Martin Kober ist seit August Jugendrichter am Amtsgericht Haßfurt. Täglich erlebt er hier hautnah, was in den großen Städten und im Wahlkampf Thema ist: Jugendliche Gewalttäter, brutale Schlägereien, zerrüttete Familien. Der 48-jährige Haßfurter, in Kerbfeld aufgewachsen, ist von den Vorschlägen der Politiker enttäuscht und berichtet: Auch im Landkreis sind Schlägereien häufiger und schlimmer geworden.
Martin Kober: Ich habe eine halbe Stelle als Jugendrichter, die andere Hälfte werde ich im Familiengericht eingesetzt. Montags haben wir Sitzungstag. Da stehen morgens bis zu sieben schwerere Straftaten wie Schlägereien an. Nachmittags kommt dann der Kleinkram, zum Beispiel frisierte Mofas. Den Rest der Woche mache ich Papierkram und überwache Bewährungsauflagen.
Kober: Solche Schlägereien wie jetzt zum Beispiel in München sind bei uns an der Tagesordnung. Es wird wirklich massiv geschlägert: Öfter und auch brutaler. Die Täter hören nicht mehr auf, wenn jemand am Boden liegt – sie treten dann extra zu. Heute passieren Schlägereien oft gemeinschaftlich und dem Opfer wird gezielt Schaden zugefügt. So etwas hat es früher so nicht gegeben.
Kober: In Haßfurt hatten wir zuletzt eine Gruppe von fünf Tätern, die ein jugendliches Opfer verprügelt haben. Ein Erwachsener wollte schlichten, aber die Täter haben den 50-Jährigen brutalst zusammen gehauen. Und das war keine Ausnahme.
Kober: Nein, denn die Sozialstrukturen sind das Problem: Die große Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen, die dann auf der Straße herumhängen und keine Perspektive haben. Je weniger Perspektive, desto mehr Frust, desto mehr Schlägereien. Oft sind es auch immer wieder die selben Täter, die auffällig werden.
Kober: Fast ausschließlich. So gut wie alle jungen Täter sind arbeitslos, so dass sie keine Perspektive sehen – ganz selten, dass Täter aufs Gymnasium oder die Realschule gehen. Selbst Täter mit einem guten Hauptschulabschluss gibt es so gut wie nie.
Kober: Das bringt meiner Meinung nach alles überhaupt nichts. Für solche Fälle, wie sie derzeit diskutiert werden, reicht das Strafmaß vollkommen. Der Warnschussarrest ist auch sinnlos. Täter, für die das in Frage kommen würde, waren fast immer schon vorher im Arrest. Und schnellere Verfahren wären nur mit unglaublich viel Geld zu machen.
Kober: Nein, denn im Erwachsenenstrafrecht gibt es viel weniger Möglichkeiten der Bestrafung. Zudem ist der Strafrahmen für gefährliche Körperverletzung im Erwachsenenstrafrecht auch nicht höher – es sind genauso zehn Jahre.
Kober: Man könnte den Tätern Abstandsverbot zu den Opfern erteilen, außerdem Haus- und Platzverbot an den Tatorten. Wenn jemand auf dem Straßenfest in Haßfurt oder in Zeil beim Göller schlägert, dann darf er in Zukunft nicht mehr hin. Schlägereien passieren schließlich nicht morgens um 11 Uhr, sondern am Wochenende auf Partys und Festen.
Kober: Viele Jugendstraftaten passieren unter Einfluss von Alkohol. Vielleicht sollte man Tätern, die unter Alkohol straffällig geworden sind, den Alkohol in der Öffentlichkeit verbieten. Das sind alles Diskussionsansätze, aber mit der Umsetzung müsste sich die Politik befassen. Nur: Mit den bisherigen Vorschlägen kann ich nichts anfangen.
Kober: Wenn Familien nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu erziehen, kann man diese ja schlecht aus der Familie raus holen. Einen 16-jährigen Schläger kann man nicht einfach in eine Pflegefamilie stecken, den will ja keiner. Oder als Alternative ins Kinderheim nach Eltmann – der schlägert da ja weiter. Außerdem ist das derart kostenintensiv, das könnte sich der Staat nicht leisten.
Kober: Die Straftaten von Ausländern sind in den letzten Jahren nicht häufiger geworden. Insgesamt gibt es mehr Straftaten, aber das betrifft genau so gut die Deutschen. Natürlich gibt es viele Straftaten von Ausländern, aber das liegt nicht daran, dass sie nicht in Deutschland geboren sind, sondern an den sozialen Strukturen. Nicht einmal an den Familien, sondern daran, dass ihre Lebensperspektiven oft schlechter sind. Man darf das auf keinen Fall so verallgemeinern, wie es Roland Koch derzeit tut.