Wie der kleine Bär und der kleine Tiger in Janoschs Kinderbuch: Das Ehe- und Radelpaar Inge und Manfred Wagner aus Holzhausen (beide 59) durchquerte während der vergangenen sechs Wochen auf einer 3000-Kilometer-Radtour alle sieben Länder Mittelamerikas.
Mit frischen Eindrücken von oft armen, aber gastfreundlichen und hilfsbereiten Menschen kehrten die beiden in ihre fränkische Heimat zurück. Abgesehen von Costa Rica handelt es sich bei den Ländern Zentralamerikas um keine typischen Reiseländer. Eigentlich schade, denn der politische Unruheherd der 80er- und 90er-Jahre ist längst befriedet.
Wer abseits ausgetretener Touristenpfade ursprüngliche Kultur, vielfältige Natur und unkomplizierte Begegnungen mit Einheimischen sucht, wird hier fündig. Gestartet sind die Wagners in Belize, dem einzigen Staate Lateinamerikas, in dem englisch gesprochen wird. In der kleinen ehemaligen britischen Kolonie sind die Einwohner locker und tolerant.
Nach kurzer Zeit überqueren sie die Grenze nach Guatemala. Hier bestaunen sie in Tikal die imposanten Pyramiden aus der Maya-Zeit. Dass es sich nicht um eine reine Genuss-Tour handelt, wird spätestens in El Salvador klar. Hier geht es bei schweißtreibenden Temperaturen von weit über 40 Grad steil in die Berge. Die wollen bezwungen sein, will man die Panamericana erreichen, die nahe des Pazifiks verläuft.
Diese legendäre Straße durchzieht den gesamten amerikanischen Kontinent von Alaska bis Feuerland. Zeitweise ist die Trasse schmal wie eine deutsche Kreisstraße, auf der sich jedoch ein Schwerlastverkehr wie auf einer Autobahn bewegt. Die großen Lastwagen und Busse kommen bis auf Tuchfühlung an die vollbepackten Räder ran – Stress pur für die Radfreaks. Zeitweise weichen sie auf Nebenstrecken aus, doch nicht überall gibt es diese Alternative.
Dann erreichen die Wagners das bettelarme Honduras, früher häufig als Bananenrepublik verspottet. Und Obst gibt es tatsächlich in Hülle und Fülle. Überall am Straßenrand und auf den angrenzenden Feldern liegen haufenweise heruntergefallene Mangos herum. Für die beiden Radler, die sich weitgehend vegetarisch ernähren, eine höchst willkommene Bereicherung des Speiseplans.
In Nicaragua legen die Wagners eine zweitägige Pause ein. Hier besichtigen sie die wunderschöne Vulkaninsel namens Ometepe. Die Form der Insel könnte aus einem Fantasyfilm stammen: sie besteht aus zwei unterschiedlich großen, kreisrunden Inseln, die durch Lavaströme längst vergangener Zeiten miteinander verbunden sind.
Erst in Costa Rica begegnen sie Touristen. Das Land hat einen großen Teil seiner Fläche in Nationalparks unter Schutz gestellt und früh gelernt, seine Naturschätze zu vermarkten. Das Preisniveau entspricht fast dem in Deutschland.
Und in Panama riecht zwar nicht alles nach Bananen, dafür gibt es eines der größten Bauwerke der Moderne zu bestaunen: Den Panamakanal, dessen hundertjähriges Jubiläum erst kürzlich gefeiert wurde. Unvergesslich bleibt den Franken die schier unglaubliche Begegnung mit einem Zeitgenossen, der zweifellos noch verrückter ist als sie: Radelnd erreichen sie einen jungen Mann mit bloßem Oberkörper, der schwitzend die Straße entlang joggt. Seine Haare und sein Bart sind lang und verfilzt. Beim Joggen schiebt er einen großen Kinderwagen vor sich her, der vollgepackt ist mit seinen Sachen. Der Schotte erzählt, dass er seine Tour vor zehn Monaten in Kanada begann, und in weiteren zehn Monaten will er Argentinien erreichen - 18 000 Kilometer in 600 Tagen.
Sein Motto: Laufen inspiriert. Wer ihn auf seiner Homepage besuchen will: www.jamieisrunning.com.