Innerhalb weniger Tage hat sich Eduard Resatsch seine Sorgen und Ängste um die kriegsgeplagten Menschen in seinem Heimatland Ukraine von der Seele geschrieben. Das heißt, dass der Cellist der Bamberger Symphoniker seine aufgewühlte Gefühlswelt in Noten ausgedrückt hat: „Ukraina – den Opfern des Krieges“ titelt die viereinhalbminütige Komposition. „Es ist ein Orchesterwerk als musikalischer Protest gegen Russlands Aggression“, sagt Resatsch, „ein musikalisches Zeichen der Solidarität im Gedenken an die Menschen, die unter dem Krieg in der Ukraine leiden“.
Eduard Resatsch, in Lemberg (Lviv) beheimatet, hat sein Werk an die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) in Berlin geschickt. Geschäftsführer Gerald Mertens hat es sofort aufgegriffen und alle Berufsorchester dazu aufgerufen, Resatschs Komposition zu Beginn ihrer Konzerte zu spielen: „Führen viele Orchester das kurze Stück auf, setzen sie damit ein unüberhörbares Zeichen“, erklärt Mertens laut einer Mitteilung der DOV. Mit den Mitteln der Musik würden die Orchester ein sofortiges Ende des Krieges fordern und das Leid der Menschen in der Ukraine erfahrbar machen. „Zu wissen, dass es dieses Solidaritätszeichen vieler Orchester gibt, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit“, bekennt Eduard Resatsch.
Hymne als Hoffnungsschimmer
Das Stück basiere auf fünf Grundpfeilern, so der Cellist und Klavierspieler. Erkennbar sei ein Gebet für die Opfer des Krieges, das leise gesummt werde: „Es wird durch Schuss-, Bomben- und Sirenengeräusche sowie Elemente der russischen Hymne immer wieder unterbrochen.“ In diesem musikalisch ausgerückten Kriegsgeschehen höre man auch Teile der Europa-Hymne. Und am Ende des Werks erklinge die ukrainische Hymne als Hoffnungsschimmer für Freiheit und Frieden.
Der etablierte Komponist weist darauf hin, dass das Stück „Ukraina – den Opfern des Krieges“ mit der üblichen sinfonischen Besetzung gespielt werden kann und vergütungsfrei zur Verfügung steht: „Als Urheber habe ich die Rechte gegenüber der Gema freigegeben“, betont Resatsch. Die Partitur steht auf der DOV-Website.
Darüber hinaus plant Eduard Resatsch gemeinsam mit Martin Neubauer, Prinzipal des Brentano-Theaters, voraussichtlich in der kommenden Woche ein Benefizkonzert zugunsten der Ukraine in der Bamberger Erlöserkirche. „Ein russischer Kollege der Bamberger Symphoniker ist begeistert von der Idee und macht mit, wenn seine bis vor kurzem eingegipste Hand es zulässt“, berichtet Resatsch über den befreundeten Geiger.
Sprachlos und entsetzt
Bei allen Vorhaben plagt den Musiker die Sorgen um seine 75-jährige Mutter und andere Verwandte, die in Lemberg ausharren müssen: „Meine Mutter kann jetzt nicht mehr raus, es ist schlimm“, sagt Resatsch leise. Er sei mit ihr per Skype in ständigem Kontakt: „Doch was ist, wenn der abbricht, weil kein Strom und Internet mehr da sind?“ Seine Cousine in Kiew könne er jedenfalls nicht mehr erreichen. „50 Prozent der Stadt sind bereits zerstört, die Bewohner sind darin gefangen.“ Sprachlos und entsetzt wie er sei, bleibe die Musik, „die hörbar ist“.