
Ein Olympiasieger in Westheim. Man könnte nicht sagen, dass so etwas alltäglich ist. Es wird aber künftig vielleicht öfter der Fall sein. Armin Zöggeler und seine Tochter Nina weilen derzeit bei Franz-Josef Zeiß in der gleichnamigen Reha-Klinik in dem Knetzgauer Gemeindeteil. Der Südtiroler ist derzeit Sportdirektor der italienischen Rodel-Nationalmannschaft. Einem breiten sportbegeisterten Publikum in Deutschland wird Zöggeler aber eher bekannt sein als der ewige und hartnäckige Widerpart vom berühmten Hackl Schorsch, dem legendären deutschen Rennrodler.
Zöggeler, der am 4. Januar seinen 44. Geburtstag feierte, ist eigentlich auf der Durchreise. Am vergangenen Wochenende hatten die Rodler ein Weltcuprennen am Königssee, am nächsten in Oberhof. Dazwischen liegt Westheim. Es ist aber kein Zufall, dass der Rekordrodler ausgerechnet hier Station macht. Vielmehr kennt er Franz-Josef Zeiß aus dessen Praxis in Südtirol. Die Begegnung der beiden erfolgte damals mehr zufällig. „Ich hatte damals persönlich eine schwierige Zeit“, erzählt Zöggeler. „Wegen zu starker Schmerzen hatte ich die Teilnahme an der Weltmeisterschaft ausgelassen. Franz-Josef half mir damals wirklich weiter. Ich konnte mich schmerzfrei auf die Olympischen Spiele 2014 vorbereiten und dort eine Medaille erringen.“
Das hat den Ehrenbürger seines Heimatortes Cesena so stark beeindruckt, dass er auch heute noch gerne die Dienste des Therapeuten aus Westheim in Anspruch nimmt. „Er betreut einzelne Mitglieder unserer Nationalmannschaft. Bei speziellen Fällen kontaktiere ich ihn und er leitet dann meine Physiotherapeuten bei der Nationalmannschaft an, wie sie die Sportler behandeln müssen.“
Diesmal hat Zöggeler seine Tochter Nina mitgebracht. Sie wird nach ihrer Wiederherstellung – „keine große Sache“, so Zeiß – allerdings nicht nach Oberhof, sondern nach Innsbruck zum Junioren-Weltcup reisen.
Ehe Armin Zöggeler zum Sportdirektor der Italiener wurde, war ihm eine lange und erfolgreiche Laufbahn als Athlet vergönnt. Mit dem Hackl Schorsch verband ihn immer „eine gesunde Rivalität. Wir haben uns immer gegenseitig gepusht. Mein Ziel war immer, den Hackl Schorsch zu schlagen,“ und oft genug ist es ihm auch gelungen in die damalige deutsche Phalanx einzubrechen.
Auch heute sieht Zöggeler die deutschen Rodler „sehr dominant“, obwohl letztes Wochenende am Königssee ein Österreicher habe aufhorchen lassen. Aus dem italienischen Team erzielten in diesem Winter die Cousins Kevin und Dominik Fischnaller durchaus gute Resultate. „Ich erwarte mir, dass die Kurve zu den Olympischen Spielen nach oben geht“, gibt sich Zöggeler optimistisch. „Eine Olympia-Medaille wäre schon top.“ Er war aber immer schon zielstrebig und ehrgeizig, deshalb „ist es nicht falsch, das vorzugeben“. Die XXIII. Olympischen Winterspiele finden vom 9. bis 25. Februar 2018 in der südkoreanischen Stadt Pyeongchang statt.
Persönlich spürt Zöggeler kurz vor diesem Höhepunkt den Druck wieder enorm. „Vor den Olympischen Spielen ist sehr viel los. Ich muss mich darum kümmern, das alles passt. Ich schlafe auch wenig. Aber ich versuche wenigstens zweimal in der Woche, mich fitzuhalten. Das brauche ich auch, um meine Entscheidungen zu treffen.“ Zwar spürte er auch als Athlet schon einen enormen Druck, „aber der war anders. Damals wollte ich nur selbst gewinnen. Jetzt habe ich die Verantwortung vor der Nation. Der Druck ist größer geworden“.
