„Wir sind nur noch am Rechnen, wie wir unsere Fahrer und Routen so planen können, dass unsere Kunden am wenigsten unter den neuen Regeln leiden“, sagt Eva-Maria Wagenhäuser-Müller. „Es ist schwierig, um auf die Wünsche der Reisegruppen eingehen zu können. Früher war das viel einfacher.“
Mit „früher“ meint die Inhaberin des Hofheimer Busunternehmens Wagenhäuser die Zeit vor dem 11. April. Dis dato durften Busfahrer zwölf Tagen hintereinander am Steuer sitzen. Seitdem die neuen EU-Vorschriften gelten, sind es nur noch sechs Tage. Danach muss eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden folgen. „Damit gibt es dann keine Sieben-Tage-Fahrten mehr, höchstens wir mieten vor Ort einen anderen Bus an, oder die ganze Reisegruppe macht zusammen mit unserem Busfahrer einen ganzen Tag Pause“, erklärt Xaver Müller, der zusammen mit seiner Frau Eva-Maria Wagenhäuser-Müller das Busunternehmen führt.
Dabei spielt es keine Rolle, wie lange ein Busfahrer am Tag fährt: Würde er nur zehn Minuten den Bus bewegen, gelte der restliche Tag nicht mehr als Ruhetag. Selbst wenn er nur als Beifahrer im Bus sitzen würde, wird ihm dies nicht als Ruhezeit angerechnet.
„Ein Problem ist es auch, wenn die Fahrer ihre Ruhezeiten während der Reise irgendwo in ihrem Hotel in der Pampas verbringen müssen, anstatt im Anschluss an die Reise bei ihren Familien“, sagt Müller. „Das belastet die Fahrer zusätzlich, auch finanziell.“
Grundproblem aus seiner Sicht ist die in den EU-Vorschriften erfolgte Gleichsetzung von Kraftfahrern im Güter-Lastverkehr und Busfahrern. „Die Lenkzeiten gelten für alle gleich, ohne dass berücksichtigt wird, dass es einen großen Unterschied macht, ob man im Lkw am Stück durchfährt, oder als Busfahrer bei Urlaubsfahrten auch mal nur einen halben Tag unterwegs ist.“
Das Unternehmen Wagenhäuser setzt jetzt verstärkt Aushilfs-Busfahrer ein, die während der Ruhezeiten der elf festen Busfahrer einspringen müssen. Eine neue Tagesschicht beträgt maximal 13 Stunden, in Ausnahmefällen 15 Stunden. „Wenn ein Bus um 6 Uhr morgens aufbricht, dann muss er spätestens um 21 Uhr zurück sein“, rechnet Müller vor. Doch bisher hätten die Kunden weitgehend Verständnis für die verkürzten Ausflugszeiten gezeigt.
Wagenhäuser-Müller und ihr Mann unterstützen auch eine Petition des Verbands Bayerischer Omnibusunternehmer, der die EU-Vorschrift stoppen will, bevor sie im August in der vorliegenden Form in nationales Recht umgesetzt wird. Doch sie setzen keine großen Hoffnungen darauf: „Wir müssen mit dem Ergebnis leben.“ Eine Umgehung der Lenkzeit-Regelung käme für sie nicht in Betracht. „Die Bußgelder, die hier drohen, kann man sich nicht leisten.“ Das Gewerbeaufsichtsamt habe auch schon verstärkte Kontrollen angekündigt. „Und mit den neuen digitalen Fahrtenschreibern kann die Polizei die Lenkzeiten per Knopfdruck kontrollieren.“
Und noch ein Mehraufwand: Ab 2008 müssen die Busfahrer alle fünf Jahre ein fünftägiges Fortbildungsseminar besuchen, bei dem Themen wie wirtschaftliches Fahren, die EG-Sozialvorschriften, Sicherheitsfahren und soziales Verhalten behandelt werden. Das Unternehmen Wagenhäuser hat bereits vor wenigen Wochen alle bei ihnen beschäftigten Busfahrer an einem Samstag bei der Verkehrsakademie in Rimpar bei Würzburg schulen lassen.
Holger Bengel, Geschäftsführer von Bengel-Reisen in Wonfurt, sieht in der Neuregelung keine Verbesserung der Sicherheit im Busverkehr: „Früher hatten unsere festen Fahrer jeder einen Bus, den sie regelmäßig gefahren sind. Den haben sie absolut sicher beherrscht. Jetzt müssen die Fahrer wechselnde Busse fahren und sich immer wieder neu an das Fahrzeug gewöhnen.“ In Bengels Augen wäre eine Regelung, die die Wochenlenkzeit begrenzt, eine sinnvollerer Lösung gewesen.
Bengel hat bereits im Januar zusätzlich zu fünf Aushilfsfahrern einen sechsten festen Busfahrer angestellt, sucht derzeit noch einen weiteren festen Fahrer. „Dennoch werde ich eventuell meine Busflotte um ein Fahrzeug verringern müssen, obwohl ich mich in der Logistik zerreiße, um alle Fahrpläne bewältigen zu können. Aber was soll ich machen, wenn ich nach den Wochenende-Touren am Montag sechs Fahrer da stehen habe, die alle nicht fahren können, weil sie jetzt ausruhen müssen?“ Da es auf dem Markt derzeit kaum gute Busfahrer gebe, leide der Kunden-Service darunter, wenn man Aushilfskräfte einstellt, die sich mit dem Bus und den Routen nicht richtig auskennen.
Ein Schmankerl am Rande: Sobald eine mehrtägige Reiseroute auch nur für eine Stunde ein Land berührt, das zwar zu den AETR-Vertragstaaten (AETR steht für das europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals), nicht aber zur EU gehört (beispielsweise Kroatien), sind alle neuen EU-Sozialvorschriften hinfällig und der Fahrer darf sich hinsichtlich der Lenkzeiten verhalten wie vor dem 11. April.