Nach Abzug seiner fixen Kosten wie Miete, Strom und Telefon, erklärte der Angeklagte (33), verbleiben ihm monatlich etwa 150 bis 200 Euro zum Leben. Kann man sich in dieser prekären finanziellen Situation Sperenzien wie Jakobsmuscheln, Rinderleber und Lendenbraten leisten? Obwohl etliche Indizien für einen Diebstahl des Arbeitslosen sprachen, konnte er sich letztendlich über einen Freispruch mangels Beweisen freuen.
Verhandelt wurde das, was am Mittwoch des 16. Oktober letzten Jahres kurz vor Ladenschluss passierte. Da war der Mann zusammen mit seiner Ex-Freundin (29) in einem Discounter in Haßfurt einkaufen. Die beiden standen unter verschärfter Beobachtung, weil das Personal sie verdächtigte, einige Zeit vorher schon zugegriffen zu haben.
Der Verdacht hatte folgenden Grund: Am 24. August, berichtete der Filialleiter, gab es eine Unregelmäßigkeit, als sich der Beschuldigte an der Frischfleischtheke ein teures Fleischpaket mit feiner Rinderleber und hochwertigen Lenden für 40 Euro aussuchte. Nach Wiegen der Fleischwaren wurde ein Bon mit dem Preis ausgedruckt und auf die verpackten Lebensmittel geklebt. Die routinemäßige Revision an diesem Tag ergab, dass die so ausgezeichnete Ware an keiner Kasse abgerechnet wurde.
Im Oktober dann beobachtete eine Verkäuferin, dass der Verdächtige der Tiefkühltheke eine Packung Jakobsmuscheln im Wert von 19,99 Euro entnahm. Als die beiden kurz darauf an der Kasse standen und ihre Waren auflegten, waren keine Muscheln dabei. Der Angeschuldigte und seine damalige Freundin erklärten, dass sie die Meeresfrüchte in ein Regal zurückgelegt hätten, als sie merkten, dass sie nicht genug Geld dabei hatten.
Für den Verkaufsleiter dagegen war der Fall klar: Der Mann musste die Tiefkühlkost unter seine Jackentasche gesteckt haben. Deshalb sprach er die beiden an, nachdem sie den Kassenbereich verlassen hatten. In diesem Moment gab der Arbeitslose Fersengeld und suchte das Weite. Seine damalige Freundin wurde nach Eintreffen der Polizei durchsucht. Aber sie hatte in ihrem Rucksack nichts gemopst.
Der Beschuldigte hat bereits vier Vorstrafen, unter anderem wegen Trunkenheit im Verkehr, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und zweimal wegen Betrugs. Als Ankläger forderte Ilker Özalp eine viermonatige Bewährungsstrafe und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Die Strafrichterin Ilona Conver entschied im Namen des Volkes auf einen „Freispruch zweiter Klasse“. Wie so oft konnte die Wahrheit letztendlich nicht zweifelsfrei geklärt werden. Die Vorsitzende wollte nicht völlig ausschließen, dass ein anderer Kunde die Ware genommen und bezahlt hatte. Das Urteil erfolgte nach dem Grundsatz „In dubio pro reo“ – also im Zweifel für den Angeklagten.