Im Flyer ist von einer "Trainingsrevolution" die Rede. So jedenfalls bezeichnen Janik Full und Jessica Stumpf das EMS-Training, das sie seit Anfang August in Haßfurt in ihrem Studio "Fitaless" anbieten. Glaubt man ihren Ausführungen, so ist eine 20-minütige Einheit mit dieser neuen Trainingsmethode so effektiv wie drei mal eine Stunde klassisches Krafttraining. Aber kann das stimmen? Und wie funktioniert diese Methode eigentlich?
Strom aus einem Spezialanzug soll die Muskeln trainieren
Jede Bewegung im menschlichen Körper wird durch elektrische Impulse ausgelöst, die das Nervensystem an die Muskeln sendet. Daraus leitet sich der Grundgedanke von EMS ab: Muskeln lassen sich auch durch Strom anspannen, der von außen in den Körper gelangt. Dafür tragen Menschen beim EMS-Training spezielle Kleidung, durch die der Strom über die Haut in den Körper gelangt. Die Abkürzung EMS steht für Elektromyostimulation.
Bei einer Suche nach Artikeln zum Thema EMS im Internet fällt auf, dass sich das Bild in den letzten Jahren gewandelt hat. Noch vor relativ kurzer Zeit warnten Ärztinnen und Ärzte vor der neuen Trainingsmethode, vor unseriösen Anbietern und vor den Gefahren einer Überbelastung der Muskeln durch die Stromimpulse. Mittlerweile ist das Bild deutlich positiver geworden.
Verpflichtende Trainerlizenz soll es "Schwarzen Schafen" schwer machen
"Der Zuspruch von Ärzten wird größer", sagt auch Janik Full. Jessica Stumpf ergänzt: "Mittlerweile zählen auch immer mehr Ärzte zu unserem Kundenstamm." Den Grund dafür, dass das lange anders war, sehen die beiden vor allem darin, "dass früher die Professionalität gefehlt" habe. Denn noch bis zum Jahr 2022 sei kein offizieller Nachweis einer Qualifikation nötig gewesen, um EMS-Training anbieten zu dürfen. Und Janik Full bestätigt, dass es in der Branche durchaus "Schwarze Schafe" gebe.
Doch seit diesem Jahr sei eine besondere Lizenz nötig, die alle EMS-Trainerinnen und -Trainer vorweisen und die sie alle fünf Jahre auffrischen müssen. Das soll verhindern, dass durch unsachgemäße Anwendung Muskeln überlastet werden und somit dauerhafte Schäden entstehen.
Maximal zwei Kundinnen oder Kunden gleichzeitig
Der 28-jährige Janik Full ist seit mehr als sechs Jahren in der EMS-Branche tätig. In Schweinfurt arbeitete er eigenen Angaben zufolge in einem Studio, dessen Leiter er zwei Jahre lang war, bis er beschloss, sich zusammen mit der 22-jährigen Jessica Stumpf in Haßfurt selbstständig zu machen.
"Ich bin gebürtiger Haßfurter und wir wohnen zusammen in Haßfurt", berichtet er. Janik Full hat Sportökonomie studiert, Jessica Stumpf Fitnessökonomie, wobei sie auch ihre Bachelorarbeit über das Thema EMS schrieb.
Die beiden legen Wert darauf, maximal zwei Kundinnen oder Kunden gleichzeitig im Studio zu haben. Spontane Besuche ohne Termin sind daher nicht möglich. So wollen sie jedem ein individuelles Training anbieten, das auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zugeschnitten ist.
Breite Zielkundschaft: Vom Untrainierten bis zur Spitzensportlerin
Denn die Zielkundschaft, die die beiden ansprechen wollen, ist breit gefächert. Sie reicht von Untrainierten, die praktisch keine Erfahrung mit irgendeiner Art von Sport haben, bis hin zu Spitzensportlerinnen und -sportlern, die EMS als Ergänzung betreiben wollen. Dementsprechend unterschiedlich muss das Training aussehen, sowohl was die Einstellungen des Reizstroms angeht als auch die Übungen, die gemacht werden. "Dass zwei Leute zusammen hier sind, heißt nicht, dass die beiden gleich trainieren. Das kann komplett unterschiedlich sein", sagt Stumpf. "Die Aufgabe des Trainers ist vor allem: Vormachen und dann die Haltung korrigieren."
