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HOFHEIM
Ökumene: Es geht um das Gemeinsame
Vor zehn Jahren, am 1. Juni 2003, endete in Berlin der erste Ökumenische Kirchentag. Deshalb fragten wir die Hofheimer Pfarrer Sieghard Sapper und Gerd Greier, was sie vom Miteinander der Konfessionen halten und was ihnen an der anderen Konfession gefällt.
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Mösslein Von unserem Redaktionsmitglied Michael Mösslein
 |  aktualisiert: 11.01.2016 14:56 Uhr

Eigentlich sind wir Konkurrenten“, sagt der evangelische Pfarrer Sieghard Sapper, der die Kirchengemeinde Hofheim-Lendershausen-Eichelsdorf betreut. Wenn er die Beziehungen zur katholischen Kirche so beschreibt, meint er dies nicht negativ. Das lateinische Verb „concurrere“, von dem sich Konkurrenz ableitet, heißt „zusammenlaufen“. Auch, wenn die alten Lateiner damit eher den Zusammenstoß gemeint haben, deutet Sapper das Wort positiv: „Evangelische und katholische Christen haben in ihrem Glauben trotz mancher Abzweigungen den gleichen Ausgangs- und Endpunkt.“

Pfarrer Sapper sieht Unterschiede im Umgang beider Konfessionen auf den unterschiedlichen Ebenen: An der Basis der Gläubigen, in den Ortschaften, in denen er bisher als Pfarrer gewirkt hat, habe er ein gutes Miteinander der Pfarr- und Kirchengemeinden kennengelernt. Auf höherer Ebene, oberhalb der örtlichen Gemeinden, sieht er Nachholbedarf. „Vor allem auf katholischer Seite geht wenig“, stellt er fest. Knackpunkt ist und bleibt für Sapper die Frage des gemeinsamen Abendmahls.

Abseits dieser oftmals gelehrten Auseinandersetzung zwischen Theologen funktioniere es zwischen beiden Konfessionen in Hofheim „ganz anders, unproblematisch“, findet Sapper. Ökumenische Gottesdienste bei Festen und Jubiläen sowie ökumenische Einweihungsfeiern seien üblich. In der Grundschule wurde zu Beginn des laufenden Schuljahres erstmals ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert. Seit längerem gebe es an Pfingsten einen gemeinsamen Gottesdienst an der Schwedenschanze. Und, als jüngstes Beispiel: Während der Renovierung der Hofheimer Stadtpfarrkirche nutzt die katholische Pfarrgemeinde die evangelische Christuskirche für ihre Sonntagsgottesdienste.

Der evangelische Pfarrer hat, wie er sagt, „selbst einen Hang zu Wallfahrten“ – die eigentlich in der katholischer Tradition beheimatet sind. Er sieht darin auch kein Problem, ebenso, wie er im alltäglichen persönlichen Umgang mit Menschen keinerlei Unterscheidung trifft, ob jemand evangelisch oder katholisch ist. „In der Leichtathletikgruppe von Kindern, die ich betreue, weiß ich meist gar nicht, welcher Konfession die Kinder angehören.“

Einen Grund, auf katholische Christen oder die katholische Kirche neidisch zu sein, sieht Pfarrer Sapper nicht. Allerdings erkennt er durchaus Punkte, in denen es die katholische Kirche seiner Ansicht nach leichter hat als die evangelisch-lutherische: Katholiken würden beispielsweise als Ministranten leichter in die Kirche hineinwachsen, und die Pflicht zum Besuch des Sonntagsgottesdienstes, der Katholiken prinzipiell unterliegen, würden sonntags vielleicht mehr Gläubige in die Kirchen führen. Und noch einen Vorteil erkennt Sapper in der katholischen Kirche: Über den Papst als höchste, weltweit gültige Instanz vertrete diese nach außen hin zu bestimmten Themen eine einheitliche Meinung. Dies lasse eher ein klares Profil erkennen, anders als bei der evangelischen Kirche, so Sapper, diese spiegle in ihrer Meinungsvielfalt eher die pluralistische Gesellschaft wieder. „Dies ist Stärke und Schwäche zugleich.“

Was die kirchliche Praxis anbelangt, die Auslebung des Glaubens, da wirke die evangelische Kirche nüchterner. „Wir sind eher auf das Wesentliche konzentriert“, sagt Sapper, „evangelische Christen sind näher dran an dem, was Jesus von Nazareth wollte.“ Dies zeige sich auch darin, dass es in evangelischen Gotteshäusern und Gottesdiensten weniger „Brimborium“ gebe.

