Open Air am Hexenturm wäre sicher noch das Sahnehäubchen gewesen, doch auch in der Zeiler Tuchanger-Halle war das Konzert „Millenium Musicale“ ein grandioser Musikgenuss, zudem optisch gut in Szene gesetzt, und „wiederum ein Höhepunkt unserer 1000-Jahr-Feierlichkeiten“, so ein begeisterter Bürgermeister Thomas Stadelmann. Nach zweieinhalb Stunden Reise durch die Musik- und Menschheitsgeschichte dankte er einem schweißgebadeten, aber glücklich strahlenden Dirigenten Oliver Kunkel.
Als ob die Vorbereitung eines solchen Konzerts mit fast 200 Akteuren nicht genug Koordination und Organisation sowie natürlich Probenaufwand bedeuten – der Endspurt war regelrecht dramatisch. Noch mittags um 12 Uhr regnete es in Zeil, die Entscheidung aber musste fallen – für die Halle und gegen Open Air. Am Abend hätte das Wetter zwar gehalten, aber der Aufbau für ein solches Konzert ist schließlich nicht in einer Stunde umgesetzt. „Entscheidend ist nicht das Wetter, sondern was man draus macht“, erklärte dazu Thomas Stadelmann.
Das konnte Oliver Kunkel dann schon aber gar nicht mehr aus der Bahn werfen, er hatte seine Hiobsbotschaften schon zuvor: beide Gesangssolisten waren kurzfristig erkrankt. Als Sopranistin sprang Akiho Tsuji vom Mainfrankentheater Würzburg ein – und auch Serena Hart übernahm zwei Gesangsparts. Die Musikstudentin ist eigentlich im Maintal-Sinfonieorchester für das Schlagwerk zuständig, doch zum Schlagzeug hat sie mittlerweile auch ein Gesangsstudium begonnen und überraschte sogar Konzertmeisterin Alexandra Weber mit ihrer Stimme. Akiho Tsuji hatte nur einen Tag Vorbereitung auf das Zeiler Konzert, doch man sah ihr an, dass sie vor allem die Zusammenarbeit mit den Chören der Rathenau-Schulen sehr genoss.
Die Chorklassen der fünften und sechsten Klassen bildeten einen Chor, der nicht nur Choräle, Gospels oder Filmmelodien intonieren, sondern auch lautmalen und den Gesang mit eindringlichen Gesten unterlegen kann. Von den Musik-Abiturienten des Walther-Rathenau-Gymnasiums waren die Zwischenmusiken komponiert, zu denen Oliver Kunkel in fast schon lyrischen Texten durch die Zeit führte. „1000 Jahre Geschichte, 1000 Jahre Musik“ lautete der Untertitel des Konzerts, das am Samstag auch schon in Schweinfurt aufgeführt worden war. Im Sommer 2018 geht es für Oliver Kunkel um „1000 Jahre Menschlichkeit, 1000 Jahre Humanität, 1000 Jahre Freiheit, 1000 Jahre nachdenken dürfen und müssen, 1000 Jahre dem anderen Zuhören, 1000 Jahre Respekt“ – und natürlich um 1000 Jahre Musik.
Für die Musikgeschichte standen beispielsweise „Ein tierischer Contrapunto“ von Adriano Bancheri aus der Renaissance, Georg Friedrich Händels „Halleluja“ aus dem „Messias“ für den barocken Glanz, „Divenire“ von Ludovico Einaudi für „Romantik heute“, der „Leiermann“ von Franz Schubert und Lieder aus dem Oratorium „Child of our Time“ von Michael Tippet.
Riesigen Applaus ernteten alle Akteure, besonders auch Pianist Jareem Wilmore. Am Ende des Konzerts dankte die Konzertmeisterin des Maintal-Sinfonieorchesters, Alexandra Weber, dem erst 17-Jährigen dafür, „dass wir Dich begleiten durften“, und überreichte ihm ein Zertifikat mit der Bitte, festes Mitglied im Orchester zu werden. Jareem Wilmore hat soeben seinen Abschluss gemacht und wechselt auf die Musikhochschule, wie sein stolzer Lehrer Oliver Kunkel erzählte.
Als Zugabe nach stehendem Applaus gestalteten Orchester, Chor und Publikum gemeinsam die neue Zeiler Hymne, die Oliver Kunkel zum Stadtjubiläum komponierte. Auch am „Chor der 1000 Stimmen“ auf dem Zeiler Marktplatz hatten rund 40 Schüler der Walter-Rathenau-Schulen teilgenommen, so Oliver Kunkel. Das zeige, wie viel Engagement die jeweiligen Familien für die musikalische Ausbildung ihrer Kinder aufbringen. Auch ihnen galt ein großer Dank, denn viele haben sich auch für das Gelingen der beiden Konzerte aktiv und teils sehr „handgreiflich“ beim Aufbau eingebracht.