
Vor vielen bayerischen Gerichtsgebäuden steht sie als Statue aus Stein oder Bronze: Justitia, Göttin der Gerechtigkeit, Symbol der Rechtspflege. Drinnen aber, in den Führungsetagen der Justiz, sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. Das zeigt etwa ein Blick auf die 73 Amtsgerichte im Freistaat, von denen zwei Drittel von Männern geleitet werden.
Mit Ursula Redler steht seit dem 1. Februar eine Frau an der Spitze der Haßfurter Justiz. Im Interview spricht die 41-jährige Bambergerin darüber, was eine gute Richterin ausmacht, warum sie mehr Verständnis für berufstätige Mütter schaffen will und ob sie – wie 2020 – im kommenden Jahr erneut für das Bamberger Rathaus kandidieren möchte.
Ursula Redler: Ursprünglich habe ich Jura studiert, weil ich Staatsanwältin werden wollte. Ich wollte immer für das Gute kämpfen, wie ein Jedi-Ritter (lacht). Die Arbeit als Ermittlerin in Schweinfurt und Bamberg hat mir viel Freude bereitet. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Und man beackert Kriminalfälle nicht allein für sich. Dahinter steckt immer eine große Teamleistung, ob innerhalb der Behörde, mit der Polizei oder am Ende im Sitzungssaal. Das schätze ich sehr.
Redler: Es zieht sich durch meine juristische Laufbahn, dass ich meine Tätigkeiten stets mit Leidenschaft ausübe. Das war als Richterin am Amtsgericht Bamberg nicht anders. Ich habe die Arbeit dort als sehr sinnstiftend empfunden, besonders die Fälle im Familienrecht. Man versucht Frieden zu schaffen durch Vergleiche. Man versucht, seine Autorität sinnvoll einzusetzen, besonders für das Kindeswohl. Das ist mir noch wichtiger, seit ich selbst Mutter eines inzwischen siebenjährigen Jungen bin. Grundsätzlich ist man als Richterin weitgehend eine Einzelkämpferin, hat dafür aber deutlich mehr Freiheiten. Ich kann also festhalten: Beide Posten haben mir bislang viel Spaß gemacht. Entsprechend optimistisch bin ich, dass mir auch der Job als Amtsgerichtsdirektorin viel Freude bereiten wird.
Redler: Einerseits die fachliche Kompetenz. Aber neben dem Wissen auch die Empathie, die halte ich sogar für maßgeblich. Wenn ich mit Menschen nicht kann, kann ich keine gute Richterin sein. Ich kann nicht nur die Akte sehen, sondern muss auch das Drumherum im Blick haben. Es sind immer Einzelfälle und Einzelschicksale.
Redler: Natürlich, man muss eine Grenze für sich ziehen. Und das lernt man als Jurist in der Justiz schnell.
Redler: Ein Stück weit gehört das dazu, ja. Ich gehe inzwischen deutlich analytischer und nüchterner an die Sache heran. Als Richterin sammelt man Lebenserfahrung im Zeitraffer, durch all die Fälle und Situationen, mit denen man sich befasst. Das geht über in Leib und Seele.
Redler: Ganz ausblenden kann man das nicht, das wird Ihnen ja nicht anders gehen.
Redler: Also ja, auch privat dringt dieser analytische Blick auf die Dinge durch. Da wird mir schon mal gesagt: Du bist jetzt aber wieder kalt. Das ist ein Stück weit Berufskrankheit. Aber ich bin kein unnahbarer Mensch, ganz im Gegenteil.

Redler: Ich möchte mir erstmal einen Einblick verschaffen und die Dinge auf mich wirken lassen. Ich komme nicht her und sage, wir müssen ab jetzt alles anders machen. Mit Blick auf das Team im Amtsgericht möchte ich meine Empathie mit- und einbringen und die gute Stimmung aufrechterhalten, die mich empfangen hat. Grundsätzlich gilt dafür: Meine Tür steht der Belegschaft immer offen.
Redler: Ich bin sehr froh, in Bayern zu leben. Und ich bin stolz, Teil dieser Justiz zu sein. Der Rechtsstaat ist hier auf einem sehr guten Niveau. Es gibt überall Verbesserungsbedarf, aber ich sehe uns durchaus in einer Vorbildrolle, ohne andere Bundesländer abwerten zu wollen. Um zum Kern Ihrer Frage zu kommen: Die Angeklagten können von mir einen fairen Prozess erwarten. Dabei muss, wie ich eingangs erklärt habe, jeder Fall für sich betrachtet werden. Nicht immer ist die brutale Härte des Gesetzes der richtige Weg, besonders im Jugendstrafrecht. Es gilt, das richtige Maß zu finden. Das ist mein Anspruch.
Redler: Man merkt, dass viele Führungspositionen männlich dominiert sind, definitiv. Das anzusprechen, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, ist wichtig. Gegebenenfalls auch einmal mehr. Mir war und ist es aber immer wichtig, durch Leistung zu überzeugen. Die Voraussetzungen sind aber unterschiedliche, besonders mit einem Kind, so ehrlich muss man sein. Denn es ist ein besonderer Spagat, das ganze als Mutter zu stemmen. Das kann man nicht kleinreden.
Redler: Wenn mehr Frauen Leitungspositionen übernehmen. Das würde noch größeres Verständnis schaffen, davon bin ich überzeugt. Deswegen ermutige ich Kolleginnen stets, mit mir das Gespräch zu suchen. Dieses Thema betrifft aber nicht nur die Justiz, das möchte ich betonen. Es tut sich viel in unserer Gesellschaft. Aber der Weg zur Gleichberechtigung ist grundsätzlich noch ein weiter.
