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KÖNIGSBERG (SAWE)
Nächstes Ziel ist ein Leben mit eigenem Einkommen
Über die Situation der Flüchtlinge im Landkreis Haßberge referierten beim Lions-Club Haßberge (von links) Landrat Wilhelm Schneider und Dolmetscherin Siza Zaby. Dafür dankte Lions-Präsident Georg Hiernickel nach einer ausführlichen Diskussion.
Foto: Sabine Weinbeer | Über die Situation der Flüchtlinge im Landkreis Haßberge referierten beim Lions-Club Haßberge (von links) Landrat Wilhelm Schneider und Dolmetscherin Siza Zaby.
Redaktion
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:13 Uhr
Rund 1000 Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr in den Landkreis Haßberge, viele von ihnen sind heute anerkannte Asylsuchende. Wie geht es jetzt weiter? Zu diesem Thema referierten Landrat Wilhelm Schneider und Siza Zaby vom Landratsamt beim Lions-Club Haßberge.

Der Lions-Club hatte bereits vor fast zwei Jahren die Patenschaft über die erste Berufsintegrationsklasse für Flüchtlinge an der Berufsschule übernommen. Mehrere Clubmitglieder beschäftigen Asylsuchende und bieten ihnen die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen.

Landrat Wilhelm Schneider blickte zurück auf den Sommer 2015, als der größte Flüchtlingszustrom zu bewältigen war. „Als alle zwei Wochen ein Bus mit Flüchtlingen kam, waren wir an der Grenze des Leistbaren“, sagte der Landrat. Doch dank der Unterstützung vieler Ehrenamtlicher sei es gelungen, die Flüchtenden zunächst in den umgerüsteten Turnhallen in Haßfurt aufzunehmen, sie ärztlich zu betreuen und dann im Landkreis dezentral unterzubringen. Das sei zwar sehr aufwendig, aber richtig gewesen, weil dadurch die Integration viel früher eingesetzt habe.

Heute leben noch 800 Flüchtlinge im Landkreis, ein größerer Teil ist anerkannt, 45 unbegleitete Minderjährige werden betreut. In 22 der 26 Kommunen im Landkreis sind Flüchtlinge untergebracht, es gibt nur wenige Gemeinschaftsunterkünfte. Auf diese Politik führt es Wilhelm Schneider zurück, dass es kaum Zwischenfälle gegeben hat und dass der Landkreis der einzige ist, in dem keine Sicherheitswachten an den Gemeinschaftsunterkünften nötig waren.

Elf Berufsintegrationsklassen gibt es mittlerweile an der Berufsschule. Aus der ersten Abschlussklasse, die im Sommer die Schule verlässt, haben fünf Schüler einen Ausbildungsvertrag, acht werden weiterführende Schulen besuchen, nur zwei seien bisher unversorgt. Geplant sei laut Schneider ein Integrationszentrum, damit es eine Anlaufstelle gibt, an der das Landratsamt, das Job-Center und die Asylsozialberatung der Caritas anzutreffen sind.

Von einer „schwierigen Zeit“ berichtete Siza Zaby im Rückblick auf die eineinhalb Jahre. Die in Syrien geborene Armenierin studierte in den 1980er Jahren Anglistik und lernte ihren deutschen Mann kennen. Stundenweise hatte sie vor Beginn des Flüchtlingszustroms am Landratsamt als Dolmetscherin gearbeitet – immerhin spricht sie sieben Sprachen – doch in den vergangen Monaten sei sie voll gefordert gewesen. Sowohl für die Flüchtlinge, als auch für die ehrenamtlichen Helfer war Zaby eine wichtige Ansprechpartnerin.

Jetzt, wo etwas Ruhe eingekehrt ist, möchte sie die Flüchtlinge dabei unterstützen, sich ein Leben mit eigenem Einkommen aufzubauen und vor allem die Frauen liegen ihr am Herzen. „Wir haben viele junge Leute, die studiert haben, die haben ihre Abschlüsse auch dabei, aber wir haben auch viele ältere Analphabeten, die auch Hocharabisch nicht verstehen, sondern nur ihren Dialekt“, erklärte sie aus ihren alltäglichen Erfahrungen. Handwerkliche Ausbildungen seien nur schwer vergleichbar. Und weil die Schlepper den Flüchtlingen ein völlig falsches Bild von Deutschland vermitteln würden, sei die Ernüchterung der Menschen über 40 relativ groß.

Anfangs habe sie einige Probleme gehabt, sich durchzusetzen. Die Rolle der Frau sei im arabischen Raum traditioneller als in Europa, doch nochmals stark abhängig vom Bildungsgrad in den Familien. Während in der einen Familie die Frauen ebenso eine akademische Ausbildung haben wie die Männer, sind andere als Analphabeten und ohne Ausbildung völlig abhängig von ihren Männern. Doch alle diese Frauen können laut Zaby nähen, stricken und kochen. Deshalb möchte die Armenierin für diese Frauen etwas auf die Beine stellen, um sie nicht nur aus der Abhängigkeit zu holen, sondern ihnen auch eine produktive Arbeit zu ermöglichen. „Mit ein paar Nähmaschinen könnten wir da schon einiges erreichen, erklärte Zaby. Gleichzeitig sucht sie Unterstützung für ihr Vorhaben, für die Kinder Arabisch-Unterricht anzubieten. „Viele wollen ja wieder zurück in ihre Heimat, wenn wieder Friede ist. Aber die Kinder sollen sich dann nicht entwurzelt fühlen, so wie es den Kindern der türkischen Gastarbeiter ging“, erklärte Zaby.

Rege diskutierten die Clubmitglieder mit der Referentin und dem Landrat unter anderem die Frauenfrage, aber auch über den Umgang mit verschiedenen Religionen und über die Möglichkeiten der beruflichen Integration.

 
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