Der erste Schritt ist getan, um unermessliches körperliches und seelisches Leid zu teilen. Um sensibel zu machen für Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend von Priestern der katholischen Kirche sexuell und spirituell missbraucht wurden. Die beiden Betroffenen Hans G. und Josef B. zeigen im Bistumshaus St. Otto ihre künstlerische Verarbeitung der abscheulichen Taten. Unter großem Besucherandrang und in Anwesenheit des Hausherrn, Regens Ewald Sauer, wurde die Ausstellung eröffnet. Nicht ohne vorherige Triggerwarnung durch die veranstaltende Katholische Erwachsenenbildung in der Stadt Bamberg e.V (KEB). Denn es handelt sich zum Teil um explizite Darstellungen, die auf sensible Betrachter oder Kinder und Jugendliche verstörend wirken können. Insbesondere Betroffenen von sexueller Gewalt empfiehlt die KEB, vor dem Besuch der Ausstellung Unterstützung in Erwägung zu ziehen.
So sind es vor allem die Bilder von Josef B., die Unsagbares durch die Kunst der Darstellung sprachfähig machen. Seine Werke "zeichnen sich durch die Gegenständlichkeit aus, die den Akzent auf sehr reduzierte, grafisch ausgerichtete und stark verfremdete Darstellungen menschlicher Körper legt", beschreibt der Kunsthistoriker, Theologe und Philosoph Matthias Scherbaum in der Begleitbroschüre. Diese menschlichen Körper seien nackt, die Geschlechtsteile fast immer gut erkennbar, ohne dabei im Fokus zu stehen, fährt Scherbaum fort. Besonders der achtteilige Zyklus "Standkreuzigung" erfordert ein stabiles Gemüt: Die Bilder variieren das Grundthema ein auf den Kopf gestelltes Kreuz, an das ein Mann in äußerst verdrehter Haltung angenagelt ist. Matthias Scherbaum: "Der Betrachter dieser Bildserie bekommt eine Ahnung von Verkehrtheit, Schmerz und Leid des Menschen."
Lavaartige, rote und schwarze Farbmassen
Im Gegensatz zu Josef B. gestaltet Hans G. seine Gemälde gänzlich ungegenständlich. Große lavaartige, rote und schwarze Farbmassen erzeugen die Gemälde und veranschaulichen auf drastische Weise die Tödlichkeit der Missbrauchs-Erlebnisse, die Hans G. widerfahren sind. "Ein Ausschnitt einer unendlichen, unübersehbaren Menge von Schmerz, die damit für den Künstler wie den Betrachter sichtbar werden", kleidet Scherbaum die auch ästhetisch ansprechende Dimension der Werke in Worte.
Die Künstler legen unter Beweis, dass Missbrauchstaten, dass diese Verbrechen beschreibbar sind. Die Sprache der verstörenden Bilder muss derjenige aushalten, der Solidarität mit Betroffenen zeigen und Sensibilität für sie entwickeln will. "Opfer sind nie schuldig, die Täter sind schuldig", bündelte die Hauptreferentin der Vernissage ein Ziel der Ausstellung. Nämlich das Ziel, dass die grauenhafte Wahrheit ans Licht kommt.
Erzählenden übernehmen die Deutemacht
Professorin Ute Leimgruber, Inhaberin des Lehrstuhls für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Regensburg, bezeichnete die Bilder als "ein erschütterndes Zeugnis zweier ganz konkreter Vergehen an zwei ganz konkreten Menschen". Die Bilder seien zugleich Zeugnis eines weit größeren Verbrechens: "nämlich des vieltausendfachen sexuellen, spirituellen, emotionalen, psychischen Missbrauchs an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der katholischen Kirche". Im Schweigen der Opfer liege der letzte Triumph der Täter. So sei es auch eine Frage der Gerechtigkeit, davon zu wissen. Andernfalls würden die Opfer "im eigenen Sumpf von Schweigen, Schamgefühl und schlechtem Gewissen" gefangen und für andere unsichtbar, "und die Täter bleiben in dunkler Sicherheit", beklagte die Professorin. In dem Moment aber, in dem Opfer die Taten beschrieben, in dem sie als missbräuchlich benannt werden, "übernehmen die Erzählenden die Deutemacht auch über jene Phasen ihres Lebens, in denen sie unter Kontrolle anderer waren", so Leimgruber.
Es könne nicht genug gewürdigt werden, dass die Bilder von Josef B. und Hans G. im Bistumshaus hängen: "Sie bleiben nicht länger mit dem Unrecht allein", betonte Leimgruber. Die Bilder seien "Widerstand gegen die unheilvollen Mächte des Missbrauchs, gegen die Taten und gegen das Vertuschen." Die Bilder seien das "Ja" für all die, die keine Worte haben, die sich bis heute nicht trauen zu sprechen und die Beschädigungen beim Wort zu nennen. Das Leiden, das im Namen Gottes und im Namen der katholischen Kirche verübt worden sei, "kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden, auch nicht durch Verleugnen, oder indem man diese Bilder hier nicht anschaut", stellte die Rednerin fest.
Bistumsleitung glänzt durch Abwesenheit
Die Ausstellung "Beschädigt" wird von der Bistumsleitung unterstützt. Um das Projekt zu realisieren, sichteten die Künstler, Theologen, Therapeuten und Pädagoginnen mehrere Monate die Bilder, entwickelten Texte und Interpretationen und führten tiefe Gespräche. Durchweg anerkennend waren Äußerungen von Besuchern, die die an dem Abend angebotenen Kurzführungen durch Matthias Scherbaum nutzen. Jedoch war häufig die verständnislose Klage zu hören, dass sich von der Bistumsleitung niemand hatte blicken lassen.
Die Ausstellung ist im Bistumshaus St. Otto, Heinrichsdamm 32, bis zum 10. April, Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr zu sehen. Vom 8. bis 12. März ist die Ausstellung nicht zugänglich. Weitere Führungen gibt es jeweils um 15 Uhr am Dienstag, 26. März und Donnerstag, 28. März. Anmeldung bei der KEB unter carina.lang@erzbistum-bamberg.de.