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HASSBERGKREIS
Nach 845 Kilometern ist die Heimat so schön
Ausdauersportler: Mindestens zweimal hat Marco Depner jede Strecke des Laufparadieses Haßberge-Maintal-Steigerwald durchlaufen. Am Dienstagabend machte er mit der Heimatzeitung einen Testlauf auf der Strecke rund um das Unfindener Huthäuschen.
Foto: HT-Sage | Ausdauersportler: Mindestens zweimal hat Marco Depner jede Strecke des Laufparadieses Haßberge-Maintal-Steigerwald durchlaufen.
Von unserem Redaktionsmitglied Martin Sage
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:51 Uhr

Marco Depner kommt nicht aus der Puste, obwohl wir die Bergstrecke „KÖN1 Königsberg“ rund ums Huthäuschen bei Unfinden gewählt haben. Da geht es gleich zu Beginn, am Rande von Königsberg, stramme 100 Höhenmeter hinauf. Das wiederholt sich zwischen Kilometer 4 und 5 und zwischen 8 und 10. Doch Marco Depner erzählt und erzählt, ihn treibt die Kondition des durchtrainierten Läufers und die Begeisterung darüber voran, dass sein großes Projekt am Freitag vollendet ist: das „Laufparadies Haßberge-Maintal-Steigerwald“.

Ab dem 18. Juli überziehen den Landkreis offiziell 68 Lauf-Strecken mit einer Gesamtlänge von 845 Kilometern mit 15 232 Anstiegshöhenmetern. Star der Auftaktveranstaltung im Rügheimer Landhotel ist Dieter Baumann, Olympiasieger über 5000 Meter von 1992. Aber Marco Depner, im Hauptberuf Kämmerer der Gemeinde Knetzgau und in seiner Freizeit Ausdauersportler, hatte nicht nur die Idee, das heimatliche Laufparadies zu schaffen, er hat auch für die Umsetzung des Vorhabens gesorgt, das in dieser Größenordnung europaweit einzigartig ist.

Bei einem Ostseeurlaub 2012 habe er sich über die ausgewiesenen Läuferstrecken gefreut – da sei ihm der Gedanke gekommen, so etwa könne man im Haßbergkreis auch machen, verrät der 43-Jährige, während wir über den Geologiepfad die Haßbergstufe in Richtung Amtsbotenweg hochtraben. Dass es Depner geschafft hat, innerhalb von zwei Jahren sein Paradies „Laufend zu besonderen Orten“ zu verwirklichen, lässt sich nur mit dem eisernen Willen, der Disziplin und dem Durchhaltevermögen eines Langläufers erklären. Es gelang ihm, den Landkreis für seine Idee zu gewinnen und die Kommunen mit Kooperationsverträgen an Bord zu holen. Die Gemeinden halfen mit, geeignete Routen zu finden, sie vermitteln auch bei Interessenkonflikten etwa mit Förstern oder Jägern. Nicht jeder ist begeistert, wenn sein Revier durchjoggt wird. Knetzgau hat die Federführung übernommen und die Leader-Förderanträge gestellt: 60 000 Euro hat das von der EU hereingespült, die vor allem in die Beschilderung der Strecken, in Prospekte und den Internetauftritt www.laufparadies.info geflossen sind.