Der katholischen Kirche könne es nicht schaden, meint der evangelische Geistliche, wenn sie sich die Reformvorschläge, die Martin Luther vor fast 500 Jahren gemacht hat, „mehr zu Herzen nehmen würde“. So gebe es in der katholischen Kirche noch immer Formen von Ablässen, die Gläubigen unter bestimmten Auflagen gewährt würden. Zudem trage die katholische Kirche nach Ansicht Sappers nach außen hin mancherorts das Image einer eher verknöcherten, trockenen Glaubensgemeinschaft. Dies gelte jedoch nicht für Hofheim, wie Sapper ausdrücklich klarstellt.

Die Situation der Diaspora, also der Umstand, dass die evangelischen Christen seiner Kirchengemeinde gegenüber den Katholiken in der Minderheit sind, bereitet Pfarrer Sapper kein Kopfzerbrechen: „Wir können mit der Rolle des kleinen Bruders leben.“ Dies liegt sicherlich auch daran, dass er mit seinem katholischen Amtskollegen Gerd Greier das Gefühl hat, „auf einer gemeinsamen Grundlage zu stehen“. Er fühle, dass er und der katholische Pfarrer vor Ort auf den Gemeinsamkeiten beider Konfessionen aufbauen würden, „statt auf den Unterschieden herumzureiten“. Dies zeige sich auch im ökumenischen Arbeitskreis, der seine Idee einer ökumenischen Wallfahrt im Herbst aufgegriffen habe.


Bund der Verschiedenheit – dieses Schlagwort gebraucht der katholische Pfarrer Gerd Greier, der die Pfarreiengemeinschaft Hofheim betreut, mehrfach im Gespräch über die Ökumene. „Für mich ist es entscheidend“, erläutert er, „dass katholische und evangelische Christen ihr gemeinsamer Glaube verbindet.“ Sich des gemeinsamen Fundaments beider Konfessionen bewusst werden, statt Gleichmacherei zu propagieren, dies ist ein zentrales Anliegen Greiers.

Dazu gehört für ihn auch, dass beide Seiten die lieb gewordenen Traditionen der jeweils anderen Seite wertschätzen. „Das ist doch alles gleich“ – dies sei für ihn der schlimmste Satz, den es zur Ökumene gibt, meint Greier.

Die Reform der Kirche, die Martin Luther gefordert hat, sei überfällig gewesen, anerkennt der katholische Geistliche. Es sei nur schade, dass aus diesen berechtigten Forderungen die Spaltung der Kirche hervorgegangen sei. Deshalb fände es Greier auch gut, wenn die evangelische Kirche in Deutschland im Jubiläumsjahr 2017, zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers in Wittenberg, nicht die Reformation als Abspaltung feiern würde, sondern das Jubiläum den Anlass gäbe, darüber nachzudenken, was beide Konfessionen verbindet.

Seiner Erfahrung nach beharre die evangelische Kirche eher als die katholische auf ihren festgelegten Positionen. Dies könne auch daran liegen, dass die evangelische Kirche eben aus der Abgrenzung zur katholischen Kirche entstanden sei. Jedoch leugnet Greier nicht, dass es auch auf katholischer Seite Tendenzen zur Erstarrung gebe. „Ich würde mir wünschen, dass wir in manchen Fragen der Ökumene weiter wären“, sagt er.

