Was Polizisten zu tun haben, kennen die meisten von uns nur von den wenigen Situationen, in denen wir mit ihnen zu tun haben – oder aus dem Fernsehen. Das eine stellt nur einen geringen Teil der vielen Aufgaben dar, das andere ist oft stark verzerrt und etwas „aufgemotzt“, um einen Krimi spannender erscheinen zu lassen, als die reale Polizeiarbeit wäre.
„Es war schon immer mein Traumberuf. Es ist etwas Sinnvolles und ich sehe die Wertigkeit dahinter“, begründet Ramona Waigand ihre Berufswahl. Die 27-jährige Ebelsbacherin kommt gerade frisch von der Polizeiausbildung, seit 1. März arbeitet sie bei der Verkehrspolizei. Nach der Mittleren Reife hatte Waigand zunächst eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten gemacht, bevor sie sich dafür entschied, doch ihren alten Traumberuf zu ergreifen. „Man braucht einen Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung, die Mittlere Reife oder Abitur“, beschreibt sie die Bildungsvoraussetzungen, um bei der Polizei anfangen zu können. Weitere Bedingungen sind die deutsche Staatsangehörigkeit, ein Führungszeugnis sowie eine Mindestkörpergröße, außerdem darf man zum Zeitpunkt der Einstellung höchstens 25 Jahre alt sein, in Ausnahmefällen ist noch bis zum 27. Lebensjahr eine Einstellung möglich. Zudem muss ein angehender Polizist diverse Tests bestehen, in denen Grundfähigkeiten, Sportlichkeit und Deutschkenntnisse geprüft werden. Wer alles besteht, kann die zweieinhalbjährige Ausbildung beginnen.
Um der jungen Polizeimeisterin Ramona Waigand Gelegenheit zu geben, sich gut einzuarbeiten, hat die Verkehrspolizeiinspektion Werneck der Berufsanfängerin eine erfahrenere Kollegin zur Seite gestellt. Polizeihauptmeisterin Claudia Werner ist 31 Jahre alt und seit 2000 bei der Polizei, seit 2005 bei der Dienststelle Schweinfurt, die später nach Werneck umzog, wo sie verkehrsgünstig an der Schnittstelle der Autobahnen A 7, A 70 und A 71 liegt. „Unsere Hauptaufgabe ist eigentlich die Gefahrenabwehr“, sagt sie. Es geht also um die Sicherung nach Unfällen oder auch um tote Tiere, die auf der Fahrbahn liegen. In der übrigen Zeit werden Fahrzeuge kontrolliert. Dabei kann jeder Polizist eigene Schwerpunkte setzen, wen er kontrolliert oder nach was er bevorzugt sucht. „Ich kontrolliere vor allem Lkw, weil ich da ein großes Gefahrenpotenzial sehe“, sagt Claudia Werner. Etwa 60 bis 70 Prozent ihrer Dienstzeit verbringen sie und Ramona Waigand im Außendienst, der Rest findet dann auf der Dienststelle am Computer statt.
Der Tag ist in drei Schichten aufgeteilt, eine von 6 bis 13 Uhr, eine von 13 bis 20 Uhr und schließlich die Nachtschicht von 20 bis 6 Uhr. In Werneck gibt es ein flexibles Schichtmodell, bei dem die Mitarbeiter selbst mitentscheiden können, wann sie in welcher Schicht arbeiten. Andere Dienststellen haben dagegen ein festes Schichtmodell mit einer vorgegebenen Abfolge aus einer Spät-, einer Früh- und einer Nachtschicht. Danach hat der Polizist zwei Tage frei, bevor die Abfolge wieder von vorne beginnt. Auf die Frage, ob das nicht schwierig für den Schlafrhythmus ist, entgegnet Claudia Werner: „Man gewöhnt sich daran.“ So beschreibt sie, es gebe sogar Kollegen, die von anderen Dienststellen zur Verkehrspolizei wechseln, sich dort aber ihren Dienst wieder so einteilen, wie sie es aus dem festen Modell gewohnt sind.
Bei unserer Unterhaltung auf der Dienststelle erzählen mir die beiden auch, was sie gerne außerhalb der Dienstzeit machen. Ramona Waigand treibt viel Sport, besonders gern geht sie laufen oder schwimmen, daneben liebt sie es zu verreisen und sie schätzt ein gutes Essen mit ihrem Mann. Claudia Werner ist begeisterte Volleyballspielerin, ein Sport, den sie auch gerne gemeinsam mit ihrem Partner betreibt. Ansonsten liest sie viel und verbringt gerne Zeit mit ihrer Familie.
Nach dem Gespräch geht es los zu einer Lkw-Kontrolle. Ramona Waigand und Claudia Werner packen zusammen, was sie für den Arbeitstag brauchen. Dazu gehört ein Koffer mit einem Profilmesser für Autoreifen, einem Zollstock zur Unfallaufnahme, einem Alkoholtest und anderen wichtigen Dingen. Außerdem brauchen sie Funkgeräte und einen Laptop sowie eine Kamera.