„Ich hätte nie gedacht, dass der Landkreis so schön ist und dass ich ihn einmal so gut kennen lerne“, sagt Marco Depner nach inzwischen fünf Kilometern. Und strahlt noch immer wie beim Start am Unfindener Marktplatz, obwohl wir durch Wald und über Wiesen gerade den mit 448 Metern höchsten Punkt des Laufs erklimmen. Depner schwärmt vom imposanten Zeilberg bei Maro genauso wie von den vielen versteckten Kleinoden, die er entdecken durfte: Zum reinen Schreibtischtäter nämlich hat ihn der Traum vom Laufparadies nicht gemacht, im Gegenteil: „Ich bin jede Strecke mindestens zweimal abgelaufen.“ Das bedeutet, dass er allein in dieser Angelegenheit in den letzten 24 Monaten Minimum 1700 Kilometer zurückgelegt hat. Große Unterstützung hat er vor allem von einem erfahren: Vom Zeiler Extremläufer und Lauftherapeuten Hubert Karl, der vor ein paar Tagen seinen 150 000 Laufkilometer feiern durfte. Karl hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Strecken die Läufer nicht nur an den schönsten Ecken des Heimatkreises vorbeiführen und ihnen die großartigsten Panoramablicke eröffnen, sondern dass das gesamte Spektrum an Anforderungen im Angebot ist: Von der „lockeren Runde“ am Rotemartergraben bei Burgpreppach oder der gemütlichen Waldstrecke auf der Hohen Straße in der Gemeinde Rauhenebrach bis hin zum „ambitionierten Waldlauf auf drei Vierhunderter“ in Knetzgau oder den „anspruchsvollen Sagenpfad vom Diebskeller zu Burgruinen“ in Pfarrweisacher Gebiet. Mit 5,1 Kilometern ist der „perfekte Anfängerkurs zur Staustufe“ bei Eltmann der kürzeste Weg im Laufparadies. Der längste ist das „anspruchsvolle Marathontraining zu den Windrädern und bis ins Schweinfurter Oberland“ bei Theres: 29,8 Kilometer!

Und wie stuft er die „kurzweilige Bergstrecke rund ums Huthäuschen“ ein, deren „kurz“ im Vornamen nicht von der 12,6-Kilometer-Distanz, sondern von den vielen Abwechslungen entlang des Weges kommt? „Ziemlich anspruchsvoll“, antwortet der Sportler, nicht nur wegen der Anstiege, sondern wegen der abschnittsweise engen und unregelmäßigen Pfade, auf denen der Läufer konzentriert bleiben muss – was gerade auf den letzten Kilometern, auf denen es nur noch abwärts geht, mit müden Beinen nicht leicht ist.

Und dann, auf Höhe der Geschwistereichen, jener wie im Märchenwald zusammengewachsenen Baumformation, stellt mein Laufführer selbst eine Frage: „Und, wie findest Du die Beschilderung?“ Das Laufparadies hält sich mit der Wegemarkierung zurück: Einerseits aus Kostengründen, aber auch, um die Landschaft nicht mit Schildern zu verschandeln. Die Zeichen – ein stilisierter Läufer samt Laufkürzel und Richtungspfeil – sind dezent und nach einer klaren Regel gesetzt: Wo kein Schild ist, geht es auf dem aktuellen Weg weiter. Oder, anders ausgedrückt: „Abbiegen nur auf Anweisung“, wie es Marco Depner ausdrückt. Das könnte Läufer, Walker oder Wanderer verunsichern. Ich antworte, dass es für die Orientierung im Gelände nicht von Nachteil ist, wenn man mitdenken muss.

Zumal das Laufparadies die atemberaubendsten Hilfestellungen bietet: Im Internet oder in der Broschüre findet der Sportler die genauesten Angaben über die gewählte Route: Die Streckenkarte wird durch ein Höhenprofil ergänzt, gelbe Dreiecke mit Ausrufezeichen weisen auf Abschnitte mit Stolper- und Rutschgefahr hin, eine Augensignatur macht auf Sehenswürdigkeiten aufmerksam. Es gibt Zeitangaben für schnelle und langsame Läufer sowie für Walker. Und Marco Depner und seine Mitstreiter haben sich die Mühe gemacht auszurechnen, wieviel Kilometer eine jede Distanz durch Wald, über Wiesen oder durch Ortschaften führt, oder wie weit Asphalt oder „Trail“ der Untergrund sind. Und wer das Smartphone beim Laufen dabei hat, braucht kein Papier mitnehmen: Jedes Routenangebot hat einen eigenen QR-Code. Er führt zur Streckenbeschreibung und ins interaktive Kartensystem im Internet mit Download-Bereich für GPX- und KML-Dateien. Zu deutsch: Wer möchte, kann sich von der „Lauf-App“ ähnlich wie von einem Navi führen lassen. Dass von Anfang an alles und jeder reibungslos läuft, erwartet Marco Depner nicht. „Wir hoffen auf einen regen Dialog mit unseren Läufern“, meint der Schöpfer des Laufparadieses, dazu hat er eine eigene Email-Adresse für Anregungen und Kritik eingerichtet (info@laufparadies.info).

