
Diese urkatholische Schatzkammer auf dem Bamberger Domberg scheut sich nicht, dem christlichen Symbol schlechthin auf provozierende Weise zu begegnen. Das Diözesanmuseum präsentiert Kreuze: mittelalterliche und zeitgenössische. Bequem ist die Schau nicht: "Sie fordert Offenheit und Toleranz", weiß Museumsleiterin Carola Marie Schmidt nur zu gut. Denn die tägliche Konfrontation mit steigenden Kirchenaustrittszahlen, mit der großen Schuld des Missbrauchs, mit verwaisten Kirchen und mit dem Rückzug der Kirche aus Deutschland macht entweder gleichgültig – oder wirft Fragen nach Zeichen von Glaube, Liebe, Hoffnung auf.
Schon der Start des Rundwegs durch die Sonderausstellung aus Anlass des 1000. Todesjahres von Kaiser Heinrich II. ist gerade für noch einigermaßen gläubige Menschen eine Herausforderung: Unzählige Kreuze und Kruzifixe (Kreuz mit Corpus) bilden in Vitrinen ein unentwirrbares Knäuel. Diese in Haushaltsauflösungen entsorgten Sakralobjekte sind ein Zeichen der Vergänglichkeit. Und ein sichtbarer Ausdruck dafür, dass eine zunehmend säkularisierte Gesellschaft ohne Verbundenheit zum Glauben und ohne Präsenz des Glaubens im Alltag keinen Platz mehr für das Kreuz hat.

So widmet sich das Diözesanmuseum dem kulturellen Erbe als Memoria Henrici in Gestalt einer rührend anmutenden Memoria Crucis: "Das heißt, wir gedenken des Kaisers, indem wir des Kreuzes gedenken", erklärt die Museumschefin. Heinrich II., der am 13. Juli 1024 als letzter ottonischer Kaiser des Heiligen Römischen Reiches verstarb, sei im Zeichen des Kreuzes unterwegs gewesen: "Im Zeichen des Kreuzes wurde er gesalbt, herrschte er und führte Kriege", so Carola Marie Schmidt. Auch seine Kirchenstiftungen in Bamberg würden symbolhaft ein Kreuz über die mittelalterliche Stadt zeichnen.
In jedem Themenraum ein zentrales Exponat
Schmidt erinnert daran, dass Heinrich II. vielen und bedeutenden Kirchen seines Reiches Kreuzreliquien und Kreuze gestiftet hat. Die mit Gold beschlagenen und mit Edelsteinen verzierten Reliquienkreuze seien Zeichen des Heils und auch Zeichen des christlichen Herrschaftsanspruchs des letzten ottonischen Kaisers gewesen.
In einer einzigartigen Zusammenschau zeitgenössischer Kreuze namhafter Künstler und Künstlerinnen und mittelalterlicher Kreuzverehrung geht es um Vergänglichkeit, um Glauben, um Heil, um Krieg und Instrumentalisierung, um Macht und um Material als Bedeutungsträger. In jedem der fünf barrierefreien Themenräume der Ausstellung findet sich ein zentrales Exponat: ein Referenzobjekt mit Heinrichsbezug, das den Gegenwartskreuzen begegnet. Beispielhaft steht für diese Exponate das reich mit Edelsteinen und Gold verzierte Fritzlaer Heinrichskreuz aus dem frühen 12. Jahrhundert, das eine von Heinrich an das von seiner Gemahlin Kunigunde gegründete Kloster Kaufungen gestiftete Kreuzreliquie birgt. Dieses Kreuz ist erstmals in Bamberg zu sehen.
Kreuze mit der Kettensäge herausgearbeitet
Auch die ottonische Reichskrone, die erst unter Heinrich mit einem Stirnkreuz versehen wurde, ist ein spektakuläres Schaustück. Das Original aus Wien sei nicht entleihbar, erklärt Schmidt, daher greife das Diözesanmuseum auf eine meisterliche Replik der Goldschmiedemeisterin Gerdi Glanzner zurück. Neben dieser feinen Arbeit schafft etwa die Blockkreuzgruppe von Ortrud Sturm den größtmöglichen Kontrast: die Begegnung von Edelstein und Kettensäge, wie die Sonderausstellung auch titelt. Mit der Kettensäge hat die Künstlerin für ihre dreiteilige Serie die großformatigen Kreuze jeweils aus einem Holzblock herausgearbeitet.
Birgit Kastner, Leiterin der Hauptabteilung Kunst und Kultur im Erzbistum Bamberg, sieht es als eine Aufgabe an, mit dieser Ausstellung "Zeitgenossenschaft herzustellen". Also eine Brücke zu schlagen über 1000 Jahre und Heinrichs Erbe von Weltrang auf seine heutige Relevanz zu prüfen. Kastner versteht Kunst als ein Medium, einen "Mittler zwischen den Welten, zwischen den Zeiten", wie die promovierte Kunsthistorikerin sagt. Sie rät dazu, Kunst, die Kreuze, meditativ zu betrachten: "vorurteilsfrei, zugewandt, offen". Ein Bild vom Kreuz könne zum Beispiel das "allumfassende Zeichen der Einheit aller Gegensätze" sein, so Kastner. Aber auch das Zeichen für Tod und Leben, für Liebe und Gewalt, für Leid und Heil. Einen solch zeitgemäßen Zugang zum Kreuz Christi – auch als Zeichen existenzieller Fragen und politischer Interessen – ermöglicht diese Sonderausstellung.
Die Sonderausstellung ist bis zum 14. Mai zu sehen, Öffnungszeiten: 10 bis 17 Uhr, Sonntag: 12 bis 17 Uhr, Mittwoch geschlossen. Außerhalb der regulären Öffnungszeiten gibt es donnerstags um 17 Uhr eine Führung durch die Ausstellung. Ein Begleitkatalog ist an der Museumskasse erhältlich.