit automatischer Bewässerung. „Dann begann er, über jede Pflanze genau Buch zu führen“, erinnert sich Rosalinde Heidolf. Auf Karteikarten notiert er unter anderem, wann wie viel gegossen und gedüngt wurde und wann welche Pflanze blüht. „Ich habe sogar an den Töpfen Markierungen angebracht, damit ich immer genau sehen konnte, wie die Pflanzen standen“, erinnert sich der Ehemann, denn heute weiß er: „Die Bedingungen zu kennen, unter denen die Pflanze in ihrer Heimat aufwächst, ist das A & O.“ „Wie ist das Wetter zu den verschiedenen Jahreszeiten? Wächst die Orchidee an einem Bach, im Schatten oder in der Sonne?“ Sein Wissen bezieht Heidolf aus dem Internet und seiner stetig gewachsenen Büchersammlung. „Es gibt kaum ein Buch über Orchideen, das ich nicht habe. Die meisten Orchideen werden zu Tode gepflegt“, vermutet der Kenner. „Meine Frau macht das auch so: Sie dreht die Töpfe zu oft und gießt im Übermaß.“ Doch ihr eigentliches Reich ist ja nicht das Gewächshaus, sondern der große Blumen- und Sträuchergarten, der das Haus umgibt. Als es den Pflanzensammlern mit ihren Schützlingen in und um ihrem Mietshaus herum zu eng wird, begeben sie sich in den 90er Jahren auf die Suche nach einem eigenen Haus. Doch meist scheitert der Kauf am mangelnden Platz für ein Treibhaus oder aber das Grundstück ist von hohen Bäumen umgeben, die zu wenig Licht in den Garten lassen. Schließlich entschließen sie sich, selbst zu bauen, finden auf einer Anhöhe in Haßfurt ein Grundstück in Traumlage.
„Das Treibhaus stand früher als das Haus und noch bevor das Haus bezugsfertig war, hatte ich den Garten schon bepflanzt“, entsinnt sich die Gärtnerin. Die Heidolfs haben das Anwesen in ein blühendes Paradies verwandelt. „Meine Frau braucht nach dem Frühstück mindesten zwei Stunden, bis sie alle Pflanzen angeschaut hat“, verrät Heidolf. Wenn Rosalinde Heidolf Gefallen an einer Blume gefunden hat, dann sammelt sie sie in vielen Farben und Ausprägungen, informiert sich über Pflege und Wachstumsbedingungen und versucht sich an deren Vermehrung. Zurzeit haben es ihr die Helleborus orientalis, auch bekannt als Lenzrosen, angetan. Im Gegensatz zu ihren Verwandten, den Christrosen blühen sie nicht im Winter sondern im Frühjahr. Gerüscht, geädert, gefüllt, getupft oder gesprenkelt, in weiß, rosa, violett oder fast schwarz: Die Sammlerin hat jede Blüte fotografiert und zeigt auf dem Laptop wie viele Arten im Frühling in ihrem Garten blühten. Dem botanisch ungebildeten Besucher schwirrt der Kopf: Ohne zu Stocken fließen den Heidolfs botanischen Namen über die Lippen, die der Laie nur mühsam stotternd herausbringen würde.
Zwischenzeitlich bauten die Pflanzenfans einen Wintergarten, in dem die besonderen Raritäten der Orchideensammlung Platz finden: Cirrhopedalum, Cattleya, Coelogyne cristata, Phajus, Eulophia – die exotischen Juwele überbieten sich gegenseitig an Eleganz und bizzarer Schönheit. Wohin der Besucher seine Blicke schleifen lässt: überall hängen oder stehen Pflanzen. Freunde, Verwandte und Bekannte werden mit Ablegern und Setzlingen versorgt.
Hans-Joachim Heidolf, passionierter Orchideen-Züchter
Und wenn der Platz in den Gewächshäusern aus den Fugen gerät, verkaufen die rührigen Gärtner ihre Schätze auf Pflanzenbörsen. „Da kann man sich den ganzen Tag mit Gleichgesinnten unterhalten“, begeistern sie sich. Im Urlaub waren die Heidolfs seit dem Bezug ihres Hauses im Jahre 1996 nicht mehr. „Die Pflege der Pflanzen kann man niemandem zumuten“, sagen sie. Aber sie fahren zu Orchideen- und Pflanzenausstellungen nach Würzburg, Berlin oder München, „und mindestens einmal in der Woche schauen wir in den Bau- und Gartenmärkten der Umgebung, was es Neues an Pflanzen gibt“, fügt Hans-Joachim Heidolf schmunzelnd hinzu.
Naht der Winter, werden die frostempfindlichen Gewächse nach und nach in den großen Keller geschafft, wo sie bis unter die Decke gestapelt auf die nächste Freiluftsaison warten. Hans-Joachim und Roslinde Heidolf warten momentan auch, und zwar voller Spannung. Die Stanhopea hat eine Blüte angesetzt. „20 Jahre besitzen wir diese Orchidee nun schon. In dieser Zeit hatte sie dreimal eine Knospe, die immer kurz vor dem Öffnen über Nacht schwarz wurde.“ Nach einem Besuch bei dem faszinierenden, pflanzenliebenden Ehepaar kommt man nicht drum herum ihm feste die Daumen zu drücken, dass es dieses Mal klappt . . .