Redler: Es bleibt wenig Zeit für mich. Aber es gibt klare Prioritäten. Mein Kind steht über allem, unangefochten. Meinen Job mag ich einfach, deswegen kann ich ihn effektiv ausüben.
Redler: Definitiv. Als Richterin habe ich einen Beruf mit viel Verantwortung. Ich treffe Entscheidungen, die einen großen Einfluss auf das Leben der Menschen haben können. Das darf man nie vergessen und das werde ich nie auf die leichte Schulter nehmen.
Redler: Mir war und ist es wichtig, dass Menschen aus den verschiedensten Bereichen und Berufen der Gesellschaft in der Politik vertreten sind, auch auf kommunaler Ebene. Ich möchte meine Perspektiven einfließen lassen, beispielsweise die der berufstätigen Mutter. Manche Dinge kann man nur bedingt verstehen, ohne sie selbst gelebt zu haben.

Redler: Nein, Stand heute habe ich keine Ambitionen.
Redler: Ein Grundsatz in meinem Leben ist es, Dinge nie gänzlich auszuschließen, Zufriedenheit zu leben.
Redler: Es ist ein Amt mit großer Verantwortung, in dem man sehr viel für die Menschen bewegen kann. Aber wie gesagt, ich habe, Stand heute, keine Ambitionen. Mir ist es wichtig, mich nun meiner neuen Aufgabe am Amtsgericht Haßfurt zu widmen, die ich mit Respekt und Neugierde angehen will und werde.
Wären wir in den 80ern des letzten Jahrhunderts würde ich dem sofort zustimmen.
Hart ist diese Justiz doch nur gegenüber Kraftfahrzeugführern, die keinen Schaden verursacht haben.
Beweiskräftige Fälle aus meinen über 40 Berufsjahren würden hier den Rahmen sprengen.
Wesentlicher Kritikpunkt: Lebensumstände fließen nur bei Gewalttaten in das Strafmaß ein; bei Trunkenheit im Verkehr ist es i.d.R. egal, ob man mit einem Fahrverbot die Existenz eines Arbeitenden mit Wohnsitz auf dem Land vernichtet oder nicht. Dem in der Stadt ist es meist egal - dort fahren Busse und Straßenbahn.
Auch laufen hier Ausreden wegen einer schweren Kindheit oder Streßsituation ins Leere - anders als Gewalttaten gegen Menschen.
Empathie ist das eine, Gerechtigkeit eine andere Sache. Wie meine Oma schon wußte: die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen.
Gerhard Fleischmann
Und überhaupt: andere sind viel schlimmer.
Ist das in etwa korrekt zusammengefasst?
nach meinen Informationen aus einem vor gut einer Woche geführten Gespräch beträgt der Frauenanteil in der Justiz mittlerweile 70%. Frauen werden bei Bewerbungen bevorzugt! Im Bereich Schwurgerichtsbarkeit und im Bereich Wirtschaftskriminalität stehen Frauen die Türen weit offen, dort werden dringend Richterinnen gesucht, aber es fehlen die Bewerbungen für diese sehr schwierigen und kraftraubenden Bereiche.
Es wäre schön, wenn Sie Ihre Recherchen noch einmal überprüfen würden. Ihr Artikel erweckt den Anschein, als wolle man Frauen in der Justiz nicht in Führungspositionen haben. Das trifft nach meinen Informationen überhaupt nicht zu. Die Justiz wird Ihnen sicher gerne genauere Auskunft geben.
danke für Ihre Anregung und Ihr Interesse an diesem Artikel.
Zu meinen Zahlen: Ich beziehe mich einerseits auf das Bundesfamilienministerium, wonach 29,9 Prozent der Führungspositionen in der bayerischen Justiz von Frauen bekleidet werden. Zur Definition einer Führungsposition schreibt das Familienministerium: "Als Führungspositionen werden die Ämter von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten angesehen, die mindestens in der Besoldungsgruppe R 3 bis maximal R 10 (nach Bundes- bzw. Landesbesoldungsordnung) eingestuft sind."
Die Zahlen zu den bayerischen Amtsgerichten (25 von 73 werden von Männern geführt) stammen vom Bayerischen Staatsministerium für Justiz. Das sind harte Fakten, die keinen Anschein erwecken sollen, sondern in meinen Augen für sich stehen.
Aber, und hier gebe ich Ihnen recht: Ich denke, dass in der Tat daran gearbeitet wird, dass ein stärkeres Gleichgewicht entsteht.
Herzliche Grüße
Lukas Reinhardt
Bitte recherchieren Sie doch einmal die Korrelation zwischen Führungspositionen in der bayerischen Justiz und Parteibuch!
auch hier möchte ich gerne folgende Fakten hinzufügen: Frau Redler ist parteilos, sie trat im März 2020 als Kandidatin der "Bamberger Allianz" bei der Kommunalwahl an. Im Stadtrat ist sie parteiloses Mitglied der CSU-Fraktion.
Mit freundlichen Grüßen
Lukas Reinhardt
danke für die Antwort, das habe ich gelesen.
Es ist jedoch auch bekannt, dass Justizjuristen zwecks Darstellung einer vorgeblichen politischen "Neutralität" nach außen Parteiämter ggf. "ruhen" lassen oder klare Präferenzen nach Karriereschritten nicht mehr thematisieren - jedoch faktisch an maßgeblicher Stelle bekannt ist, welcher Partei Betreffende faktisch und verlässlich "angehören".
Jeder kann sich vorstellen, dass Führungskräfte bspw. mit Parteibuch der "Grünen" ind er bayerischen Justiz nicht zu finden sind - denn die "Grünen" gehören laut CSU-Ministerpräsident "nicht zu uns", "nicht zu Bayern" etc..