Die Oma ist schon legendär, die mit ihrem Gehstock Einbrecher in die Flucht schlug. Und tatsächlich kann der Krückstock eine wirkungsvolle Waffe gegen böse Buben sein: „Wir können damit sehr viel erreichen beziehungsweise anrichten“, sagt denn auch Dr. Jan Fitzner, Facharzt für Allgemeinmedizin im Ruhestand und selbst wegen einer kranken Hüfte Nutzer eines Gehstockes bei längeren Strecken.
Der jetzt 67-Jährige hat drei Jahrzehnte lang Senioren als Hausarzt betreut und weiß nur zu gut, was ihnen zuzumuten ist, und was sie eben nicht leisten können. Dr. Jan Fitzner weiß auch, dass ältere Menschen in heikle Situationen geraten können und nicht immer ein schneller Rückzug oder das Wählen der Notrufnummer 110 auf dem Handy möglich ist: „Dann wird nur selbstsicheres Auftreten davor bewahren, von vornherein die Opferrolle zu übernehmen“, erklärt Fitzner.
Ein Baustein der Selbstsicherheit könne der wehrhafte Umgang mit dem Gehstock oder dem Regenschirm sein: eine Selbstverteidigungswaffe, die bei Angriffen und ernsthaften Bedrohungen – etwa durch Handtaschenräuber oder potenzielle Vergewaltiger bei Spaziergängen im Park – zum Einsatz kommt.
Dass diese Stock- und Schirm-Selbstverteidigung ohne Kampfsportakrobatik geübt werden kann, ist für Dr. Jan Fitzner eine Gewissheit: Er ist einer der wenigen Cane-Fu-Lehrer in Deutschland und hat in seinem früheren Wohnort im Großraum Stuttgart regelmäßig in Seniorenheimen, Altentreffs oder Volkshochschulen (VHS) entsprechende Kurse abgehalten. Dieses Angebot macht er nun auch in seiner neuen Wahlheimat Bamberg: für Kirchengemeinden und ab dem 7. Oktober (Kursnummer 4884) auch in der VHS Bamberg Stadt.
Was bedeutet „Cane-Fu“ überhaupt? „Das ist ein Kunstwort, cane ist der englische Begriff für Gehstock und Fu orientiert sich an der chinesischen Kampfkunst Kung-Fu“, erklärt Fitzner zu dieser erstmals 2008 in den USA aufgetauchten Wortschöpfung einer dortigen Bewegung in Seniorenkreisen. Der Arzt ließ sich davon anstecken, fand einen Privatlehrer in Ludwigsburg und absolvierte obendrein mehrere Lehrgänge samt Prüfungen in bewährten Kampftechniken aus der europäischen Fechttradition, dem italienischen Hirtenstockkampf, aus irisch/englischen Kampfstilen oder traditionellem philippinischen Stockkampf.
Aus diesen Quellen hat Jan Fitzner leicht erlernbare Elemente herausgearbeitet und zusammengestellt, sodass Senioren Grundtechniken der Stockführung lernen können: „und zwar mit Spaß und Fröhlichkeit!“ versichert der Cane-Fu-Lehrer. Dabei gehe er eine Stufenfolge durch: Auf den Knöchel oder die Knie schlagen, in den Bauch rammen, mit der Stockspitze ins Gesicht stoßen seien Möglichkeiten der Selbstverteidigung. Deren Ziel sei nicht, den Gegner zu zerstören, sondern aus einer schwierigen Situation herauszukommen.
Fitzner räumt ein, dass Gesichtsattacken einen Angreifer schwer verletzen können: „Bin ich dazu bereit? Wie positioniere ich mich im Herzen, wenn ich Christ oder Pazifist bin?“ Auch diese Fragen kläre er in den Kursen, zu denen neben den Techniken und Tricks für den Gehstockeinsatz kürzere Vorträge gehören.
Auftakt der Cane-Fu-Kurse ist am Montag, 13. September, um 15 Uhr in der Erlöserkirche am Kunigundendamm. In Absprache mit Pfarrerin Anne Schneider wird der Einführungsvortrag mit Demonstrationen – „meine Ehefrau Gabriele gibt meinen Gegner“ – direkt in der Kirche stattfinden. So sei gewährleistet, dass bei den Corona-Vorschriften die Teilnehmer den notwendigen Abstand einhalten könnten. Nicht geeignet sei Cane-Fu allerdings für Personen, die recht gebrechlich seien, räumt Dr. Jan Fitzner ein.