Trotz der Belastungen schwärmt Zöggeler von seiner sportlichen Karriere. „Es ist einmalig, was man als Athlet und auch als Sportdirektor erleben und mitnehmen kann. Du darfst halt nicht mit Scheuklappen durchs Leben gehen.“
Aber warum landete Armin Zöggeler ausgerechnet auf einem Rennrodel, statt wie viele andere Wintersportler auf Brettern ins Tal zu rasen? „Ich hatte keine Piste bei meinem Dorf.“ So einfach ist das. Vielmehr gab es in seiner Heimatgemeinde einen Rodelclub. „Das hat mir gefallen. Ich wollte auch den Großen nacheifern“, was ihm mit dem Gewinn der Juniorenweltmeisterschaft im zarten Alter von 14 Jahren recht schnell gelang. „Von außen sieht man die Arbeit nicht, die hinter einem solchen Erfolg steckt“, so der Südtiroler, der bis zu seinem 14. Lebensjahr – im Gegensatz zu deutschen Rodlern – nur auf Natureisbahnen unterwegs war. „Ich glaube nicht, dass das ein Nachteil war“, vergleicht Zöggeler diesen Umstand mit einem Straßenfußballer, der seinen Sport von der Pike auf beherrschen lernt. „Es war ganz normal, weg von zu Hause und bei den Bahnen zu sein.“ Zöggeler war in dieser Zeit oft in Oberhof, in Lettland – „Ich habe alle Bahnen kennengelernt.“
Und er steht noch immer gerne auf der Bahn, heute aber um die Sportler zu korrigieren. „Im Winter bin ich immer dabei. Meine Nähe bekommt den Athleten“, lächelt er. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn fiel der Rekordrodler keineswegs in ein Loch. „Man muss sich bewusst sein als Sportler, das kann nicht ewig dauern. Ich hatte das Glück, dass ich lange gefahren bin, eine lange Karriere hatte.“ Außerdem hatte er sich vorgegeben, dass er bei seiner sechsten Olympiateilnahme seinen letzten Einsatz haben würde. „Dabei habe ich meine sechste Olympiamedaille geholt und abgeschlossen. Man muss sehen, dass man selber den Schlussstrich zieht, nicht dass ein anderer für einen diese Entscheidung trifft.“
Offiziell ist Armin Zöggeler Maresciallo (Stabsfeldwebel, die Red.) der Carabinieri. Wirklich ausgeübt hat er diese Tätigkeit aber genauso wenig wie deutsche Rodler, die der Sportkompanie der Bundeswehr angehören, bei der Polizei oder anderen Behörden beschäftigt sind. „Da bin ich nur zu repräsentativen Zwecken gefragt“, schmunzelt Zöggeler. Dann auch im schmucken dienstlichen Ornat. Derzeit ist er aber Sportdirektor der Rodler, weil der italienische Rodlerverband FISI bei den Carabinieri „angefordert“ hat.
Zöggeler erhielt den Verdienstorden der Italienischen Republik, 2010 wurde er zum achten Mal zum Südtiroler Sportler des Jahres gewählt. Am Rande der WM 2011 in Cesana wurde Zöggeler zum Ehrenbürger des Ortes ernannt. 2011 wählte ihn die La Gazzetta dello Sport zu Italiens Sportler des Jahres. Zöggeler lebt in seinem Heimatort Völlan im Burggrafenamt und hat zwei Kinder, Thomas und Nina.
Im Landkreis Haßberge weilt er zum ersten Mal, obwohl Franz-Josef Zeiß ihn schon mehrfach eingeladen hatte. Aber wenn der gewaltige Druck der Olympischen Spiele nicht mehr auf ihm lastet, so verspricht er hoch und heilig, wird er öfter kommen. Er trinkt zwar als Sportler nur sehr selten ein Glas Wein, aber „bei einem besonderen Event doch ganz gerne“. Er könnte sich deshalb durchaus vorstellen, bei einem der gemütlichen Weinfeste in Haßgau, Maintal, Steigerwald sich einmal einen ausgezeichneten fränkischen Tropfen munden zu lassen.
Armin Zöggeler – Weltmeister und Olympiasieger
Armin Zöggeler wurde am 4. Januar 1974 in Meran geboren. Er ist zweifacher Olympiasieger und sechsfacher Weltmeister im Einsitzer. Er wurde mit 14 Jahren Junioren-Weltmeister und als Aktiver bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City und 2006 in Turin jeweils Olympiasieger in seiner Disziplin.
Er ist – Sommerspiele eingeschlossen – der einzige Sportler weltweit, der bei sechs aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen in einer Einzeldisziplin eine Medaille gewonnen hat, Gold (2002, 2006), Silber (1998), Bronze (1994, 2010, 2014).
Bei Rennrodel-Weltmeisterschaften gewann Zöggeler insgesamt zehn Medaillen im Einsitzer: sechsmal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze. Dazu kommen eine Silber- und zwei Bronzemedaillen im Teamwettbewerb. Weltmeister wurde er 1995, 1999, 2001, 2003, 2005 und 2011.
Außerdem ist er dreifacher Europameister (2004, 2008 und 2014) im Einsitzer, zusätzlich holte er Gold mit dem Team 1994 und gewann zehn Mal den Gesamtweltcup: 1998, 2000, 2001, 2004, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011. Damit ist er gemeinsam mit dem österreichischen Rodler Markus Prock Rekordhalter bei Gesamtweltcupsiegen.
Am 30. November 2013 holte Zöggeler beim Rennen in Winterberg mit einem zweiten Rang den 100. Podestplatz seiner Laufbahn, nachdem er erstmals 1992 in Sigulda als Drittplatzierter auf dem Podest gestanden hatte. Am 26. Januar 2014 feierte er in Sigulda seinen 57. Weltcup-Sieg im Einsitzer, auch dies eine Rekordmarke.
Bei den Olympischen Spielen in Sotschi gewann er Bronze. Danach beendete er seine Laufbahn als aktiver Sportler. Seitdem ist er im Mitglied des Technikteams im italienischen Rodelverband FISI.