20 Minuten dauert eine Trainingseinheit. Bis zur nächsten Einheit sollten dann auch ein paar Tage vergehen, so dass Full und Stumpf einem Kunden oder einer Kundin maximal zwei Termine pro Woche erlauben. Der Grund: "Man schafft es durch den Strom, mehr Muskelfasern anzusprechen als durch konventionelles Krafttraining", so Jessica Stumpf. Aufgrund dieser erhöhten Belastung müssten die Trainingseinheiten entsprechend kurz und selten gehalten werden, seien aber auch effektiver.
Viel Platz, Trainingsgeräte und Akkus: Das sind die Besonderheiten in Haßfurt
Etwas, das Fitaless in Haßfurt von vielen anderen EMS-Studios unterscheidet, ist die große Fläche, die dort zur Verfügung steht. Da die Muskelanspannung durch den Strom erzeugt wird und nicht durch Bewegungen, ist zwar für EMS weniger Platz nötig als für Krafttraining, für das ja auch diverse Geräte gebraucht werden. Janik Full und Jessica Stumpf setzen dennoch auf viel Platz, sowohl für die Trainingsfläche als auch für den Umkleidebereich.
Im Gegensatz zu vielen anderen EMS-Anbietern haben sie auch einiges an Equipment, vom Gymnastikball bis zum Laufband. So können sie neben dem klassischen EMS-Training, bei dem die Kundinnen und Kunden statische Posen halten müssen, auch eine Variante anbieten, bei der man mit Geräten trainiert, während zusätzlich Strom durch die Muskeln geleitet wird.
Dabei setzt Fitaless auf eine neue und noch relativ seltene Technik: Statt die Spezialkleidung über ein Kabel mit Strom zu versorgen, arbeiten Full und Stumpf mit Akkus, die ihre Kundinnen und Kunden am Körper tragen, was ihnen mehr Bewegungsfreiheit im Raum gibt.
Dünne Studienlage: Das sagt ein Sportwissenschaftler zu EMS
Und was sagt die Wissenschaft dazu? "Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die wissenschaftliche Studienlage zum EMS-Training insbesondere für gesunde Populationen eher dünn ist", schreibt Sportwissenschaftler Dr. Manuel Matzka von der Uni Würzburg. Außerdem fehle es an Forschung über die langfristigen Effekte von EMS-Training.
Aus seiner Sicht sei EMS insbesondere für Menschen interessant, die bewegungseingeschränkt sind. Denn so könnte verhindert werden, dass Muskeln in den nicht mehr genutzten Gliedmaßen verkümmern.
Zur Frage, ob EMS tatsächlich effektiver und zeiteffizienter sei als traditionelles Training, meint der Sportwissenschaftler, das sei nicht leicht zu beantworten, da es schwierig sei, die Methoden eins zu eins zu vergleichen. Er verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2015, die zum Ergebnis kommt, dass ein 20-minütiges EMS-Training vergleichbare Effekte wie ein 30-minütiges hochintensives Krafttraining bewirke.
"Grundsätzlich ist die Studienlage hier jedoch sehr dünn", so Matzka. "Man sollte aber in jedem Fall nicht davon ausgehen, dass man mit ein- bis zweimal pro Woche EMS-Training Wunder bewirken könnte." Letztlich sei die richtige Trainingsmethode eine Frage der persönlichen Präferenz. "Wenn diese Trainingsform einem Spaß/Freude bereitet, dann 'Go'", schreibt Matzka. "Allerdings sollte man dieses Training nicht nur deshalb wählen, weil man meint, Zeit sparen zu können."
das hat nichts mit Werbung zu tun. Wir berichten ja öfter über Wirtschaftsthemen, wie beispielsweise Geschäftseröffnungen, und stellen neue Unternehmen vor. In diesem Fall kam noch dazu, dass es sich um eine neue Trainingsmethode handelt, die sicher vielen Leserinnen und Lesern nicht bekannt ist, deshalb haben wir beschrieben, wie diese funktioniert. Gerade weil wir mit dem Artikel keine "kostenlose Werbung" machen wollen, haben wir ja auch bei dem Sportwissenschaftler Dr. Matzka um eine Einschätzung gebeten, der ja auch mit den Aussagen zitiert wird, dass die Studienlage zu dem Thema sehr dünn ist und dass das Training sicher keine Wunder bewirkt.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Schmieder, Redakteur