Auf dem Weg zur Kontrolle müssen sie bereit sein, auch andere Einsätze zu übernehmen, falls sie zu einem Unfall gerufen werden oder etwas anderes Unerwartetes passiert. Das wäre in Begleitung eines Journalisten schwer möglich, und so darf ich nicht mit ins Einsatzfahrzeug der beiden. Stattdessen fahre ich mit Dienststellenleiter Helmut Habermann hinterher. Es geht Richtung Haßfurt. Während der Fahrt erzählt er unter anderem von Verbesserungen beim Polizeifunk. Seit der Umstellung auf Digitalfunk ist die Abdeckung viel besser geworden, außerdem ist es nun, im Gegensatz zum alten Analogfunk, nicht mehr möglich, mit einem umgebauten Transistorradio den Funkverkehr der Ordnungshüter abzuhören. Zudem lobt er andere Berufsgruppen, mit denen die Polizei öfter zusammenarbeiten muss. Er spricht über die Notfallseelsorger, die die Polizisten nach Unfällen mit Todesopfern bei schwierigen Gesprächen mit den Angehörigen unterstützen, ebenso wie von Rettungsdiensten, der Feuerwehr oder der Autobahnmeisterei. „Wichtig ist, dass man sich ein gutes Netzwerk aufbaut“, meint er und lobt die gegenseitige Unterstützung. „Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, es geht wirklich Hand in Hand.“
Mittlerweile fährt das Polizeifahrzeug vor uns hinter einem Lkw her. Am Parkplatz Steinsäcker halten Ramona Waigand und Claudia Werner den Brummi an, um ihn zu kontrollieren. Als ich mit Habermann um das Fahrzeug herumlaufe, zeigt er mir, wie erfahrene Polizisten sich einen Eindruck verschaffen. Der Blick fällt auf die Reifen, dann auch zwischen den Felgen hindurch. Bei diesem Lkw scheint alles in einem guten Zustand zu sein. „Ein relativ neuer Zug“, kommentiert Habermann das Fahrzeug. Fahrer Thomas Marschner kommt aus Herzogenaurach, er spricht freundlich mit den beiden Polizistinnen. Das ist nicht ungewöhnlich, wie sie mir später erzählen. „Die meisten Fahrer sind nicht unhöflich. Das sind normale Leute, die auch wissen, dass auch wir nur unsere Arbeit machen“, meint Claudia Werner. Geladen hat Marschner im hessischen Hünfeld. Was er transportiert, soll nach Italien gehen. Momentan ist er auf dem Weg nach Nürnberg, dort wird die Ware auf verschiedene Laster umgeladen. Ob er dann selbst einen davon nach Italien fahren soll, weiß er noch nicht.
Mit den beiden Polizistinnen geht der Lkw-Fahrer um das Fahrzeug herum. Ramona Waigand leuchtet immer wieder mit einer Taschenlampe in die verborgenen Ecken zwischen den Rädern. Ein kurzer Blick in den Anhänger, dann geht es auf der anderen Seite des Lasters weiter. Während Claudia Werner und Ramona Waigand die Daten aus den Geräten auslesen, die seine Fahrzeiten dokumentieren, unterhält sich der Fahrer mit Dienststellenleiter Habermann. Dann bitten ihn die zwei Polizistinnen noch einmal kurz in ihr Fahrzeug, sie machen ihn auf ein paar Kleinigkeiten aufmerksam. Thomas Marschner hatte die Doppelwochenlenkzeit leicht überschritten, außerdem musste er seine Ruhezeit einmal kurz unterbrechen, weil ihn ein Parkplatzwächter von seinem Platz verscheucht hatte. Polizeimeisterin Waigand und Polizeihauptmeisterin Werner belehren ihn, dass er etwas besser aufpassen muss. Eine Anzeige gibt es aber nicht.
Das sei auch relativ normal. Derartige kleine Verstöße, die zu einer Belehrung führen, gebe es fast immer. Gravierendere Probleme, die eine Anzeige nach sich ziehen, nur etwa bei jeder fünften Kontrolle. „Mit der Zeit kennt man auch schon die ,schwarzen Schafe'“, erklärt Habermann. So sei schon der äußere Eindruck eines Fahrzeuges ein erstes Zeichen, ob die Polizei bei einer Kontrolle etwas finden wird.
Bevor wir weiterfahren, spreche ich noch kurz mit dem Lkw-Fahrer. „Ich hab kein Problem damit, kontrolliert zu werden. Man kann ja miteinander reden“, sagt Thomas Marschner und bestätigt, er sehe auch ein, warum es sinnvoll ist, dass die Polizei Kontrollen durchführt. Dann fährt er weiter nach Nürnberg. Ramona Waigand und Claudia Werner machen sich auch wieder auf den Weg und Helmut Habermann fährt mich zurück zur Dienststelle.
Wer mehr über die Einstellungskriterien der Polizei erfahren möchte, findet weitere Informationen auf www.polizei.bayern.de unter dem Link „Berufsinfo“.
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