Greier macht dies an einem Beispiel deutlich, an einem Wunsch, der ihm vorschwebt: ein gemeinsames Gotteshaus für evangelische und katholische Christen für den Raum Burgpreppach. Vor Jahren habe er in diese Richtung bereits Gespräche mit Pfarrer Ralf Dietsch, dem Vorgänger des jetzigen evangelischen Pfarrers von Burgpreppach, Peter Bauer, geführt – allerdings ohne greifbare Ergebnisse. Zugleich sieht Greier, dass seine Vision, die manche wohl als kühn bezeichnen würden, in der Praxis viele Fragen aufwerfen wird, die etlichen Klärungsbedarf erforderten. Beispielsweise müsste geklärt werden, ob in der gemeinsamen Kirche ein Tabernakel stehen würde, oder nicht, ob eine Marienfigur an der Wand hängen kann, oder inwieweit sich der gemeinsame Unterhalt der Kirche regeln lässt.

Auf die Frage, was er an der evangelischen Kirche schätze und worauf er als katholischer Pfarrer vielleicht sogar etwas neidisch blicke, meint Greier, dass er es bewundere, wie die oft kleinen evangelischen Gottesdienstgemeinschaften unabhängig von der im Vergleich zu den katholischen Pfarrgemeinden oft geringen Zahl von Gläubigen trotzdem sehr lebendig sind. „Das kann uns Katholiken nur Mut machen für die Zukunft“, dass es trotz schrumpfender Pfarrgemeinden möglich sein wird, Gottesdienste zu feiern. Außerdem, meint Greier, hätten evangelische Pfarrer in ethischen Fragen innerhalb ihrer Kirchengemeinden mehr Freiheiten als katholische Priester, zum Beispiel was den Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten angeht.

Die katholische Kirche, gibt Greier unumwunden zu, könne von der evangelischen Kirche auch lernen. Er nennt als anschauliches Beispiel die Bedeutung, die Frauen in der Besetzung kirchlicher Ämter eingeräumt wird, die in der evangelischen Kirche deutlich weiter reicht als in der katholischen; und was sich nicht nur am fehlenden Zugang zum Priesteramt festmachen lässt. Zugleich könne die evangelische Kirche auch von der katholischen etwas lernen, glaubt Greier: Der Mensch lebe nicht nur vom Wort Gottes allein, auch Zeichen und Handlungen in der Liturgie seien wertvoll.

Während seines Theologiestudiums, berichtet Pfarrer Greier, sei das Thema „Ökumene“ nicht aufgetaucht. Allerdings hätte es in der Ausbildung im Priesterseminar immer wieder ökumenische Berührpunkte gegeben. Er selbst kann jeden Christen nur ermuntern, die jeweils andere Konfession besser kennenzulernen. „Man weiß zu wenig voneinander“, sagt Greier. Dabei sei es ein Grundauftrag Jesu, dass die Kirche seiner Gläubigen eins sein soll.

Die meisten Schnittpunkte mit der evangelischen Kirche hat der katholische Pfarrer von Hofheim in der gemeinsamen Vorbereitung ökumenischer Gottesdienste. „Ich schätze das Miteinander vor Ort“, sagt er und lobt den ökumenischen Arbeitskreis, der sich etwa zweimal im Jahr trifft und dem neben ihm selbst sowie Mitgliedern der Pfarregemeinderäte aus der Pfarreiengemeinschaft für die evangelische Seite Pfarrer Sieghard Sapper sowie Vertreter des Kirchenvorstands angehörten.

Verstehen sich gut: Pfarrer Sieghard Sapper (unteres Bild, links) und Pfarrer Gerd Greier. Vor zehn wehten in Berlin, zum ersten Ökumenischen Kirchentag, die Fahnen beider Konfessionen (Bild oben).
Foto: Mösslein, dpa | Verstehen sich gut: Pfarrer Sieghard Sapper (unteres Bild, links) und Pfarrer Gerd Greier. Vor zehn wehten in Berlin, zum ersten Ökumenischen Kirchentag, die Fahnen beider Konfessionen (Bild oben).
 
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