Inzwischen haben wir über den letzten großen Anstieg das Naturschutzgebiet Urwiese erreicht, wo man sich trotz des trockenen Sommers nasse Füße holen kann, wenn man vom Weg abweicht. Die saftigen Wiesen leuchten in der Abendsonne. Und Marco Depner ist auch nach Kilometer 10 keine Spur erschöpft: Er hat gerade vor dem geistigen Auge, wie man Angebote für Läufergruppen schaffen könnte und wie Fremdenverkehr und Tourismus davon profitieren. Er hält es für möglich, dass ambitionierte Sportler Läuferurlaub im Haßbergkreis machen. Das wäre auch für Hoteliers oder Gastwirte eine Perspektive, mit Ausnahme vielleicht der Gemeinde Rentweinsdorf. Obwohl hier die Kappelsee-Läufer gerne mitgemacht hätten beim Laufparadies, konnte sich die Gemeinde dazu nicht durchringen. Es heißt, der Bürgermeister habe es verschlafen – auch sei es denen von Rotenhan nicht so recht, wenn der Normalsterblichen zu viel durch ihren Wald flitzt.

Dererlei Gedankengänge werden unterbrochen, als wir am Ende einer schmalen Felspassage das berühmte Huthäuschen erreichen, von dem aus sich ein großartiges Panorama über Königsberg und den Haßgau öffnet. „Für solche Blicke hat sich all die Arbeit gelohnt“, meint Marco Depner, Schöpfer fast ausschließlich im Ehrenamt. „Dass es bei Unfinden Weinberge gibt, hab ich früher nicht gewusst“, meint er zum letzten Streckenabschnitt zurück in den Ort.

Die 12,6 Kilometer und geschätzte 75 Minuten Laufzeit haben nicht gereicht, um all das loszuwerden, was es noch zu erzählen gäbe über das Laufparadies. Etwa, dass man per Smartphone Strecken verknüpfen kann, weil stets auch die interessantesten „Anschlüsse“ aufgeführt sind.

Ich erfahre noch, dass die „KÖN1“ einen Spitznamen hat: Ramazzotti-Strecke. Weil Marco Depner und Hubert Karl diese schöne Route für eine Art Lauf-Feier genutzt haben, bei der es alle paar Stationen einen Schnaps gab: Was nur nachahmen sollte, wer genau über seine Kraft und Kondition Bescheid weiß.

Mein erster Test im Laufparadies war für heuer meine 64. Trainingseinheit, Gesamtdistanz rund 900 Kilometer. Die Probe hat Lust auf mehr gemacht. Bei gleichbleibendem Trainingseifer könnte ich im zweiten Halbjahr das ganze Paradies erobern. Wenn man nicht für manchen Lauf erst einmal weit Autofahren müsste.

Nicht immer ganz leicht zu entdecken: die Beschilderung des Laufparadieses – hier im Bild ganz oben.
| Nicht immer ganz leicht zu entdecken: die Beschilderung des Laufparadieses – hier im Bild ganz oben.
Belohnung nach drei Steilstellen: Der Blick über die Haßgaulandschaft.
| Belohnung nach drei Steilstellen: Der Blick über die Haßgaulandschaft.
 
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